Beate Zschäpe als Zeugin – ein Beitrag zur NSU-Aufklärung?

Beweismittelvernichtung in Zwickau: Hier wohnte das mutmaßliche NSU-Kerntrio bis November 2011. Foto: André Karwath aka Aka / CC-BY-SA-2.5

Bayerischer Untersuchungsausschuss will verurteilte Rechtsterroristin laden. Schon in knapp vier Jahren könnte sie vorzeitige Haftentlassung beantragen. Theoretisch kann eine Aussage ihre Chancen erhöhen.

Gibt es Anlass zur Hoffnung, dass die zu lebenslanger Haft verurteilte Beate Zschäpe doch noch zur Aufklärung der NSU-Verbrechen beiträgt? – Der Untersuchungsausschuss "NSU II" im bayerischen Landtag will es zumindest nicht unversucht lassen und die heute 48-Jährige als Zeugin laden, nachdem Bezugspunkte der rechtsterroristischen Gruppe im Freistaat im 2018 beendeten NSU-Prozess mehrfach von Nebenklagevertretern angesprochen worden waren.

Die Ladung von Zschäpe vor den Ausschuss sei einstimmig beschlossen worden, sagte dessen Vorsitzender Toni Schuberl (Grüne) am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in München. Ein konkreter Termin stand zunächst noch nicht fest.

Brachen Kontakte zur Szene in Bayern nach dem Untertauchen ab?

Fünf von zehn bisher dem NSU zugeordneten Morden sind in den Jahren 2000 bis 2005 in Bayern begangen worden. Die Auswahl der Opfer in Nürnberg und München sprach zum Teil für gute Ortskenntnisse der Täter, obwohl das NSU-Kerntrio aus Jena stammte und nach seinem Untertauchen zuerst in Chemnitz und dann in Zwickau lebte.

Aus der Zeit vor dem Untertauchen waren jedoch Kontakte zur bayerischen Neonaziszene bekannt. Eine Wohngemeinschaft von Münchner Neonazikadern lag sogar in auffälliger Nähe zu einem der Tatorte in der Landeshauptstadt. So stellte sich die Frage nach Hinweisgebern und Helfern.

Bayerische Verfassungsschützer gaben jedoch im ersten Untersuchungsausschuss auf Landesebene eher mangelhafte Kenntnisse über die Szene zum Besten. Im fünfjährigen NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München waren die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern sowie deren Umgang mit V-Leuten aus der Szene ein Reizthema. Mehr als einmal stand die Frage im Raum, ob manche V-Personen selbst zum NSU-Netzwerk gehörten und wo deren Loyalitäten lagen.

Das Gericht lehnte jedoch Beweisanträge mit Geheimdienstbezug zum Teil als "nicht schuld- und Strafrelevant" für Zschäpe und die vier als NSU-Helfer angeklagten Männer ab.

Ende 2026 wäre der früheste Zeitpunkt, zu dem Beate Zschäpe eine vorzeitige Haftentlassung beantragen kann. Dann liegt die Verhaftung der heute 48-Jährigen 15 Jahre zurück – die Mindestverbüßungsdauer ihrer lebenslangen Freiheitsstrafe wäre damit erfüllt.

Als wahrscheinlich gilt es nicht, dass ein solcher Antrag von ihrer Seite Erfolg hätte. Dazu hat sie während der Hauptverhandlung in München zu wenig zur Aufklärung beigetragen und aus der Sicht der meisten Betroffenen auch keine glaubwürdige Reue gezeigt.

Verurteilt ist sie wegen Mittäterschaft bei zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und mehreren Raubüberfällen, durch die der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) sich hauptsächlich finanziert haben soll. Eine direkte Anwesenheit an den Tatorten konnte ihr allerdings nicht nachgewiesen werden.

Die Arbeitsteilung innerhalb des NSU-Kerntrios sah das aber auch nicht zwingend vor. Das Gericht schätzte sie nach jahrelanger Beweisaufnahme als gleichberechtigte Planerin der Mord- und Anschlagsserie ein, die nach außen hin für eine harmlose Fassade gesorgt hatte. Es gab zum Beispiel unverdächtige Zeugen dafür, dass sie das gemeinsame Geld des Trios verwaltet hatte, was gegen eine untergeordnete Rolle sprach.

Zschäpe selbst ließ im NSU-Prozess – nach längerem Schweigen im Gerichtssaal und Streit mit ihren Verteidigern hinter den Kulissen – einen neu hinzugezogenen Anwalt eine Erklärung verlesen. Darin stellte sie sich als unglücklich verliebtes Anhängsel des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und seines Komplizen Uwe Mundlos dar, die zunächst ohne ihr Wissen losgezogen seien, um Menschen zu erschießen.

Von den Morden hätten sie ihr immer erst im Nachhinein erzählt, behauptete Zschäpe, die beide in der Thüringer Neonaziszene kennengelernt hatte und dort vor dem Untertauchen 1998 jahrelang aktiv gewesen war.

Der mutmaßliche Doppelselbstmord der "beiden Uwes" nach einem zunächst erfolgreichen Banküberfall in Eisenach hatte im November 2011 zur Aufdeckung des NSU geführt. Zschäpe hatte sich wenige Tage später der Polizei gestellt. Zuvor soll sie die gemeinsame Wohnung in Zwickau in Brand gesetzt haben, um Beweismittel zu vernichten. In ihrer späteren Erklärung distanzierte sie sich zwar von neonazistischem Gedankengut, belastete aber keine noch lebenden "Kameraden".

Nebenklägerin versuchte Zschäpe zur Aussage zu motivieren

Eines der NSU-Mordopfer war der Dortmunder Kioskbesitzer Mehmet Kubasik. Dessen Tochter kritisierte kurz vor dem Ende des NSU-Prozesses die mangelhafte Aufklärung der Hintergründe. Neben der Hoffnung auf Whistleblower in den Sicherheitsbehörden äußerte Gamze Kubasik die Hoffnung, dass Zschäpe sich eines Tages doch noch ehrlich und umfassend äußern werde.

In diesem Fall würde sich die Nebenklägerin sogar dafür einsetzen, dass Zschäpes Beitrag zur Aufklärung bei der Mindestverbüßungsdauer berücksichtigt wird. Das kann theoretisch viele Lebensjahre ausmachen, wie Nebenklageanwalt Sebastian Scharmer nach dem Urteil betonte.

Inzwischen hatte Zschäpe Zeit zum Nachdenken. Das Oberlandesgericht München hat allerdings bei ihr eine besondere Schwere der Schuld festgestellt, was auch der Bundesgerichtshof gebilligt hat. Die Hürden für eine vorzeitige Entlassung liegen somit hoch. Sie müsste schon etwas Substanzielles "liefern", das sich auch beweisen lässt.

Allerdings stellt sich auch die Frage, ob staatliche Stellen überhaupt glücklich über eine umfassende Aussage von ihr wären. Der Verdacht, dass sie selbst zeitweise als V-Frau unterwegs gewesen sein könnte, hat sich zwar nie bestätigt, wurde aber auch nie vollständig ausgeräumt.

Die Inhalte von V-Personen-Akten mit Bezug zur NSU-Brutstätte "Thüringer Heimatschutz", die Ende 2011 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vernichtet wurden, sind bis heute nicht öffentlich bekannt.

Angeblich hatten die Verantwortlichen im BfV lediglich Angst, dass ihnen nicht geglaubt würde, dass sie wirklich mehr als ein Jahrzehnt keine Ahnung von den Machenschaften des um die Jahrtausendwende gegründeten NSU hatten. Dass dies schwer zu glauben ist, schien ihnen zumindest klar zu sein, als die Akten wenige Tage nach dessen Aufdeckung gezielt vernichtet wurden.