200 Euro Lufthansa-Zwangsbeteiligung für jeden Einkommensteuerzahler
Nach Washington und Paris rettet auch Berlin sein nationales Fluggeschäft
Jeder der etwa 46 Millionen Einkommensteuerzahler in Deutschland ist künftig mit etwa 200 Euro an der Lufthansa beteiligt. Entschieden haben das nicht die Steuerzahler selbst, sondern Vertreter der deutschen Bundesregierung. Sie haben für das Unternehmen, das an der Börse etwa vier Milliarden Euro wert ist, ein "Rettungspaket" im Umfang von etwa neun Milliarden Euro geschnürt.
Der größte Teil davon - 5,7 Milliarden Euro - sind stille Beteiligungen. Weitere drei Milliarden Euro fließen in Form von Krediten mit drei Jahren Laufzeit. Für den Rest erwirbt der wegen der Coronakrise ins Leben gerufene Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF eine direkte Beteiligung am Lufthansa-Grundkapital. Sie soll gewährleisten, dass es angesichts relativ niedriger Aktienkurse zu keiner "feindlichen Übernahme" kommt. Dass die Aktienmehrheit nicht ausländischen Unternehmen oder Investoren gehören darf, wurde allerdings schon vor der 1997 abgeschlossenen Privatisierung des alten und neuen Staatsunternehmens gesetzlich festgeschrieben.
Scholz hofft auf "einen kleinen Gewinn" nach dem Ende der Coronakrise
Die Vorstände der Lufthansa (die sehr viel mehr verdienen als der Großteil der nun zwangsbeteiligten 46 Millionen deutschen Einkommensteuerzahler) sollen für das Rettungspaket auf ein Fünftel ihrer "Grundvergütung" verzichten - aber nur bis Ende September. "Variable Vergütungsbestandteile" wie Boni und Sonderzahlungen bleiben angeblich aus, bis sich der Staat wieder aus dem Unternehmen zurückzieht. Bis das geschehen ist, werden auch keine Dividenden ausbezahlt.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier rechtfertigte die Zwangsbeteiligung der Steuerzahler mit der Ansicht, dass man das Fluggeschäft nach dem Ende der Coronakrise nicht arabischen und asiatischen Konkurrenten überlassen dürfe. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hofft zudem auf "einen kleinen Gewinn".
Der könnte eventuell kleiner ausfallen als von Scholz erwartet, wenn ein Bericht des Handelsblatts zutrifft, den die EU-Kommission derzeit nicht kommentieren will. Diesem Bericht nach will die dänische Wettbewerbskommissarin Margrete Vestager das deutsche Lufthansa-Rettungspaket nur dann genehmigen, wenn die Lufthansa dafür Start- und Landerechte in Frankfurt und München an Konkurrenten wie die irische Ryanair abgibt. Denn anders als das französische Sieben-Milliarden-Euro-Coronarettungspaket für Air France soll die deutsche Hilfe nicht als Darlehen, sondern in Form einer "Rekapitalisierung" fließen. Bei Air France existierte so eine Beteiligung allerdings schon vor der Coronakrise - ebenso wie bei der zur selben Gruppe gehörigen niederländischen KLM, der die heimische Regierung zwischen zwei und vier Milliarden Euro leihen will.
Entgegengesetzte Wege in Washington und London
Sehr viel mehr Geld - nämlich 50 Milliarden Dollar - hat die US-Regierung für amerikanische Fluggesellschaften wie American Airlines, Southwest Airlines und Delta Airlines zur Verfügung gestellt. Diesen drei Fluggesellschaften gehören zahlreiche andere im In- und Ausland. Delta etwa ist unter anderem Mehrheitseigner der südamerikanischen Latam (die heute Insolvenzschutz beantragt hat) und der britischen Virgin Airlines. Letztere bettelte einem Bericht des Telegraph nach beim britischen Schatzkanzler Rishi Sunak um 500 Millionen Pfund Staatshilfe, blitzte dort jedoch ab.
Auch der größeren British Airways will die Staatsführung in London nicht mit Steuergeld aus der Corona-Klemme helfen. William Walsh, der CEO ihrer britisch-spanischen Holding International Airlines Group (IAG), möchte so eine Hilfe nach eigenen Angaben auch gar nicht haben - zumindest jetzt noch nicht: "Regierungen", so der gebürtige Ire, "dürfen erwarten, dass Fluggesellschaften sich selbst helfen, bevor sie beim Staat um Hilfe bitten".
In einem Weltwettbewerbssystem, in dem andere Regierungen andere Fluggesellschaften massiv subventionieren, scheint er sich damit auf den ersten Blick in eine nachteilige Position zu begeben. Auf den zweiten Blick erlaubt ihm der damit verbundene Verzicht auf staatliche Einmischung aber sinnvolle Kapazitätsanpassungen, die es beispielsweise bei der bereits in der Vergangenheit "geretteten" italienischen Alitalia nicht gab.
Solche Kapazitätsanpassungen hat auch der British-Airways-Chef Álex Cruz de Llano im Auge, der meint, "alles Geld, das wir jetzt leihen, wäre nur kurzfristig und würde nicht den langfristigen Herausforderungen begegnen". Anders als Altmaier und Scholz befürchtet er, dass es Jahre dauern könnte, bis die aktuell um 94 Prozent verringerten Passagierzahlen wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Deshalb will der Manager aus Bilbao Personal abbauen - im Umfang von bis zu einem Viertel der Belegschaft.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.