Polnischer Ratspräsident als Positionierung gegen Russland
Auch neue Sanktionen werden angedroht, welche die EU-Wirtschaft zurück in die Rezession drücken werden
Dass ausgerechnet der polnische Premierminister Donald Tusk nun EU-Ratspräsident werden soll, ist ein klares Zeichen an Russland im Ukraine-Konflikt. Auf Tusk hatte sich der Sondergipfel am Samstag in Brüssel als Nachfolger von Herman Van Rompuy geeinigt. Tusk ist ein enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Der rechte Hardliner tritt auch in der Sanktionsfrage aufs Gas (vgl.
Polen verlangt Verschärfung von Russland-Sanktionen). So verwundert nicht, dass nun mit neuen Sanktionen gegen Russland gedroht wird.
In einer Woche soll über eine Verschärfung gesprochen werden, die Tusk längst gefordert hatte. Erstmals wird mit Tusk ein Osteuropäer Ratspräsident. Dass er dafür geeignet ist, darf bezweifelt werden. Nicht nur dass er im Verhältnis zu Russland kaum als Vermittler auftreten kann, ist eigentlich schon ein Problem, denn bisher war Russland strategischer Partner der EU. Hinzukommt, dass er weder Englisch noch Französisch vernünftig spricht, weshalb er sich auch auf einer Pressekonferenz fast nur auf Polnisch äußerte. Jetzt will er seine Sprachkenntnisse aufpolieren.
Als Gegenpol zu Tusk darf gesehen werden, dass die sozialistische italienische Außenministerin Federica Mogherini nun doch die Nachfolge für die Außenbeauftragten Catherine Ashton antreten wird. Das hatte Ministerpräsident Matteo Renzi wegen des guten Abschneidens seiner Partei bei der Europawahl gefordert. Neben dem Konservativen Jean-Claude Juncker sollte nach dem Proporz ein Sozialdemokrat oder besser eine Sozialdemokratin EU-Chefdiplomatin werden.
Mogherini wurde trotz der Vorwürfe einer "russlandfreundlichen Haltung" und angeblich fehlender Erfahrung ernannt, nachdem der letzte Gipfel im Juli an dieser Personalfrage gescheitert war.
Dass sie nun doch gewählt wurde, hatte mit der Hartnäckigkeit von Renzi zu tun und mit der Tatsache, dass sie eine Frau ist. Denn Politikerinnen sind offenbar Mangelware und mindestens eines der Spitzenämter soll von einer Frau ausgeübt werden.
Gestört hatte man sich in der EU vor allem daran, dass die erste Reise Mogherinis nach ihrem Amtsantritt nach Russland ging, nachdem Italien am Monatsanfang die EU-Ratspräsidentschaft übernahm. Dort traf sich die italienische Außenministerin mit dem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow auch, um über das Pipeline-Projekt South Stream zu sprechen. Unabhängig von der Ukraine soll Gazprom darüber Erdgas nach Bulgarien, Serbien, Kroatien, Slowenien, Ungarn, Österreich und Italien leiten.
Nun steigen die Chancen dafür, dass auch Merkels Kandidat als Eurogruppenchef durchkommt. Das soll ausgerechnet ein Manager der Pleitebank Lehman Brothers werden. Der Spanier Luis de Guindos wird deshalb schon in deutschen Medien als "designierter Euro-Gruppen-Chef" gehandelt. Zwar wird er gerne als "Meister der Sparsamkeit" bezeichnet, doch das geht an der Realität völlig vorbei.
Unter seiner Ägide hat Spanien Rekorde bei Verschuldung und Defizit erklommen. 2013 fiel es in Spanien mit 10,6 Prozent sogar noch höher aus als in Griechenland. In Spanien wird der derzeitige Wirtschaftsminister deshalb eher als Bock wahrgenommen, der nun einen noch größeren Garten bekommen soll.
Man kann davon ausgehen, dass die Mischung aus Tusk und Mogherini ein Ausgleich zwischen denen in der EU schaffen soll, die als Kriegspartei in der Ukraine auftreten wollen, denen, die den Krieg dort nur finanzieren wollen und denen, die der Eskalation kritisch gegenüberstehen. So sieht sich Litauens Staatschefin Dalia Grybauskaité zum Beispiel schon praktisch im Krieg mit Russland.
"Russland ist praktisch im Krieg gegen Europa“, meinte sie auf dem Sondergipfel, weil Russland angeblich nun direkt in der Ostukraine eingegriffen habe. Dabei fehlen dafür genauso klare Beweise, wie sie weiter für den angeblichen Abschuss der MH 17 fehlen, wofür Russland mitverantwortlich gemacht wird. Von Aufklärung fehlt aber weiter jede Spur. Noch stehen Satellitenbilder aus, der Funkverkehr wird genauso wenig veröffentlicht wie die AWACS-Daten. Und noch immer wird kein Bericht über die Absturzursachen vorgelegt. Trotz allem forderte Grybauskaité eskalierend:
Wir müssen die Ukraine militärisch unterstützen und ihr militärisches Material schicken.
Das will unter anderem Merkel (noch?) nicht. "Deutschland wird jedenfalls keine Waffen liefern", sagte sie. Sie will zunächst den Tabubruch an Kurdistan vollziehen. Merkel macht deutlich, dass auch sie weiter an der Sanktionsschraube drehen will.
Wenn der Zustand von heute anhält oder die Verschärfung so weitergeht, dann gibt es die Beratungen über neue Sanktionen.
Man habe die Europäische Kommission gebeten, "sehr schnell Vorschläge zu machen, über die wir innerhalb einer Woche entscheiden können", sagte Merkel weiter.
Wenn Waffen erstmals direkt in ein Kriegsgebiet wie den Irak geliefert werden, kann man auch bald darüber nachdenken, ob die Forderungen Litauens angesichts einer Eskalation bald "alternativlos“ werden...
Klar ist, dass das Weiterdrehen an der Sanktionsspirale mit großen Gefahren für die Wirtschaft in Europa und Deutschland, die ohnehin zu schrumpfen begonnen hat, verbunden ist. Und Russlands Präsident Wladimir Putin wird sich von neuen Sanktionsdrohungen nicht beeindrucken lassen. Auf neue Sanktionen wird er mit neuen Gegenmaßnahmen reagieren.
Einen Importstopp für Autos hat er schon ins Gespräch gebracht. Wenn wirklich "bedeutsame Schritte" unternommen werden, wie dies der Ratspräsident Van Rompuy angekündigt hatte, dann müssten die sich gegen den Energiesektor richten. Doch damit dürfte sich erneut Deutschland ins eigene Fleisch schneiden angesichts der Abhängigkeit vom russischen Gas. Man kann darauf gespannt sein, welche gefährlichen Wechselwirkungen und Rückkopplungseffekte die Zuspitzung haben werden, die bisher kaum beachtet werden, wenn darüber gesprochen wird, die Sanktionen seien verkraftbar .