Wenigstens in Würde sterben

Das US-Justizsystem scheint keine Gnade zu kennen, nicht einmal unheilbar erkrankte Gefangene werden zum Sterben aus der Haft entlassen

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Die US-amerikanische Anwältin Lynne Stewart und der ehemalige Black-Panther Aktivist Hermann Wallace haben (mindestens) vier Gemeinsamkeiten: sie sind beide inhaftiert, beide unheilbar an Krebs erkrankt, beide kämpfen darum, nicht im Gefängnis sterben zu müssen – und beiden wird die Freilassung verwehrt, obwohl die Gesetze eine "Entlassung aus Mitgefühl" möglich machen würden. Per Petition soll der Forderung nach Entlassung Nachdruck verliehen werden.

Die 1939 im Staate New York geborene Lynne Stewart betrieb mehr als 30 Jahre lang gemeinsam mit ihrem Mann Ralph Pointer ein Anwaltsbüro, in den vor allem politische Aktivistinnen und Aktivisten beraten und vertreten wurden, u.a. Mitglieder der Black Panther Party.

Stewart übernahm die Verteidigung von Scheich Umar Abd ar-Rahman, der als Drahtzieher des ersten Bombenanschlags auf das World-Trade-Center (WTC) in New York vom 26. Februar 1993 gilt ( Telepolis-Gespräch mit Stewart). Der geistige Führer der "islamischen Gruppe" aus Ägypten hatte Anfang der 1990er Jahre großes Ansehen in den USA genossen, weil er Söldner für den Dschihad gegen die sowjetische Besatzung rekrutiert hatte, und ihm wurde deshalb ein Aufenthaltsrecht in den USA gewährt (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/dasfeature/1519041/).

Stewart übernahm das Mandat nicht, wie sie sagt, weil ihre politische Überzeugung mit der des Scheichs übereinstimme, sondern wegen des Schutzes der verfassungsmäßig garantierten Rechte von Angeklagten. 1995 wurde Abd ar-Rahman zu lebenslanger Haft verurteilt, später wurden Sondergesetze erlassen, die ihm jegliche Kommunikation mit der Außenwelt verboten. Stewart soll eine Pressemitteilung ihres Mandanten an die Presse lanciert haben ( Anwältin eines Topterroristen verurteilt), und wurde dafür im Juli 2010 nach einem langwierigen Gerichtsverfahren zu 10 Jahren Haft verurteilt. Unterdessen wurde bei ihr eine unheilbare Krebserkrankung diagnostiziert, und sie kämpft gemeinsam mit ihrem Ehemann und mehreren zig-Tausend Unterstützenden für ihre vorzeitige Entlassung, damit sie in Würde sterben kann.

Hermann Wallace wurde 1967 wegen eines Banküberfalls verhaftet und im berühmt-berüchtigten Angola-Gefängnis inhaftiert. Gemeinsam mit einem weiteren Insassen, Albert Woodfox, gründete er im Knast eine Gruppe der Black Panther Party und kämpfte für bessere Haftbedingungen. Am 14.4.1972 wurde im Angola-Gefängnis ein weißer Wärter getötet. Wallace und Woodfox werden für die Tat verantwortlich gemacht, und in einem dubiosen Gerichtsverfahren zu lebenslanger Haft verurteilt. Seitdem sitzt Wallace in Isolationshaft in einem Gefängnis in Louisiana.

Amnesty International setzt sich seit vielen Jahren für Wallace ein. Auch bei ihm wurde mittlerweile eine unheilbare Krebserkrankung diagnostiziert. Eine von Amnesty USA initiierten Petition soll für ihn ein Leben in Würde in seinem letzten Lebensmonaten erreicht werden.

Lynne Stewart wandte sich in den vergangenen Tagen erneut mit der Bitte an die Öffentlichkeit, ihr in ihrem Kampf um Entlassung beizustehen. Auch wenn sie das Gesicht der Kampagne sei, sie kämpfe nicht nur für sich, sondern im Namen aller Gefangenen die in den Knästen schmachten, voller Schmerz oder gar Schlimmeren, in der Hoffnung, entlassen zu werden.

"I may be the 'poster child' but this is done on behalf of all the prisoners who are languishing, in pain or worse, trying to go home.

Auch die Anwältin hofft auf Unterstützung durch eine Petition.