Neue Notabschaltung im belgischen Tihange
Dem altersschwachen Atomkraftwerk droht sogar die Atomaufsicht wegen Sicherheitsmängeln mit Abschaltung
Wieder einmal macht das belgische Atomkraftwerk Tihange von sich reden, dass auch in den letzten Wochen immer wieder auffällig wurde. In der Nacht zum Donnerstag kam es zu einer Notabschaltung in Block 3 des altersschwachen Atomkraftwerks, das kurz hinter der Grenze zu Deutschland steht. "Wir klären derzeit, was genau geschehen ist", erklärte ein Sprecher der Betreiberfirma Electrabel. Es habe natürlich keinerlei Gefahr für die Umwelt bestanden, betonte er. Der Reaktor sei sicher heruntergefahren worden, als es bei Wartungsarbeiten zu unvorhergesehenen Vorgängen kam.
Doch das ist nicht der einzige Vorfall, mit dem das Atomkraftwerk zuletzt wieder Schlagzeilen machte. Die Atomaufsichtsbehörde (AFCN) hatte erst Ende Juli eine "Anomalie" festgestellt. Die Sicherheitsbehörde verweist in der Mitteilung vom 6. August darauf, dass es in den "vergangenen sechs Wochen" mehrere derartige Vorfälle gegeben hätte. Und dabei bezog sich die AFCN nicht nur auf Block 3, sondern auch auf Block 1. Dabei hatte die Regierung die Laufzeit dieses mittlerweile 40 Jahre alten Reaktors um weitere zehn Jahre verlängert.
Die Vorgänge in dem Atomkraftwerk bei Lüttich sorgen auch im Land für immer mehr Kopfschütteln. Der belgische Sozialist Johan Vande Lanotte meint, die Atomkraftwerke des Landes seien dabei, sich in die am "wenig verlässlichsten" zu verwandeln. Wenn eine erneuerbare Energiequelle derartig viele Probleme zeigen würde, hätte die Regierung sie längst abgeschaltet, erklärte der ehemalige Wirtschaftsminister.
Er meinte dabei natürlich auch, dass kürzlich vier Beschäftigte vom Dienst suspendiert worden sind. Die Atomaufsicht reichte Klage bei der Staatsanwaltschaft ein und drohte dem Betreiber mit Schließung des Kraftwerks, wenn es nicht endlich zu einer "Sicherheitskultur" in dem Atomkraftwerk komme. Techniker und Ingenieure hätten waren im nuklearen Kontrollraum tätig und hätten ihre Arbeit nicht sonderlich ernst genommen. Die ohnehin atomfreundliche AFNC ordnete nun eine Nachschulung für alle 1000 Mitarbeiter an.
Tihange ist aber vor allem dafür bekannt, dass Block 2 zahllose Risse im Reaktordruckbehälter aufweist. Er ist seit gut einem Jahr abgeschaltet und immer neue Risse werden entdeckt. Einige der Risse sind bis zu 15 Zentimeter lang. Und obwohl in diesem Behälter die Kernspaltung abläuft, will die Regierung den Reaktor am Jahresende wieder hochfahren, wogegen es auch in Deutschland heftige Proteste gibt.
Doch Belgien hat ein Problem. Wegen der verfehlten Energiepolitik mussten angesichts abgeschalteter Atomkraftwerke schon im vergangenen Jahr Notfallpläne aufgestellt werden, weil die Stromversorgung nicht gesichert ist. Offenbar ist die Regierung deshalb bereit, enorme Risiken einzugehen und Tihange wieder hochfahren.