30 Jahre Apple II - vom Breakout zum Outbreak der Games

Vor ihm war die Steinzeit: Der Apple II war der erste industriell gefertigte Computer für Privathaushalte

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Es begann in der Garage: Steve Wozniak, Sohn eines Ingenieurs, war ein Elektronik-Nerd, der in seiner heimischen Bastelecke ständig neue Spielereien erfand. Mit 13 entwarf er einen Tic-Tac-Toe-Automaten, sechs Jahre später stellte er seinen ersten Rechner aus Einzelteilen zusammen: Der Cream Soda Computer erregte das Interesse des ebenfalls elektronikbegeisterten Steve Jobs - der Beginn einer Freundschaft und Zusammenarbeit.

Ihre Berufslaufbahn starteten beide in Silikon Valley: Wozniak arbeitete bei Hewlett Packard und entwickelte Taschenrechner, Jobs war bei Atari. Als der Automatenhersteller ein neues Spiel entwickeln wollte, kam der Ball erst ins Rollen: In „Breakout“ ersetzten Pixelzeilen den Gegner von "Pong" liegender Punkt trug jene „Mauer“ Stein für Stein ab. Jobs Kumpel Wozniak übernahm die Programmierung, erhielt ein nettes Taschengeld und fand die Inspiration zur endgültigen Umsetzung seines Jugendtraums: Technische Komponenten waren erschwinglich geworden, so dass die ernst zu nehmende Entwicklung kostengünstiger Heimcomputer durchführbar geworden war.

Irgendwie romantisch: Der Apple I steht heute im Museum. Er verkaufte sich knapp 200 mal für niedliche 666,66 US-Dollar.

Nachdem Commodore wie Atari eine Finanzierung abgelehnt hatten, stieg Risikokapitalgeber Mike Markkula, später CEO von Apple, mit 250.000 Dollar ein – ein Geschäft, dass sich lohnen sollte. Wozniaks erster Apple, eine Holzkiste mit 1MHz-Prozessor, war nie groß in Serie gegangen, lief aber stabil; nach 200 verkauften Geräten war es Zeit für den leistungsstarken Nachfolger. Als Richtschnur zur Entwicklung diente ihm eine „Breakout“-Kopie. Anhand des Spieles „Brick Out“ traf er die günstigste Komponentenauswahl. Das „Testprogramm“ würde ihm helfen wichtige Funktionen einzubauen, auszurichten und so eine qualitativ hochwertige Grundlage für Top-Programmierungen schaffen.

Die Kopie seiner Atari-Entwicklung „Breakout“: „Brick Out“ diente Apple II-Erfinder Steve Wozniak als Inspiration

Im Juni 1977 fand die Markteinführung des Apple II statt, zu einem Preis von stolzen 1300 Dollar, ohne Monitor und Laufwerk - dennoch war die Nachfrage riesig. Innerhalb weniger Monate entwickelten Dutzende Softwarehersteller Basic-Programme für Apple II. Insbesondere Spieldesigner fanden in ihm die perfekte Arbeitsplattform. Der User-freundliche Desktop-Rechner entwickelte sich zu einer der größten Erfolgsgeschichten der Computerindustrie, wurde mindestens fünfmal technisch überarbeitet und gilt als der erste kommerzielle Personalcomputer-Hit. Der Apple II steht im Stammbaum der Videogames neben Ataris programmierbarer Spielkonsole Atari VCS ganz weit vorne.

Harte Kanten, klobig, schwer: Der Apple II kam im Juni 1977 auf den Markt und entwickelte sich zum Top-Seller

Die Artenvielfalt der Genres wuchs mit Strategie-, Rollen- und Prügelspiele an. Mit der Wirtschaftsimulation „Wheeler Dealers“ und dem Textadventure „Dungeon Campagn“ erschienen 1978 die ersten Apple-Games auf Kassette. Es folgten bekannte Brett- und Kartenspiel-Simulationen wie Othello, Bridge und Poker als auch American Football-, Golf- und Baseball-Games – ein Einheitsbrei, dem Pioniere entwuchsen. Das Rennspiel „Racer“ oder der Weltraum-Shooter „Space Invasion“ sind heute Kult. Die nachhaltigsten Videospiel-Karrieren begannen auf Apple II: Mit „Akalabeth“ lieferte der 18-jährige Richard Garriott 1979 den Vorläufer seiner Fantasy-Rollenspielserie „Ultima“, die dem Genre in mehrfacher Hinsicht Innovationen beibrachte. In einer von Herr der Ringe inspirierten Welt durchlebt die Spielfigur eine Entstehungsgeschichte: Sie wächst und gewinnt an Kraft, die der Spieler taktisch einteilt, um immer stärkere Gegner zu besiegen. Zum Schluss begegnet ihr der Endboss in einem zähen Kampf. Jedes Computerrollenspiel von heute hat den Geist von Ultima geatmet. Die Serie blieb 1999 mit Teil neun stecken und Garriott selbst kooperiert seitdem mit NCsoft, einem südkoreanischen Hersteller, der sich mit Titeln wie "Lineage" oder "City of Villains" auf Onlinerollenspiele spezialisiert hat.

„Ultima“ von Richard Garriott gilt als Archetyp der Computerrollenspiele

Eine nicht weniger steile Karriere machte das Ehepaar Ken und Roberta Williams. Zusammen entwarfen sie 1979 "Mystery House" für Apple II, das erste Adventure mit Grafik. Während Roberta sich um die Story und die 2D-Zeichnungen kümmerte, schrieb ihr Mann Ken das Programm. Mit mehr als 10.000 verkauften Exemplaren brach das Spiel Rekorde und das Paar gründete Sierra On-Line, eine Spielentwicklungs- und Vertriebsfirma, die innerhalb weniger Jahre zur größten der USA wurde. Das in Sierra Entertainment umbenannte Unternehmen gehört heute zum französischen Medienkonzern Vivendi Universal. Noch bevor Apple II von seinem Nachfolger Macintosh, dem Commodore 64 und dem konzeptionell auf Apple II basierenden IBM-PC verdrängt wurde, starteten Spielentwickler wie Jordan Mechner (für "Prince of Persia" als Vater des Action-Adventures gefeiert) mit dem Prügelspiel „Karateka“ oder John Romero (gemeinsam mit John Carmack Erfinder des Ego-Shooters) mit "Space Rogue" über Wozniaks Computer ihre Karriere. Nachdem Apple II rund 5,5 Millionen Mal verkauft wurde, wurde seine Produktion 1992 eingestellt – das Ende einer fast 16-jährige Ära, in der die Fundamente des neuen Mediums entstanden.