Umstrittene Präsidentschaftswahl in Gabun

Vorläufige Ruhe nach Unruhen. Frankreich ist tief verwickelt

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Am Wochenende herrschte in der afrikanischen Erdölrepublik Gabun vorläufig "angespannte Ruhe" (so die Nachrichtenagentur AFP), nachdem es bei den Unruhen am Donnerstag und Freitag zwei Tote gegeben hat. Die Opposition rief zum 'Widerstand' auf. In den städtischen Zentren, vor allem aber in der Hafenstadt Port-Gentil, von wo aus die Öltanker in Richtung Frankreich oder USA in See stechen, besichtigte die Bevölkerung die Schäden, die am Vortag bei Zusammenstößen mit den Ordnungskräften oder bei Plünderungen entstanden waren. Voraus ging am Donnerstag der Ausbruch heftiger Unruhen, infolge der Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom 30. August.

Deren Ausgang ist von zahlreichen Unregelmäßigkeiten überschattet. Schon die Zeitdauer, die verstrich, bis die - unabhängige und ständige nationale Wahlkommission - (CENAP) die offiziellen Ergebnisse bekannt gab, erscheint verdächtig. In dem nur 1,2 Millionen Einwohner zählenden und an Bodenschätzen reichen Staat - dessen Bevölkerung jedoch mehrheitlich in Armut lebt - wurde am vergangenen Sonntag gewählt. Die Bekanntgabe der Resultate war für Dienstag Abend angekündigt worden, erfolgte jedoch erst anderthalb Tage später, am Donnerstag früh. Ferner wurden zahlreiche "Merkwürdigkeiten" beobachtet.

So wurde bei den Wählerinnen und Wählern der Daumen mit Tinte markiert, die angeblich unabwaschbar ist und dafür sorgen sollte, dass jede Person garantiert nur ein Mal abstimmen kann. Es wurde jedoch berichtet, diese Tinte sei durch einfaches Waschen mit kaltem Wasser leicht zu entfernen.

Gewonnen hat die Wahl, offiziell jedenfalls, der bisherige Verteidigungsminister und Oberbefehlshaber über die Armee: Ali Ben Bongo. Ihm dürfte die Differenz zwischen der angeblichen und der tatsächlichen Anzahl der Wahlteilnehmer zugute gekommen sein. Offiziell erhielt er knapp 42 % der Stimmen, und damit eine relative, aber zum Wahlsieg ausreichende Mehrheit. Neben ihm reklamierten aber auch zwei andere Kandidaten am Montag, nach erfolgter Auszählung der Stimmen auf lokaler Ebene, den Sieg für sich: der frühere Innenminister André Mba Obame und der langjährige Oppositionspolitiker Pierre Mamboundou. Gestern wurde bekannt, dass Mamboundou am Vortag durch Schüsse der Armee u.a. am Kopf verletzt worden ist. Entgegen ersten Meldungen und Befürchtungen seiner Anhänger schwebt er jedoch nicht in Lebensgefahr.

Der 50jährige ist der Sohn jenes Patriarchen, Omar Bongo Ondiba, der das Land 42 Jahre lang ohne Unterbrechung - seit 1967 - regiert hatte. Omar Bongo starb am 8. Juni dieses Jahres in einer Klinik in Barcelona. Im eigenen Land hatte er sich nicht behandeln lassen wollen. Denn trotz des immensen Reichtum Gabuns an Erdöl, Uran, Eisen- und Manganerz liegt es dort mit der Gesundheitsversorgung im Argen. Auch andere soziale Einrichtungen oder das Bildungssystem sind nur unzureichend entwickelt. Nach dem Tod Omar Bongos haben maßgebliche Teile der Machthaber offenkundig auf eine "dynastische" Regelung der Nachfolgefrage gesetzt.

Profitiert von dem System hat vor allem eine schmale Oligarchie, die an den Netzwerken der Korruption teilhat und sich an den Staatsfinanzen insbesondere der von den Regierenden abgeschöpften "Ölrente" gütlich hält. Aber auch französische Interessen, genauer: jene des Frankreich der Militärs und der Milliardäre, haben wesentlich von dem Regime profitiert. Frankreich, das in Gabun insbesondere durch den Ölkonzern TOTAL vertreten wird, hat die Machthaber in Gabun bereits mehrfach durch militärische Interventionen vor ihrem Sturz sei es durch meuternde Soldaten - wie Präsident Léon Mba im Februar 1964 - , sei es durch die eigenen Bevölkerung gerettet. Zuletzt im Mai 1990.

Am Donnerstag dieser Woche wurden das französische Konsulat in Port-Gentil und drei zum TOTAL-Konzern gehörende Tankstellen angezündet oder angegriffen. So was kommt von so was?

Frankreichs Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Alain Joyandet, erklärte jedoch, er sei nicht beunruhigt, und die Wahlen in Gabun seien überwiegend korrekt verlaufen. In einem Interview mit der Boulevardzeitung "Le Parisien" erklärte er, Frankreich könne gar nicht parteiisch sein (wie das Wochenmagazin "Jeune Afrique" schon im Juli behauptet hatte, als es schrieb, das offizielle Paris bevorzuge Ali Bongo als künftigen Präsidenten). Als Begründung führte er an: "Wir haben 10.000 Staatsbürger in Gabun, 80 % der dortigen Investitionen stammen von französischen Unternehmen, und wir unterhalten eine Militärbasis dort. Also können wir gar nicht parteiisch sein", weil, so die Logik, dieser Einfluss sonst verloren zu gehen drohe.

Doch, Frankreich konnte und kann offenkundig parteiisch sein: Es muss nur sicher gehen, dass der "richtige" Kandidat, auf den man gesetzt hat, am Ende auch gewinnt.