Scholz-Rede in Davos: Eigenlob in "Deutschland-Geschwindigkeit"

We are the Champions: Mit diesem Queen-Song hätte die Scholz-Rede in Davos untermalt werden können. Foto: WEF 2023

Kanzler stolz auf Versorgungssicherheit im milden Winter – angeblich wird die Energiewende "entschlossen vorangetrieben". Ob es bald Leopard-Panzer für die Ukraine gibt, blieb offen.

Nicht zuletzt war es wohl der unterm Strich desaströse Klimawandel, der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ermöglicht hat, beim Weltwirtschaftsforum in Davos stolz zu verkünden, dass Deutschlands Energieversorgung für diesen Winter gesichert sei. Ungewöhnlich milde Temperaturen von 15 bis 20 Grad beispielsweise zum Jahreswechsel hatten Forschenden und Umweltbewussten Sorgenfalten ins Gesicht getrieben, aber kurzfristig vielen Menschen das Heizen erspart und die Gasspeicherstände steigen lassen.

Scholz sparte dennoch nicht mit Eigenlob und betonte, Deutschland sei vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs in wenigen Monaten komplett unabhängig von russischen Öl- und Gaslieferungen geworden. Auf die Problematik der "neuen Partner" – beziehungsweise die Intensivierung der Partnerschaft mit autoritären Golfmonarchien wie Katar und Saudi-Arabien – ging er nicht näher ein.

Stattdessen lobte Scholz den schnellen Ausbau der Infrastruktur für den Import von Flüssigerdgas, die ja später auch für Wasserstoff genutzt werden könne. Wann und wie ließ er offen – es ist ja auch nicht abschließend geklärt und die Umrüstung könnte teuer werden.

Umweltverbände hatten den Bau der LNG-Terminals in Lubmin und Wilhelmshaven scharf kritisiert und sogar rechtliche Schritte gegen Biozid-Einleitung, langfristige Betriebsgenehmigungen und unnötige Überkapazitäten angekündigt. Sie sehen in den Terminals eine langfristige Festlegung auf klimaschädliche Energieträger.

Dennoch betonte Scholz an diesem Mittwoch in Davos, es sei "kristallklar", dass die Zukunft den Erneuerbaren Energien gehöre. Zudem behauptete er, diese Entwicklung "entschlossen voranzutreiben".

Als Beispiel nannte er einen Milliarden-Großauftrag, den die Firma Siemens Energy für die Netzanbindung eines Offshore-Windparks erhalten habe. Offenkundig war Scholz darum bemüht, Großkonzerne daran zu erinnern, dass sich auch mit Erneuerbaren Energien viel Geld verdienen lässt. Auch das Stichwort "Deutschland-Geschwindigkeit" streute er im Original in die sonst auf Englisch gehaltene Rede ein.

Im Zweifel soll es der Markt regeln

"Eine klimaneutrale Zukunft erreichen wir natürlich nicht im Alleingang", so Scholz. Die EU wolle bis 2050 klimaneutral werden. Bis 2030 sollten die Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. "Wir setzen dabei auf den Markt, auf Wettbewerb und Innovationen", sagte er und lobte das Emissionshandelssystem als "Innovationsbeschleuniger" und warb für weitere Freihandelsabkommen.

Sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin werde im Jahr 2045 in Davos Deutschland als einen der ersten klimaneutralen Industriestaaten der Welt präsentieren, fabulierte er. Diese Zielmarke passte denkbar schlecht zur Dramatik der Situation, wie sie UN-Generalsekretär António Guterres kurz zuvor geschildert hatte.

Die Welt sieht nach seiner Einschätzung "einem Hurrikan der Kategorie 5 ins Auge" und wird "an einer Reihe von Fronten von einem perfekten Sturm heimgesucht". Rezession, Klimakrise und Kriege wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie türmen sich aus seiner Sicht auf "wie Autos bei einem Massencrash", sagte Guterres. Dagegen sei unter anderem mit einer Reform des globalen Finanzsystems und mit mehr Engagement im Kampf gegen die Klimakrise vorzugehen.

Schon Monate vor dem Treffen in Davos hatte Guterres in diesem Zusammenhang vor dem "kollektiven Suizid" gewarnt. Scholz dagegen hatte auf der UN-Klimakonferenz im November in Ägypten an erster Stelle vom Ukraine-Krieg gesprochen, der als Begründung für ganz andere Prioritäten herhalten musste, bevor der Kanzler auf das eigentliche Thema des Treffens – die Klimakatastrophe – zu sprechen kam.

Seine Rede in Davos muss allerdings auch Kreise frustriert haben, die sich wünschen, dass Deutschland, das bisher nur indirekt an diesem Krieg beteiligt ist, endlich auch Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine liefern will. Scholz ließ diese Frage weiter offen und verwies erneut darauf, dass Deutschland bereits jetzt zusammen mit Großbritannien und nach den USA zu den größten Waffenlieferanten der Ukraine zähle. "Wir werden weiter ein so großer Unterstützer bleiben", versprach er.

Scholz bekräftigte auch, dass er weiter nur gemeinsam mit den Verbündeten über qualitativ neue Schritte bei Waffenlieferungen entscheiden werde. Explizit nannte er die USA und Frankreich. "Das ist unsere Strategie." Weiterhin solle vermieden werden, dass es zu einem Krieg zwischen der Nato und Russland komme.

Zudem sorgt sich Scholz nach eigenen Worten wegen einer "Deglobalisierung", die Lieferkettenproblemen "wie ein Damoklesschwert" im Raum hänge. Dass es vielleicht keine gute Idee war, beispielsweise die Produktion lebenswichtiger Medikamente in einstige Billiglohnländer wie China zu verlagern, zeigt sich gerade in deutschen Apotheken, Krankenhäusern und Arztpraxen – und das könnte eigentlich als Hinweis darauf gedeutet werden, dass der Markt eben nicht alles im Sinne der Allgemeinheit regelt.

Aber das ist in Davos, wo sich Staatschefs vor allem mit Wirtschaftsbossen treffen und Escort-Girls von dieser Klientel 2.300 Euro pro Nacht verlangen können, eher eine unpopuläre Sicht.