Wäre eine Blockade der Straße von Hormus durch Iran legal?
Die UNCLOS-Konvention zum Seerecht unterscheidet sich von Äußerungen des britischen Außenministers Hague, der eine Blockade der Straße von Hormus durch Iran als eindeutig "illegal" bezeichnte
Wegen ihres Tiefgangs müssen Schiffe in der Straße von Hormus notgedrungen einen Abschnitt passieren, der durch Gewässer verläuft, die zum iranischen Hoheitsgebiet gehören. Daraus folgert die iranische Führung ein Vetorecht über den Schiffsverkehr durch diese wichtige Handelsstraße.
Die iranische Führung hat betont, dass die Blockade nur dann erfolge, wenn iranische Ölexporte durch ein Embargo seitens Europa (bzw. Westen) blockiert werden sollten. Die Drohung würde also nur den Fall betreffen, der eintritt, wenn der Westen grundsätzlich versucht, alle iranische Ölexporte zu blockieren, also auch in Länder, die keine Sanktionen gegen Iran verhängt haben und weiterhin iranisches Öl importieren wollen. Die Blockade betrifft nicht den Fall, wenn Europa einfach aufhört, iranisches Öl zu importieren.
Die Frage einmal andersherum: Darf man die Lebensader eines Landes blockieren?
Im Klartext hieße das: "Wenn ihr (Europa/Westen) mit uns keine Geschäfte mehr machen möchtet, dann ist das eure Entscheidung und wir können damit leben, wenn ihr uns aber militärisch daran hindert, mit unseren anderen Partnern für uns existenziell wichtige Ölgeschäfte zu machen, dann werden wir euch auch das Leben schwer machen." An sich ist das ein logisches Argument.
Iran hat zwar mit einer Blockade gedroht, aber effektiv ist es der Westen, der mit seiner Sanktionspolitik eine Blockade Irans grundsätzlich erzwingen will. Die Frage wäre: Verleiht der rechtmäßige Beschluss eines Staates oder einer Staatengemeinschaft, Geschäfte mit einem anderen Land einzustellen oder stark zu reduzieren (Sanktionspolitik), gleichzeitig das Recht, auch die Lebensader dieses Land zu blockieren?
William Hague ist sich sicher
Kurze Zeit nach der Drohung Irans, der iranischen "Provokation" (siehe Europa will Iran mit Öl-Embargo erziehen) folgten entschiedene Aussagen, allen voran vom britischen Außenminister Hague, der eine Blockade der Meeresstraße als „illegal“ bezeichnete. Eine ganze Reihe von Artikeln in westlichen Medien bestätigten diese Behauptung und propagierten sie widerspruchslos und undifferenziert.
Die meisten erwähnten nicht einmal die dafür relevante UN-Konvention United Nations Convention on the Law of the Sea, auch bekannt als UNCLOS - bzw. wenn sie überhaupt genannt wurde, dann sehr oft mit einer falschen Interpretation.
Militärische Auseinandersetzung in der Meeresenge
Die Folgen einer militärischen Auseinandersetzung in der Meeresenge wären hoch, die Straße von Hormus wäre effektiv für den normalen Schiffsverkehr blockiert, das Risiko des Durchgangs wäre für die meisten Schifffahrtsunternehmen zu hoch. Zu einer militärischen Auseinandersetzung käme es auch - darin sind sich die meisten Experten einig - wenn die iranische Seite militärisch versuchen würde, westliche Kriegsschiffe daran zu hindern, ein Embargo gegen den Iran durchzusetzen.
Das nicht unwahrscheinliche Szenario könnte so aussehen: Westliche Kriegsschiffe, angeführt von den USA, hindern iranische Tanker daran, die Straße von Hormus zu passieren, Iran würde gemäß seinen territorialen Ansprüchen, die Passage der westlichen Kriegsschiffe durch die Straße von Hormus zu verhindern versuchen. Hätte Iran das Recht dazu?
Die "Innocent Passage"-Klausel
Die meisten "Experten" behaupten, die Straße von Hormus unterliege dem UNCLOS und das darin fixierte internationale Recht schütze den Schiffsverkehr jeglicher Art. Iran habe demgegenüber keine territorialen Ansprüche und dürfe deshalb nicht blockieren.
Allerdings ist die genaue Auslegung der UNCLOS unter den Experten umstritten. Zum einen gibt es eine UNCLOS-Konvention, die 1958 verabschiedet wurde, die sogenannte UNCLOS I, welcher Iran und auch die USA beigetreten sind. Gemäß UNCLOS I (Artikel 5) gilt für die Durchfahrt durch die Straße von Hormus die sogenannte "Innocent Passage"-Klausel.
Die "Transit Passage"-Klausel
1982 wurde eine überarbeitete Version von UNCLOS in der UNO vorgestellt, die sogenannte UNCLOS III, der die USA (und Israel) nicht beigetreten sind, und welche Iran unterschrieben, aber nicht ratifiziert hat. Somit ist Iran der UNCLOS III effektiv auch nicht beigetreten. Gemäß der UNCLOS III (Artikel 37) gilt für die Durchfahrt durch die Straße von Hormus die sogenannte "Transit Passage"-Klausel. Es sollte erwähnt werden, dass Irans Unterschrift für die UNCLOS III an gewisse Ausnahme-Regelungen geknüpft war, die schriftlich in der Konvention eingetragen sind.
Solche Ausnahmeregelungen in UNO-Konventionen sind keine Seltenheit. Viele anderen Länder haben ähnlich wie der Iran in der UNCLOS eigens eingetragene Ausnahmeregelungen. Die Ausnahmeregelungen Irans besagen u.a., dass die Rechte, die Iran unter dem "Transit Passage" anderen Ländern gewährt, nur für Länder gelten, die der Konvention beigetreten sind. Das würde heißen: Da die USA UNCLOS III nicht beigetreten sind, haben die USA auch keine "Transit Passage"-Rechte durch die Straße von Hormus.
Für Kriegsschiffe gelten nach den "Innocent Passage"-Regeln viel strengere Auflagen als unter den "Transit Passage" Regeln. Bei einer "Innocent Passage" dürfen z.B. U-Boote nur aufgetaucht und mit Flagge die Straße durchqueren und militärischer Flugverkehr ist nicht erlaubt. Außerdem müssen Kriegsschiffe bei der Durchfahrt um die Erlaubnis des Rechteinhabers der Hoheitsgewässer , in diesem Fall Iran, bitten, was die USA bis dato ignoriert haben. Wichtiger aus Sicht des Irans ist, dass bei einer "Innocent Passage" Iran explizit das Recht hat, u.a. die Straße zu sperren, wenn solche Schiffspassage seine territoriale Sicherheit gefährdet (Artikel 25).
Bei einer "Transit Passage" werden Kriegsschiffe effektiv wie Handelsschiffe behandelt und dürfen ohne weiteres (zügig) durch die Straße fahren. Es sollte allerdings darauf hingewiesen werden, dass auch unter dieser lockereren Formulierungen gewisse wichtige Einschränkungen gelten. Die erwähnten Durchfahrtsrechte gelten nämlich nur in Bezug auf eine friedliche Nutzung der Straße (relativ zu Irans Territorium) und in Übereinstimmung mit internationalem Recht.
Auch die USA verlangten nach einer Klärung
Auch wenn unter dieser neuen Formulierung (UNCLOS III) Iran nicht mehr explizit das Recht hat, die Straße zu sperren, so steht dem Land, wenn es von den USA politisch und militärisch bedroht wird, das Recht zu, diese Transitrechte zurückzuziehen.
Wie die rechtliche Lage von den USA wirklich eingeschätzt wird, verbirgt sich eventuell in einem Bericht des Journalisten Gareth Porter. Bereits im Jahr 2007 drängte der amerikanische Admiral Fallon demnach sehr darauf, mit Iran direkt über ein "Innocent Passage"-Abkommen in der Straße von Hormus zu verhandeln. Dieser Versuch Fallons traf allerdings bei der US-Regierung (unter George W. Bush) und insbesondere bei seinem Nachfolger, General Petraeus, auf heftigen Widerstand. Der Verhandlungsversuch wurde abgebrochen.
Aber, dass es diesen Versuch überhaupt gab, offenbart, dass sich die USA selbst seit längerem darüber bewusst sind, dass ihnen weder die "Transit Passage" noch die "Innocent Passage" die Rechte in der Straße von Hormus einräumen, die sie gerne hätten - sonst würden sie ja nicht versuchen, mit Iran darüber zu verhandeln. Daraus kann man schließen, dass Iran im Fall der Gefährdung seiner Sicherheit - zumindest gegenüber feindlichen Kriegsschiffen - doch mehr Recht auf die Sperrung dieser wichtigen Transitstraße hat, als dies in vielen Berichten propagiert wird.