Tankrabatt: Habeck will Extraprofite der Energiekonzerne abschöpfen

Bild: IADE-Michoko auf Pixabay

Steuerliche Erleichterungen kommen bei Verbrauchern kaum an, dafür bringen sie den Konzernen jeden Monat Übergewinne in dreistelliger Millionenhöhe.

Der sogenannte Tankrabatt ist eine populäre Idee gewesen: Angesichts explodierender Spritpreise sollte er dazu beitragen, den wachsenden Unmut in der Bevölkerung etwas zu besänftigen. Doch er verfehlt sein Ziel, denn die Preise sinken nicht wie erhofft. Stattdessen entpuppt sich der Tankrabatt als ein Milliardengeschenk für die Mineralölkonzerne.

Welt am Sonntag (WamS) hatte berichtet, dass etwa zwei Drittel der Steuerentlastung bei den Konzernen versickern. Dabei berief sich das Blatt auf Berechnungen des Wirtschaftswissenschaftlers Johannis Schwanitz von der Fachhochschule Münster.

Demnach hätte ein Liter Superbenzin E5 – dank Steuerersparnis – um 35,2 Cent billiger werden müssen. Beim Verbraucher kamen davon allerdings nur etwa zehn Cent an; die übrigen 25 Cent verblieben demnach als Mehrgewinn bei den Konzernen.

Bestätigt wird diese Berechnung laut WamS durch das Portal Benzinpreis.de. Dessen Statistik lege nahe, dass der Gewinn der Benzin- und Dieselanbieter um 20 bis 25 Cent je Liter gestiegen sei. Anfang April habe der Überschuss noch bei rund 26 Cent je Liter gelegen; nachdem der Tankrabatt eingeführt wurde, stieg er auf bis zu 50 Cent.

Nimmt man die Margenausweitung beim Diesel hinzu, kommen wir auf eine Rohgewinnsteigerung der Mineralölunternehmen in hoher dreistelliger Millionenhöhe pro Monat.

Johannes Schwanitz, Welt am Sonntag (12.06.2022)

Tankrabatt: Trotz Fehlwirkung soll er beibehalten werden

Über den gesamten Zeitraum des Tankrabatts würden dem Fiskus mehr als zwei Milliarden Euro verloren gehen, so Schwanitz. Gleichzeitig hätten sich schon Anfang März "deutliche Übergewinnmitnahmen" der Konzerne registrieren lassen. Schließlich hätten sich mit dem Krieg in der Ukraine die Preise von Rohöl und von Kraftstoffen "vollkommen entkoppelt".

In der letzten Zeit war der Unmut über die für Verbraucher geringe Wirkung des Tankrabatts immer größer geworden. Spitzenpolitiker von FDP, CDU, SPD und den Linken forderten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf, gegen die Mineralölkonzerne vorzugehen.

Kritik an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der als eigentlicher Architekt des Tankrabatts gilt, gab es dagegen kaum. Im Interview mit den tagesthemen schob er die Verantwortung auf das Bundeskartellamt. Dieses sei dafür zuständig, zu prüfen, wie sich die Preise zusammensetzen. Er gehe zudem davon aus, dass die Preise an den Tankstellen ohne den Steuerrabatt noch wesentlich höher seien.

Trotz der festgestellten Fehlwirkung des Tankrabatts soll er bestehen bleiben. Lindner sagte, ihn abzuschaffen, sei gar nicht so einfach, weil er ein Gesetz sei. Die Koalitionspartner von den Grünen wollen ihn ebenfalls behalten. Deren Co-Vorsitzende Ricarda Lang sagte, sie sehe keine Grundlage für eine Rücknahme der Steuersenkung. Außerdem stehe man zu den Kompromissen der Regierungskoalition – auch wenn momentan nur die Mineralölkonzerne profitierten.

Gewinne abschöpfen und Konzerne zerschlagen

Robert Habeck ist nun mit einem Vorschlag vorgeprescht, der die Konzerne aufhorchen lässt: Er drohte damit, das Kartellrecht zu verschärfen. Mit der Reform soll es dem Staat möglich gemacht werden, auch ohne einen Nachweis von Marktmissbrauch übermäßige Gewinne abzuschöpfen und notfalls Konzerne zu zerschlagen. Konkrete Vorschläge sollen in den nächsten Wochen präsentiert werden.

Bislang kann das Bundeskartellamt nicht einfach tätig werden. Nur wenn es nachweisen kann, dass es direkte Absprachen zwischen Unternehmen gab, kann es einschreiten und einen Verstoß gegen das Kartellrecht sanktionieren. Bei "stillschweigenden Absprachen" darf es nicht einschreiten.

Die Mineralölwirtschaft pocht nun darauf, dass alles so bleibt, wie es ist. "Überlegungen, Unternehmen in Zukunft ohne Nachweis von Verstößen zu sanktionieren oder gar zerschlagen zu wollen, halten wir für sehr problematisch und sind aus Sicht betroffener Unternehmen nicht nachvollziehbar", erklärte zum Beispiel der Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Fuels und Energie, Adrian Willig, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Wann wird Rendite unanständig?

Die wirtschaftsliberale Presse springt den Konzernen bei. So warnt Focus Money vor Willkür und Populismus. Was solle ein übermäßiger Gewinn sein, fragt Chefredakteur Georg Meck im Editorial der aktuellen Ausgabe. Wann genau sei der Punkt erreicht, an dem eine Rendite ins Unanständige kippt und wer werde darüber richten?

Um das grundsätzliche Problem der Wirtschaftsliberalen mit der Thematik zu verdeutlich, führt er die Argumentation ins scheinbar Absurde:

Wird die Steuer nur für Öl- und Gaskonzerne fällig oder auch für Solar- und Windenergieunternehmen, wenn die Sonne ungewohnt ausdauernd scheint und der Wind besonders heftig bläst? Oder noch eine Spur absurder: Kann es angehen, dass die bald 80-jährigen Herren der Rolling Stones an einem Abend Millionen einstreichen, nur weil das Angebot, also die Plätze im Stadion, knapp und die Nachfrage ihrer Fans übermäßig hoch ist? Ist das gerecht? Oder ein Fall von Übergewinn?

Georg Meck, Focus Money (25/2022)

Um eine Antwort auf diese Fragen zu erhalten oder eine Anregung für die Ausgestaltung eines Gesetzes in Deutschland, würde sich allerdings ein Blick nach Italien lohnen. Denn dort gibt es längst Steuern auf außergewöhnlich hoch ausfallende Profite.

In Italien wird ein Umsatzüberschuss besteuert, der über den Wert des Vorjahreszeitraums um fünf Millionen Euro oder zehn Prozent hinausgeht. Nach der letzten Anhebung des Steuersatzes muss jetzt ein Viertel des Überschusses an den Fiskus abgeführt werden; früher waren es nur zehn Prozent.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.