AIDS heilen mit Homöopathie?
Ein in Hamburg eingetragener Verein will Homöopathie in Entwicklungsländer bringen - und schreckt dabei auch vor der Zusammenarbeit mit dubiosen AIDS-Heilern nicht zurück
Homöopathie - vielen gilt die sogenannte sanfte Medizin vor allem als Phänomen der westlichen Welt. Wer unter sauberen hygienischen Bedingungen lebt und im Notfall mit einer umfangreichen medizinischen Versorgung rechnen kann, kann es sich leisten, bei kleinen Wehwehchen auf vermutlich wirkungslose Zuckerkügelchen zurückzugreifen. Doch der Hamburger Verein "Homöopathen ohne Grenzen" arbeitet daran, die Homöopathie auch in Entwicklungsländern salonfähig zu machen. Nun unterstützen sie sogar einen Arzt, der behauptet, mit Homöopathie könne man AIDS heilen.
Der Physiker und Blogger Jörg Rings, der sich schon früher kritisch mit den Homöopathen ohne Grenzen befasst hat, erhielt kürzlich einen Newsletter der Organisation. Darin warben diese für die Arbeit eines gewissen Jeremy Sherr, der in Tansania die Behandlung von HIV-Infizierten mit Homöopathie betreibt. Rings war entsetzt. "Wer denkt, dass er AIDS mit Zuckerpillen heilen kann, dem gehört schlichtweg das Handwerk gelegt, denn er bedroht Menschenleben", erklärte Rings gegenüber Telepolis. "Und wer darüber wohlwollend berichtet, ist nicht gemeinnützig sondern gemeingefährlich."
Homöopathie arbeitet nach den Prinzipien der Ähnlichkeit und der Verdünnung. Nach homöopathischer Lehre wirkt eine Substanz, die bei Gesunden ähnliche Symptome verursacht wie die zu behandelnde Krankheit. Zusätzlich wird die homöopathische Substanz stark verdünnt. Die meisten homöopathischen Medikamente sind so stark verdünnt, dass kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr in ihnen vorhanden ist. Wissenschaftlich begründbar ist das freilich nicht - Homöopathen erklären die Wirkung von nicht mehr nachweisbaren Substanzen teilweise mit einem sogenannten "Wassergedächtnis", allerdings konnte noch niemand erklären, wie dieses funktionieren soll. Ihre Wirksamkeit gilt den meisten Medizinern daher als reiner Placebo-Effekt, worauf auch zahlreiche Metaanalysen hinweisen, die in der Vergangenheit die Studienlage zur Homöopathie untersucht haben.
HIV-Infektionen werden heute meistens mit sogenannten antiretroviralen Medikamenten (ARVs) behandelt. Sie sind in vielen Fällen in der Lage, den Ausbruch einer AIDS-Krankheit deutlich zu verzögern und Infizierten ein längeres Leben zu ermöglichen. Die Organisation von Jeremy Sherr "Homeopathy for Health in Africa" betont auf ihrer Webseite, dass sie auf keinen Fall Menschen von der Behandlung mit Antiretroviralen Medikamenten abbringen will und die Gabe von Homöopathie als Ergänzung ansieht.
Doch es gibt Zweifel an der Darstellung von Sherrs Organisation. Auf einem Blog berichtete Sherr vor einigen Jahren , er habe im Rahmen seiner Arbeit in Südafrika - fünf Jahre zuvor - ein Experiment entwickelt, bei dem eine Gruppe von Patienten nur Homöopathie und keine ARVs erhält. Als kritische Blogger darauf hinwiesen, änderte Sherr kurzerhand den Text auf seiner Webseite. Allerdings zu spät: Die Kritiker hatten die Seiten bereits gesichert. Ob Sherr das angesprochene Experiment je durchgeführt hat ist unklar.
An anderer Stelle schrieb Sherr: "Ich weiß, so wie alle Homöopathen wissen, dass man AIDS in vielen Fällen heilen kann. Aber psst... Ich darf das nicht sagen, also habt ihr es nicht gehört." Die endgültige Heilung von einer HIV-Infektion ist mit aktuellen medizinischen Methoden, da sind sich Ärzte weitgehend einig, nicht möglich. Einzig experimentelle Stammzellentherapien sind möglicherweise hierzu in der Lage, die Wissenschaft streitet noch darüber, ob der bislang als erster von HIV geheilte Patient Timothy Ray Brown wirklich frei von HI-Viren lebt.
Sherr ist nicht der einzige, der die schwierige Situation in Afrika ausnutzt, um fragwürdige Theorien über AIDS zu verbreiten. Vor allem Südafrika entwickelte in der Zeit unter Präsident Thabor Mbeki zwischen 1999 und 2008 zum regelrechten Eldorado für westliche AIDS-"Heiler". Der Präsident und seine Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang machten keinen Hehl daraus, dass sie wenig von der AIDS-Wissenschaft hielten. Knoblauch und Olivenöl waren nach Meinung der Gesundheitsministerin geeignete Maßnahmen gegen AIDS, zahlreichen HIV-Positiven wurde in dieser Zeit der Zugriff auf Antiretrovirale Medikamente vorenthalten. In einem Panel versammelte Mbeki prominente AIDS-Dissidenten aus aller Welt, die einen Zusammenhang zwischen HIV und AIDS bestreiten oder sogar die Existenz des HI-Virus komplett leugnen. Zu dieser Zeit versuchte auch der deutsche Vitaminpillenpapst Matthias Rath in Südafrika Fuß zu fassen. Ausführlich dokumentiert hat das der britische Journalist und Arzt Ben Goldacre .
Jeremy Sherr arbeitete zu Mbekis Zeit ebenfalls in Südafrika. Nach eigenen Angaben entwickelte er das Studiendesign für den oben bereits erwähnten Test im Jahr 2004 im Nelson Mandela Hospital in Durban. Eine Anfrage an Sherr über seine Arbeit zu dieser Zeit blieb leider unbeantwortet.
Blogger Jörg Rings hofft unterdessen, dass er den Homöopathen ohne Grenzen den Status der Gemeinnützigkeit streitig machen kann. In einem Brief wandte er sich an das zuständige Finanzamt Hamburg Nord und fragte, "warum ein Verein, der diese mittelalterlichen Wundermittel in Afrika verbreitet und lehrt, und damit das Vertrauen bedürftiger Menschen verrät, als gemeinnützig gilt".