76, 70, 78 - bei den US-Demokraten liegen die Alten vorn
Joseph Biden, Elizabeth Warren und Bernie Sanders dominieren sowohl die Umfragen als auch die gestrige Fernsehdebatte
Für die gestrige Fernsehdebatte zum Präsidentschaftskandidatencasting der US-Demokraten im texanischen Houston hatte das Democratic National Committee (DNS) die Zahl der Gruppen von zwei auf eine und die Zahl der Teilnehmer von zwanzig auf zehn reduziert. Die Kriterien, nach denen das geschah, wurden nicht von allen Ausgeschiedenen als transparent und nachvollziehbar akzeptiert (vgl. Tulsi Gabbard raus, Andrew Yang dabei).
Vor allem das Fehlen von zwei Bewerbern merkte man der gestrigen Debatte auch an: Ohne die Parteiführungslinienabweichlerin Tulsi Gabbard schien das inhaltliche Spektrum geschrumpft - und ohne die Esoterikerin Marianne Williamson der Unterhaltungswert gesunken. Den verbliebenen Kandidaten schien beides nicht ganz unrecht zu sein.
Biden: Warren verschweigt Wählern 5000 Dollar Mehrbelastung
Umfrageführer Joseph Biden (Jahrgang 1942, Umfragewerte 22 bis 28 Prozent) konnte sich so auf seine nächste Verfolgerin Elizabeth Warren (Jahrgang 1949, Umfragewerte elf bis 24 Prozent) konzentrieren, deren Plan einer allgemeinen staatlichen Gesundheitsfürsorge er mit dem Vorwurf angriff, sie sei bezüglich der Kosten dieses Projekts nicht ehrlich mit den Wählern und verschweige eine Finanzierungslücke. Ein dreifacher Vater aus der Mittelschicht, der im Jahr 60.000 Dollar verdient, müsste Bidens Berechnungen nach über 5.000 Dollar mehr im Jahr zahlen, wenn Warrens Plan verwirklicht würde.
Bidens eigener Gesundheitsreformplan sieht eine Tausend-Dollar-Obergrenze und die freie Wahl zwischen einer staatlichen und einer privaten Krankenversicherung vor, zu der zukünftig nicht nur Alte und Arme Zugang haben sollen. In Sozialen Medien erregte er gestern aber weniger damit Aufmerksamkeit als mit Spott über seine Vorstellung, dass sich Kinder heute mittels "Plattenspielern" unterhalten lassen.
Dem aktuell meist drittplatzierten Bernie Sanders (Jahrgang 1941, Umfragewerte 16 bis 21 Prozent) hatte Biden bereits im Sommer in einem Interview mit CNN bescheinigt, er sei der einzige seiner Rivalen, der bezüglich der Kosten seiner Gesundheitsversorgungsversprechen ehrlich ist und zugibt, dass er dafür die Steuern für die Mittelschicht erhöhen muss. Sanders verteidigte das gestern mit dem Argument, sein Plan sei mit 30 Billionen Dollar immer noch der "kosteneffektivste", weil das derzeitige Krankenversicherungssystem in zehn Jahren 50 Billionen Dollar kosten werde.
Sanders findet Vergleich mit Maduro "extrem unfair"
Außerdem will Sanders sicherstellen, dass die in den USA häufig deutlich schlechter als in Ländern wie Deutschland bezahlten Lehrer ein Gehalt von mindestens 60.000 Dollar jährlich beziehen. Ehemaligen Studenten möchte er mit dem "College for All Act" die Schulden aus ihrer College- und Universitätszeit erlassen, was etwa zwei Billionen Dollar kosten würde. Die verspricht sich Sanders aus neuen Steuern auf Spekulationen an der Börse.
Auf eine entsprechende Moderatorenfrage hin beschwerte sich der Senator, der sich selbst einen "Sozialisten" nennt, außerdem über Vergleiche mit Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro. Die hält er für "extrem unfair", weil Maduro ein "bösartiger Tyrann" sei, während er selbst sich an der Politik in Kanada und Skandinavien orientiere.
Buttigieg will Trumps Zölle für ein neues Handelsabkommen mit China nutzen
Unter den in den Umfragen eher zurückgebliebenen Bewerbern konnte gestern lediglich Peter Buttigieg (Jahrgang 1982, vier bis sechs Prozent) etwas überraschen, als er zugab, die von Donald Trump verhängten Zölle auf chinesische Waren nicht umgehend abschaffen, sondern als Hebel für ein Handelsabkommen mit China einsetzen zu wollen. Das hat auch Trump vor - aber Buttigiegs Ansicht nach hat der amtierende Präsident (Jahrgang 1946) keine zureichende "Strategie" dafür, weil ihm das sonst schon im April gelingen hätte müssen.
Ob der Rest der Teilnehmer von der Debatte profitieren konnte, werden in den nächsten Tagen die Umfragen zeigen. Auf Twitter konnte während der Veranstaltung der chinesischstämmige Grundeinkommensbefürworter Andrew Yang mit 7566 neuen Followern am stärksten zulegen, obwohl er wenig Neues sagte. Ihm folgten fast gleichauf Elizabeth Warren mit 4367 und Peter Buttigieg mit 4201 Zugängen. Danach kamen Robert Francis (alias "Beto") O’Rourke mit 3357, Bernie Sanders mit 2196, Kamala Harris mit 2053, Cory Booker mit 1818, Amy Klobuchar mit 1093 und Julián Castro mit 1071 überzeugten Neugierigen.
Dass Joseph Biden mit 997 auf dem letzten Platz liegt, könnte damit zusammenhängen, dass man ihn mehr in der Welt der Plattenspieler vermutet (in der es übrigens gar nicht so uninteressante technische Entwicklungen gibt).
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