Thüringen: Aussitzregierung mit heimlicher Oppositionsunterstützung?

Bodo Ramelow, Mike Mohring. Bilder: Sandro Halank / CC-BY-SA-4.0

Die Verfassung des Bundeslandes lässt der CDU das Schlupfloch einer Duldung Ramelows ohne dessen Wiederwahl

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Die Thüringer Landesverfassung regelt, dass ein Ministerpräsident so lange im Amt bleibt, bis ein neuer gewählt wird. Deshalb bleibt Bodo Ramelow vorerst auch dann Regierungschef des Bratwurst-Bundeslandes, wenn seine Koalition im neuen Landtag über keine Mehrheit verfügt. Das kann er bis 2024 bleiben - oder sogar noch länger, wenn sich nicht nur nach der Wahl am vergangenen Sonntag, sondern auch nach der nächsten keine Koalitionsmehrheit findet.

Ramelow kann dann mit einem Minderheitskabinett regieren, dem Verwaltungsakte und andere Schattenlegislativinstrumente der Exekutive zur Verfügung stehen, wie beispielsweise die Stimmen im Bundesrat (für die sich allerhand erhandeln lässt). Will er reguläre Landesgesetze erlassen, muss er sich im Landtag Mehrheiten suchen. Die könnte er auch von den Abgeordneten der Parteien bekommen, welche nicht offiziell mit ihm koalieren wollen.

Kurze Kehrtwende

Zum Beispiel von der FDP, wenn deren fünf gültige Wählerstimmen über der Sperrhürde den Weg vom vorläufigen zum endgültigen Ergebnis überstehen, das voraussichtlich am 7. November bekannt gegeben wird. Oder von der CDU, deren Spitzenkandidat Mike Mohring die Öffentlichkeit bereits vorsichtig auf diese Möglichkeit vorzubereiten scheint, wenn er meint, es werde zwar Gespräche mit Ramelow, aber keine Zusammenarbeit mit dessen Linkspartei geben.

Vorher hatte Mohring eine kurze Kehrtwende hingelegt und entgegen seiner ausdrücklichen Ankündigung vor der Wahl verkündet, seine Thüringer CDU sei "bereit für Verantwortung, wie auch immer die aussehen kann und sollte". Am Montagabend scheint ihn dann der Landesvorstand dieser Thüringer CDU etwas zurückgepfiffen und zu einer Einschränkung motiviert zu haben. Danach verlautbarte Mohring nämlich, er schließe aus, "dass die abgewählte rot-rot-grüne Landesregierung durch die Unterstützung der CDU in eine neue Regierungsverantwortung gehoben wird".

"Staatspolitische Verantwortung"

Dass sie in ihrer alten Regierungsverantwortung bleibt, hat der Apoldaer nicht ausgeschlossen. Stattdessen will er Ramelows Gesprächsangebot nun "aus staatspolitischer Verantwortung" annehmen und sich dabei erklären lassen, "welche Vorstellungen er für die Zukunft Thüringens" hat. Den Informationen der Bild-Zeitung nach soll der Thüringer CDU-Chef der Bundesführung seiner Partei gegenüber vorher die Meinung geäußert haben, Ramelow sei "inhaltlich leer" und man werde "als Union alles mit ihm machen können".

In Sozialen Medien gibt es bereits Vorschläge, wie sich diese Hypothese testen ließe: Der ehemalige Merian-Chefredakteur und Stern-Berlinbüroeiter Andreas Hallaschka rät beispielsweise zu einer Kranzniederlegung für im Speziallager 2 Buchenwald inhaftierte und getötete Christdemokraten, andere Twitter-Nutzer empfehlen ein öffentliches Gedenken an die Opfer der Aktion Ungeziefer, bei der "unzuverlässige Elemente" aus den Dörfern und Höfen an der Grenze zur BRD deportiert wurden.

"Prüfwürdig" bis "CDU-Harakiri"

Ob eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei Mohring längerfristig eher nutzen oder eher schaden würde, ist offen. Einige Beobachter halten sie für "prüfwürdig", andere für "CDU-Harakiri". Diese beiden Meinungen gibt es auch innerhalb der deutschen Christdemokraten: Während die "gesinnunsgrüne Riege" um die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther und den Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Medienberichten nach dafür plädierte, Mohring "freie Hand" für eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei zu lassen, sprachen sich der JU-Chef Tilman Kuban und der WerteUnions-Vorsitzende Alexander Mitsch deutlich dagegen aus.

Der ehemalige Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz rief nach der inzwischen 13. Wahlniederlage seit 2015 sogar mehr oder weniger offen zum Sturz von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Leipziger Parteitag im Dezember auf:

"Das Wahlergebnis von Thüringen", so der Sauerländer, könne die CDU "nicht mehr ignorieren oder einfach aussitzen", weil es auch mit einem "großem Misstrauensvotum gegenüber der sogenannten Großen Koalition in Berlin" verbunden gewesen sei. Ähnlich äußerten sich heute der Union-Fraktionsvize Carsten Linnemann und der CDU-Wirtschaftspolitiker Christian von Stetten.

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