Südamerika berät heute Konsequenzen aus Morales-Notlandung
Sondergipfel von Staatenbündnis Unasur. Solidarität über politische Lager hinweg. Rousseff sieht Beziehungen zur EU beeinträchtigt
Nach der erzwungenen Zwischenlandung von Boliviens Präsidenten Evo Morales kommen heute Vertreter des südamerikanischen Staatenbündnisses Unasur zusammen, um Konsequenzen aus dem Zwischenfall zu beraten. Der Sondergipfel des Zwölf-Staaten-Verbandes war von Ecuadors Präsidenten Rafael Correa beantragt worden, nachdem Mitte der Woche offenbar mehrere EU-Mitgliedsstaaten Morales den Überflug verwehrt hatten. Scheinbar wurde diese Entscheidung unter der Annahme getroffen, an Bord befinde sich der US-amerikanische Geheimdienst-Enthüller Edward Snowden. Morales hatte sich auf der Rückreise aus Moskau befunden, wo er an der Zweiten Konferenz der Erdgas exportierenden Staaten teilgenommen hatte.
Nach Angaben der Unasur haben sechs Staatschefs (Argentinien, Bolivien, Ecuador, Surinam, Uruguay und Venezuela) bei der kurzfristig angesetzten Konferenz ihr Kommen zugesagt.
Obwohl nach dem Zwischenfall vor allem Vertreter des linksgerichteten ALBA-Bündnisses scharf protestierten, meldeten sich inzwischen auch weitere Regierungschefs zu Wort. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff zeigte sich "empört" über das Vorgehen von EU-Staaten gegen ihren bolivianischen Amtskollegen. Der Zwischenfall betreffe ganz Lateinamerika und könnte die Beziehungen zur Europäischen Union beeinträchtigen, sagte die Politikerin.
Auch Perus Präsident Ollanta Humala, der zurzeit die Präsidentschaft der Unasur innehat, protestierte. Peru erkläre "seine Solidarität mit dem bolivianischen Volk angesichts dieses unfreundlichen Aktes einiger Staaten Europas gegen den bolivianischen Präsidenten", erkläre Humala, dessen Land der pro-westlichen Pazifik-Allianz angehört. Von den verantwortlichen EU-Staaten forderte Humala eine Erklärung ein.
In Chile gerät der rechtsgerichtete Präsident Sebastian Piñera indes unter Druck, weil er sich noch nicht zu dem Zwischenfall geäußert hat. Der sozialdemokratische Parlamentsabgeordnete Jorge Tarud und weitere Vertreter der Opposition forderten eine Stellungnahme Piñeras ein. Dieser ließ daraufhin verlautbaren, dass er eine Teilnahme an dem Unasur-Sondergipfel im bolivianischen Cochabamba prüfe.
"Wir befinden uns nicht mehr in Kolonialzeiten"
Morales selbst hatte das Vorgehen mehrerer EU-Mitgliedsstaaten gegen ihn als Angriff auf die linksgerichteten Regierungen Lateinamerikas bewertet. Die erzwungene Landung seiner Maschine beim Rückflug aus Moskau stehe im Kontext einer Einschüchterungspolitik der EU, so Morales kurz vor seinem Rückflug nach Bolivien.
Diese Politik der verantwortlichen EU-Staaten kritisierte der südamerikanische Staatschef scharf. "Wir befinden uns nicht mehr in Kolonialzeiten", sagte er: "Einige europäische Staaten irren, wenn sie denken, sie könnten uns bedrohen." Morales, der sich als "Gefangener" bezeichnete, kündigte zugleich eine Untersuchung des Zwischenfalls an. "Das werden sie der Welt erklären müssen", sagte er.
Der sozialistische Präsident hatte von Dienstag bis Mittwoch fast 13 Stunden auf dem internationalen Flughafen Schwechat von Wien verbringen müssen. Sichtlich peinlich berührt war Österreichs Präsident Heinz Fischer von der regierenden Sozialdemokratischen Parte Österreichs (SPÖ) dort mit Morales vor die Presse getreten. Indes herrscht Unklarheit über das Geschehen: Frankreich und Spanien wiesen zunächst den Vorwurf zurück, Morales den Überflug verweigert zu haben, ohne jedoch weitere Details zu geben. Später gestand die französische Regierung den Fehler doch ein und entschuldigte sich ( Bolivien streitet die Durchsuchung des Präsidentenflugszeugs in Wien weiter ab).