50 Prozent Grünstrom im Januar
Die Energie- und Klimawochenschau: Unehrliche Merkel, Hausdurchsuchungen, größenwahnsinnige AKW-Pläne und Rekordverdächtiges
Was ist von der neuen Regierung in Sachen Energie- und Klimapolitik zu erwarten? Das bleibt vorerst eine offene Frage, denn auch wenn sich Union und SPD nach Redaktionsschluss dieses Beitrags auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben sollten, ist noch keineswegs klar, ob dieses Bündnis auch zustande kommt.
Erst muss noch die SPD-Basis das Paket absegnen, wenn sie denn darf. Und sollten die SPD-Mitglieder tatsächlich über die große Koalition abstimmen dürfen, so ist die Zustimmung alles andere als gewiss, wie die äußerst knappe Zustimmung zur Aufnahme der Gespräche auf dem Parteitag gezeigt hatte.
Wie dem auch sei, auf manches, was von der potenziellen Regierung Merkel IV zu erwarten ist, möchte man lieber verzichten, so auch auf die angedrohte Energiepolitik. Hatten sich die unwilligen Partner in den Sondierungsgesprächen noch Mühe gegeben, ihren Abschied vom Klimaschutz zu kaschieren, so blieb es nun am Samstag nach Abschluss des entsprechenden Kapitels im Koalitionsvertragen der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks überlassen, der Presse mitzuteilen, dass Deutschland das für 2020 vorgesehene Klimaschutzziel voraussichtlich verfehlen werde.
Ehrlicher wäre es gewesen, wenn Angela Merkel dies verkündet hätte, die sich jahrelange - völlig zu Unrecht - als große Vorkämpferin für den Klimaschutz hat abfeiern lassen. Oder zumindest hätte man es gerne von Sigmar Gabriel gehört, der das Ziel einst gemeinsam mit Merkel als Vizekanzler und Umweltminister 2007 formuliert hatte. Aber so viel Ehrlichkeit mag heute offenbar keiner aus der ersten Reihe den Wählern mehr zumuten.
Nun wird es also bis 2020 nichts mehr damit werden, die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 abzusenken, wie einst versprochen und aller Welt als Deutschlands (vermeintliche) Vorreiterrolle präsentiert. Derzeit sind es knapp 29 Prozent, aber in den nächsten zwei oder drei Jahren werden bestenfalls nur noch ein paar wenige Prozentpunkte hinzukommen.
Neben einer völligen Untätigkeit im Verkehrssektor, der heute sogar wieder etwas mehr Treibhausgase emittiert, als es 1990 der Fall war, liegt dies vor allem am Verhältnis der potenziellen Regierungsparteien zu den Energiekonzernen. Sie sind einfach nicht gewillt alte Kohlekraftwerke im notwendigen Tempo und Ausmaß stillzulegen.
Möglich wäre das angesichts der immer größer werdenden Überkapazitäten ohne weiteres. In diesem Winter sind zum Beispiel die Steinkohle und Gaskraftwerke besonders schlecht ausgelastet, während die besonders treibhausgasintensiven Braunkohlekraftwerke, nur runterfahren, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Würden diese meist mit besonders niedrigem Wirkungsgrad arbeitenden Anlagen hingegen stillgelegt, ließe sich nicht nur manches Dorf retten, es würden auch Treibhausgase vermieden. Keine andere Kraftwerksart stößt nämlich pro erzeugter Kilowattstunde Strom so viel Kohlendioxid aus.
Hausdurchsuchungen
Derweil ist der Dieselskandal offensichtlich noch lange nicht ausgestanden. Am gestrigen Dienstag kam es erneut zu Hausdurchsuchungen bei verschiedenen Mitarbeiter der Audi AG. Darüber schreibt unter anderem die Wochenzeitung Die Zeit auf ihrer Internetpräsenz.
Die Staatsanwaltschaft München II, die die Ermittlungen führt, berichtet, man habe eine Privatwohnung in Baden-Württemberg sowie Büro- und Geschäftsräume in Ingolstadt und in Neckarsulm durchsucht.
Im Fokus der Ermittlungen stünde "der Einsatz von technischen Vorrichtungen zur Manipulation von Abgaswerten in V6-3-Liter-Dieselmotoren, die für den europäischen Absatzmarkt bestimmt waren". Dabei gehe es um mindestens 210.000 ab 2009 beiderseits des Atlantiks verkaufte Fahrzeuge.
Ermittelt werde gegen 14 Personen, worunter aber keine aktuellen oder ehemaligen Vorstandsmitglieder der VW-Tochter seien. Es bestehe der Verdacht auf Betrug und strafbare Werbung. Wegen des gleichen Sachverhaltes gebe es aber zusätzlich ein Bußgeldverfahren gegen bisher unbekannte Audi-Vorstände.
Laut Zeit hatte es erst eine Woche zuvor Hausdurchsuchungen bei sechs Technikern und Ingenieuren von Audi gegeben. Ein ehemaliger Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand sitze als einziger Beschuldigter weiterhin in Untersuchungshaft. Nach Angaben des Berliner Tagesspiegels handelt es sich dabei um Wolfgang Hatz, der bereits im September 2017 verhaftet wurde. Eine Haftbeschwerde sei derzeit beim Oberlandesgericht München anhängig, so die Zeit.
Pleitiers und Größenwahn
Im Programm der meisten rechten und ultrarechten Parteien, die rund um den Globus in Aufwind sind, findet sich meist eine besondere Liebe zu Kohle- und Atomkraftwerken.
Indiens Premier Nagendra Modi ist zum Beispiel auf beide ganz wild, muss sich aber leider damit abfinden, dass Kohlekraftwerke sich in seinem Land einfach nicht rechnen und größenwahnsinnige AKW-Pläne auf erheblichen Widerstand stoßen.
Da hat es die AfD schon leichter. Sie kann fern jeder Regierungsverantwortung ja mal einfach fordern, hiesige AKW noch länger laufen lassen. Umsetzen wird sie es nicht müssen, und wenn demnächst womöglich das belgische AKW Tihange hochgehen sollte, hätte man damit natürlich überhaupt nichts zu tun. Man hat vorher lediglich seinen Beitrag zur Diskreditierung der AKW-Gegner geleistet ...
Größere Probleme hat da schon US-Präsident Trump. Zu gerne würde er der US-AKW-Branche auf die Beine helfen, aber auch hier spielt die Wirtschaft einfach nicht mit.
AKW-Bauer Toshiba-Westinghouse ging letztes Jahr, wie mehrfach berichtet pleite, und die Elektrizitätsgesellschaften versuchen nun die über neun Milliarden in zwei AKW-Baustellen in den Sand gesetzten US-Dollar bei Stromverbrauchern und Steuerzahlern wieder einzutreiben.
Die Branche liegt jedenfalls am Boden, außer vielleicht in China und vielleicht auch in Russland. Doch das Thema wird noch einige Jahrzehnte - wenn nicht wegen des Entsorgungsproblems noch gar viel länger - für erheblichen Ärger sorgen. Zum Beispiel auch, weil die Kraftwerksflotte immer älter und damit störanfälliger wird. Inzwischen laufen schon 98 Atommeiler 40 Jahre oder länger, also zum Teil bereits erheblich über die Zeitspanne hinaus, für die sie dereinst konzipiert waren.
Hierzulande sind noch sieben Reaktoren im Betrieb. Nach dem Atomgesetz (Paragraf 7) müssen die letzten drei von ihnen bis spätestens zum 31. Dezember 2022 stillgelegt werden. Für drei weitere läuft die Uhr bereits ein Jahr früher ab, und eines, Philippsburg 2, muss zum Ende nächsten Jahres vom Netz gehen.
Vor einem guten Monat, am 31. Dezember, wurde in Bayern Gundremmingen B vom Netz genommen. Insgesamt wird der Ausstieg aus der Atomkraftnutzung ziemlich abrupt gestaltet, was offensichtlich eher dem Interesse der Betreiber nach möglichst hohen Einnahmen als dem Anliegen geschuldet ist, einen geordneten, graduellen Übergang zu organisieren.
Andererseits gibt es aber schon jetzt derart große Überkapazitäten, die zu einem viel zu niedrigen Börsenstrompreis - nicht zu verwechseln mit dem Verbraucherpreis - führt, dass auch ein derart schneller Ausstieg 2021 und 2022 kein Problem darstellen sollte.
Viel Windenergie
Und zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche. Die anhaltenden Westwinde, die im Januar mildes Wetter nach Mitteleuropa brachten haben zugleich auch für einen rekordverdächtigen Ertrag der Windkraftanlagen gesorgt.
Der letzte Rekord war erst im Dezember aufgestellt worden und wurde im Januar knapp verfehlt. Der dritt-beste Wert wurde übrigens im Oktober erzielt, was die momentane dunkle Jahreszeit zu einer extrem ertragreichen Angelegenheit für die Windbranche macht.
Da auch die Wasserkraftwerke im Januar eine neue Höchstleistung erbrachten, ergab sich - wie obige Grafik zeigt - ein neuer Rekord, wobei der letzte ebenfalls erst im Dezember aufgestellt worden war.
Der Anteil der erneuerbaren Energieträger an der Nettostromerzeugung lag damit im Januar bei beachtlichen 45,5 Prozent.
Allerdings deckt die hieisige Stromerzeugung nicht nur den inländischen Bedarf. Im Januar wurde ein knappes Zehntel des Stroms exportiert. Mit anderen Worten die regenerative Stromerzeugung hat im vergangenen Monat rund die Hälfte der zwischen Rhein und Oder benötigten elektrischen Energie bereitgestellt.