Was bei der Debatte über die Nord-Stream-Lecks falsch läuft

Themen des Tages: Schwierige Suche nach Verantwortlichen der Havarie. Warum ein Sieg von Lula in Brasilien für Berlin peinlich wäre. Und warum Sie die Ägäis gerade eher meiden sollten.

Liebe Leserinnen und Leser,

1. Nach dem massiven Leck bei den Nord-Stream-Pipelines muss nur noch Russlands Verantwortung belegt werden. Oder?

2. Warum sich das Verhältnis zwischen Deutschland und Brasilien bald schwierig gestalten könnte.

3. Telepolis heute: Spannungen in der Ägäis, Wahlen in Lettland, Energie- und Industriekrise in Ostdeutschland.

Doch der Reihe nach.

Russland und die Nord-Stream-Lecks

Erst strömte das Gas aus den offenbar sabotierten Nord-Stream-Pipelines, dann wieder nicht, nun anscheinend doch wieder. So unstet das Gasleck ist, so klar schien die Schuldfrage von Beginn an geklärt. Mit "Operation Seebeben" titelte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel, und flankierte online: "Was für Russland als Täter spricht – und was dagegen."

Szenenwechsel. Sie sind auf einer Party. In der Nachbarschaft gibt es Unruhe wegen irgendwelcher Straftaten. Am Tisch sitzt – warum auch immer – auch der unbeliebte Herr Müller. Nun steht ein Nachbar auf und setzt mit den Worten an: "Was für Herrn Müller als Täter spricht – und was dagegen." Das würde sicher Ärger geben – sollte aber, moderaten Alkoholkonsum vorausgesetzt, so nicht stattfinden, wenn ein gesundes Maß an sozialer Kontrolle greift.

Eine solche (Selbst-)Regulierung scheint in der Debatte über die Pipeline-Lecks zu fehlen. Denn nüchtern betrachtet hätten mindestens drei Akteure Interesse an der Sabotage:

LNG-Terminals und -Tanker (11 Bilder)

LNG-Terminal Ras Laffan in Katar. Bild: Matthew Smith / CC-BY-2.0

Die Liste könnte erweitert werden um Polen, die Nato, russische Hardliner, ukrainische Nationalisten.

Notwendig gewesen wäre also von Beginn eine sachliche Debatte, die sich auf rein technische Fragen beschränkt: Wie konnte die mutmaßliche Sprengung stattgefunden haben? Wer verfügt über die Mittel, eine solche Operation durchzuführen?

Die mediale Debatte ist aber kaum so verlaufen, sondern war von Beginn an auf Russland fokussiert. Und noch einmal: Das hat durchaus Berechtigung, weil Moskau unter den Hauptverdächtigen ist. Es lässt aber einiges außen vor.

Bevor Russland am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte, sagte US-Präsident Joe Biden am 7. Februar, die USA würden der Nord-Stream-2-Pipeline "ein Ende bereiten". Auszug aus der Pressekonferenz:

Joe Biden: Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert (...) dann wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.

Aber wie wollen Sie das genau machen, da (...) das Projekt unter deutscher Kontrolle ist?

Joe Biden: "Ich verspreche Ihnen, wir werden es schaffen."

Schon Ende Januar hatte die stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland erklärt: "Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird Nord Stream 2 auf die eine oder andere Weise nicht vorankommen."

Und selbst in einer Analyse des Redaktionsnetzwerks Deutschland hieß es, Insider seien sind einig, dass die USA das Projekt "bei Achtung von Recht und Gesetz gar nicht" aufhalten könnten. Der entscheidende juristische Hebel liege beim Energierecht der EU – und da blieben die USA außen vor. Ergo: "Entweder müsste die Pipeline mit Gewalt zerstört werden oder der politische Druck auf Deutschland müsste so stark sein, dass die Bundesregierung die Pipeline stilllegt."

Das muss alles nichts heißen. Es sollte in der Debatte aber Berücksichtigung finden.

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