Weltwirtschaft: Kein Rettungsanker
Die globale Ökonomie saust in den Keller und China wird diesmal kein Rettungsnetz aufspannen können
Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht schwarz, wie schon zu Beginn der Woche berichtet. Anlässlich seines in den virtuellen Raum verlegten derzeitigen Frühjahrstreffens hatte IWF-Direktorin Kristalina Georgieva vor der "schlimmsten Krise seit der großen Depression" der 1930er Jahre gewarnt. Der Fonds erwarte, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr um rund drei Prozent schrumpft.
Hunderte Millionen Menschen seien in den letzten Wochen rund um den Globus arbeitslos geworden, schreibt der britische Guardian. Allein in den USA wären demnach in den letzten drei Wochen 17 Millionen Beschäftigte auf die Straße gesetzt worden. Niemals zuvor habe die Weltwirtschaft einen derartigen, überall gleichzeitig erfolgenden Schlag erhalten. Die Welt erlebe gerade den größten Anstieg der Defizite der öffentlichen Haushalte und der Staatsverschuldung seit dem Zweiten Weltkrieg.
Als vor knapp 13 Jahren in den USA die dortige Kreditblase zu platzen begann und der Knall besonders die transatlantische Welt der alten westlichen Industriestaaten erschütterte, waren es die Schwellenländer, die nach einem kurzen Zögern den Motor der Weltwirtschaft schon bald wieder in Schwung brachten. Insbesondere in China reichte ein umfangreiches Konjunkturprogramm, um nicht nur die eigene Wirtschaft vor dem Absturz zu bewahren, sondern auch die globale Ökonomie wieder auf Trab zu bringen.
Davon kann diesmal nicht die Rede sein. Die Indizes der Industrieproduktion, des Einzelhandelsumsatzes und der Anlageninvestitionen lassen vermuten, schreibt die in Hongkong erscheinende South China Morning Post (SCMP), dass die chinesische Wirtschaft im ersten Quartal um acht Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres geschrumpft sei.
Das wäre die erste Rezession der Volksrepublik seit Anfang der 1990er Jahre. Der IWF schätze, so die Zeitung weiter, dass übers Jahr gerechnet die chinesische Wirtschaft nur um 1,2 Prozent wachsen werde. Im vergangenen Jahr waren es noch 6,1 Prozent gewesen.
Für die inzwischen weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft ist das ein schwerer Schlag. Dort sind allein 180 Millionen Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor verschwunden. Außerdem suchen in diesem Jahr neun Millionen Schul- und Hochschulabgänger erstmalig einen Arbeitsplatz. Für ein Land ohne nennenswertes soziales Netz – für das Heer der rund 280 Millionen Wanderarbeiter gibt es zum Beispiel kein Arbeitslosengeld – ist das eine gewaltige Herausforderung.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Kauflust der chinesischen Verbraucher nicht so leicht zu stimulieren sein wird. Zum einen natürlich, weil viele von ihnen jetzt erwerbslos sind und den Pfennig zweimal umdrehen werden. Zum anderen aber auch, weil sich die chinesische Sparkultur drastisch gewandelt hat.
Bis zu Anfang des zweiten Jahrzehnts war es in China sehr ungewöhnlich, Konsumgüter auf Kredit zu kaufen. Das hat sich in den vergangenen Jahren drastisch gewandelt und die Summe der Konsumentenkredite ist rasant in die Höhe geschnellt und stürzt derzeit regelrecht ab.
Mit anderen Worten: Auch der chinesische Verbraucher ist inzwischen verschuldet und wird daher in Krisenzeiten kaum zu vermehrten Konsum zu bewegen sein. Außerdem müssen die Banken inzwischen die ersten Kredite abschreiben, weil mancher seine Schulden nicht mehr bedienen kann.
Alles in allem also wenig Hoffnung, dass China nach 1997ff und 2008ff zum dritten Mal als Rettungsanker der Weltwirtschaft dienen wird. Nur eine konzertierte Aktion der großen Akteure könnte Schlimmeres verhindern, doch in den westlichen Hauptstädten hat man für derlei keine Zeit, da man gerade mehr mit der Suche nach dem passenden Sündenbock beschäftigt ist.