Niedersachsen: weitere Klage für mehr Klimaschutz
Die Jugend will keine faulen Kompromisse mehr und fordert von Deutschlands Erdgas-Hochburg ein Klimagesetz, das seinen Namen verdient
Alles redet über Nord Stream 2, die Gaspipeline aus Russland, kaum einer über die geplanten Flüssiggasterminals an der Nordseeküste für Fracking-Gas aus den USA und noch weniger über die einheimische Gas- und Erdölförderung.
Letzteres geschieht vor allem im schleswig-holsteinischen Wattenmeer, ein für die Fischbestände besonders wichtiges, aber auch ohnehin durch mancherlei Faktoren bedrohtes Ökosystem. Dennoch wurde 2011 die Verlängerung der dortigen Förderung bis in die 2040er Jahre geräuschlos und unter Ausschluss der Bevölkerung genehmigt.
Telepolis hatte seinerzeit über den Widerspruch im Kieler Landtag berichtet. Zur gleichen Zeit erteilte das zuständige Landesamt hinter dem Rücken der Parlamentarier und mit Wissen der schwarz-gelben Kieler Regierung der RWE DEA AG und der Wintershall Holding AG die Erlaubnis, die Förderung bis 2041 zu verlängern. (RWE hat seitdem DEA verkauft.)
Die Förderplattform Mittelplate liegt in schleswig-holsteinischen Gewässern nördlich der Elbmündung. Das hierzulande geförderte Erdgas kommt hingegen meist aus Niedersachsen. Die Förderung ist allerdings nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe seit 18 Jahren rückläufig und deckt inzwischen weniger als zehn Prozent des hiesigen Bedarfs.
Flache Nordseeküsten durch Anstieg des Meeresspiegels bedroht
Für Niedersachsen wie für die Nachbarn im Norden ist die Ausbeutung fossiler Brennstoffe wegen deren Beitrag zur Klimakrise ein wenig wie das Sägen am Ast, auf dem man sitzt. Die Nordseeküsten sind sehr flach und werden langfristig vom Anstieg des Meeresspiegels und damit höher auflaufenden Sturmfluten bedroht.
Aber die Folgen werden künftige Generationen zu tragen haben. Daher haben drei junge Erwachsene sowie ein Jugendlicher mit Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) eine Klage gegen das Land Niedersachsen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Landesregierung versuche, die Jugendlichen „mit einem völlig unzureichenden Klimagesetz zu vertrösten“. „Aussitzen, Ignorieren und Wegsehen“, seien ihre Methoden. (Hier geht es zur Klageschrift.)
Die Klage wird mit einer Online-Petition begleitet. „Wir haben Angst um unsere Zukunft“, heißt es darin. In Niedersachsen habe der VW-Konzern eine derartige Macht, „dass von jeglichen Klimaschutzmaßnahmen abgesehen wird, sobald sie auch nur im Ansatz eine Verkehrswende einleiten könnten.“
„Wir leben in einem Bundesland, das mit am stärksten von der Klimakrise bedroht ist und in dem dennoch immer noch Kohlekraftwerke laufen und Moore für Autobahnen zerstört werden, weiterhin Erdgas und Erdöl massiv gefördert und fossile Infrastruktur immer weiter ausgebaut wird. (…) 2045 ist zu spät, um das Pariser Klimaschutzabkommen und die Einhaltung der 1,5 °C Grenze zu realisieren. Wenn das Land Niedersachsen so weiter macht, dann steuern wir auf einen Temperaturanstieg um 4-5 °C zu!“
Online-Petition von vier Klägern, die von der Hannoveraner Landesregierung ernsthaften Klimaschutz verlangen
Niedersachsen ist eines von zehn Bundesländern, in denen die DUH inzwischen Klimaklagen gegen die jeweiligen Landesregierungen unterstützt. An den meisten dieser Landesregierungen ist die Partei Bündnis90/Die Grünen beteiligt, die in der Öffentlichkeit noch immer als Klimaschutzpartei wahrgenommen wird.