"A Rainy Day in New York" & Woody Allen in Donald Trumps Amerika
- "A Rainy Day in New York" & Woody Allen in Donald Trumps Amerika
- #metoo und Woody Allen
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Eine #metoo- und Filmkritik
Das Jahr 2018 war einmalig in der jüngeren Filmgeschichte, erstmals brachte Woody Allen kein neues Werk auf die Leinwand. Grund waren alte Beschuldigungen, die seine Adoptivtochter Dylan Farrow gegen ihn im Zeichen der #metoo-Debatte erneuerte. Einer Debatte, die ihr Bruder, der Investigativ-Journalist Ronan Farrow, durch Enthüllungen über den Filmproduzenten Harvey Weinstein losgetreten hatte.
Allens Produktionsfirma Amazon hat sich daraufhin von "A Rainy Day in New York" zurückgezogen und einen Produktionsvertag mit Allen annulliert, dennoch kommt jetzt die deutsche Version in die Kinos. Der Film thematisiert, was Allen bei Drehbeginn aber nicht ahnen konnte, ausgerechnet den Kern der #metoo-Thematik: Den sexuellen Kontakt von jungen Frauen mit wichtigen Männern des Filmbusiness.
"A Rainy Day in New York" ist eine typische Woody-Allen-Komödie, Jazzmusik und witzige Dialoge, angesiedelt im linksliberal-jüdischen Milieu natürlich in New York. Eine herausragende Romantikkomödie, wenn auch nicht so Oscar-verdächtig wie viele andere Filme Allens. Der Protagonist ist ein junger und hochintelligenter Mann, zugleich aber eine Art lebensfremder Stadtneurotiker, somit wohl Alter Ego und Markenzeichen des Filmemachers.
Seinen Durchbruch erlebte Allen mit "Der Stadtneurotiker", einer autobiografischen Mocumentary, deren Gegenbild "A Rainy Day" jetzt zeichnen könnte. In der Pubertät durchlebt man Ängste, Scham und Minderwertigkeitsgefühle, aber auch arrogante Posen und Selbstüberschätzung bis zum Größenwahn, der Neurotiker plagt sich auch im späteren Leben weiter damit ab.
A Rainy Day in New York (10 Bilder)
Im aufgeblasenen Ego des Narzissten oder von Selbstzweifeln gequälten Depressiven ringt der Neurotiker mit sich selbst und seiner sozialen Umwelt. Bewegte sich Woody Allen im "Stadtneurotiker" und seinen frühen Filmen eher auf der negativen Seite, so entfaltet "A Rainy Day" das Lebensgefühl des zwar unangepassten, aber vom Glück verwöhnten und arroganten jungen Gatsby Welles (Timothée Chalamet).
Gatsby hat sein Studium an einer Eliteuni geschmissen, weil ihm dort alle zu verbissen waren, und ist an eine Provinzuni in Arizona gegangen. Er kommt bei den Frauen gut an und startet gerade eine Reise nach New York mit seiner etwa naiven Freundin Ashleigh (Elle Fanning). Die Bankierstochter war Schönheitskönigin und ist als Journalistik-Studentin sehr ehrgeizig. Sie will in Gatsbys Heimatstadt den berühmten Regisseur Roland Pollard (Liev Schreiber) interviewen und fragt sich, ob sie mit so einem Beitrag für die Uni-Zeitung wohl einen Pulitzer-Preis gewinnen kann. Gatsby dagegen will Ashleigh mit 20.000 beim Pokern gewonnenen Dollars die romantische Seite New Yorks zeigen, teures Hotel am Central Park, exquisite Restaurants und Cocktailbars mit Pianospieler, Kutschfahrt durch den Regen. Doch daraus wird nichts, denn die junge Reporterin versackt in der Glamourwelt des Filmbusiness.
Schon beim Interview flirtet der an sich zweifelnde Regisseur Pollard heftig mit der schönen Ashleigh, lädt sie zur Vorführung seines neuen Filmes ein. Später will er sie als Muse mit nach Frankreich nehmen. Drehbuchautor Ted Davidoff (Jude Law), mit dem Pollard den gemeinsamen Film diskutiert, fordert Ashleigh auf, dem krisengeplagten Pollard mit Zuwendung Mut zu machen. Doch schon bald bemüht sich auch Davidoff um die junge Schönheit, denn seine Frau hat ihm den Laufpass gegeben.
Am Filmset suchen beide den frustriert getürmten Pollard und Ashleigh lernt auch noch den Filmstar und Frauenschwarm Francisco Vega (Diego Luna) kennen, ihren auf sie wartenden Gatsby vertröstet sie immer wieder am Handy, sie sei nun aber wirklich einer ganz großen Story auf der Spur. Auch Vega würde die Ballkönigin aus der Provinz "nicht von der Bettkante stoßen" und nimmt sie erst in seine Garderobe, umschwärmt von Paparazzi, dann auf eine Promi-Party und zuletzt in sein Apartment mit.
Ashleigh, die sich zunächst naiv in der Aufmerksamkeit der Filmleute sonnt, wird auf der Schwelle des Schlafzimmers des schönen Filmstars schließlich bewusst, dass es hier um Sex mit ihr geht. An dieser Stelle sagt sie sich, zwar warte ihr Freund Gatsby auf sie, aber Francisco Vega ist ein Star und von diesem Seitensprung wird sie noch ihren Enkelkindern erzählen können.
Gatsby lässt sich derweil durch sein altes New York treiben, landet bei alten Freunden in einer Studenten-Filmproduktion, muss als Statist widerwillig die kleine Schwester einer verflossenen Schulfreundin küssen. Wartet vergeblich im Hotelzimmer auf Ashleigh, die er dann auch noch im Klatsch-TV bei ihrem Besuch in Francisco Vegas Garderobe als dessen neuesten Groupie präsentiert bekommt.
Nunmehr Single gerät er in eine Pokerrunde gewinnt, und sitzt schließlich melancholisch in einer Bar. Gatsby blickt der Dinnerparty bei seiner Mutter unentschlossen entgegen, denn er sollte dort eigentlich die neue Freundin aus Arizona in die gehobenen Kreise New Yorks einführen.
Als eine Prostituierte ihn anspricht, beschließt er spontan sie für 5.000 Dollar als Ashleigh-Double zu engagieren und seiner Mutter unterzujubeln. Dies misslingt jedoch ebenso wie Ashleighs Seitensprung und am Ende erfährt Gatsby, dass Mütter nicht immer sind, was sie scheinen, und dass es nicht immer die Ballkönigin ist, die einen Mann glücklich macht.
Woody Allen selbst soll, wie sein Regisseur-Alter-Ego Pollard, mit dem Film nicht zufrieden gewesen sein, seine Fans aber wird er kaum enttäuschen. Die Darsteller überzeugen und keiner kann New York so romantisch in Szene setzen wie Allen. "A Rainy Day" streift mit seiner Story jedoch die #metoo-Problematik und kann fast als Statement gesehen werden.
Die junge Ashleigh weiß bei aller Naivität am Schluss genau, worauf sie sich einlässt und zeigt sich, wenngleich auf sympathische Art, von durchaus egoistischen Motiven getrieben. Vielleicht hat auch dies bei Amazon den Ausschlag gegeben, sich von der Produktion abzuwenden. Hauptdarsteller Chalamet und andere haben im Lauf des Shitstorms gegen Woody Allen verkündet, ihre Gagen aus dem Film an #metoo-Opfergruppen zu spenden.