Ab in die Wüste
Der Indiana Jones der Spiele, Nathan Drake, begibt sich in seinem dritten Uncharted-Abenteuer auf die Spuren von Lawrence von Arabien.
Sonys exklusiv für PlayStation 3 erscheinende Uncharted-Serie wird von Fans wie Fachmedien als die vielleicht beste Action-Adventure-Reihe in der Geschichte der Videospiele angesehen. Zu Recht. Der nun erschienene dritte Teil, Uncharted 3: Drake's Deception (dt.: Drakes Täuschung), baut auf den Erfolg seiner millionenfach verkauften Vorgänger auf und versucht sich an der erneuten Verfeinerung einer Fusion aus Spiel und Film, die Teil zwei, "Uncharted 2: Among Thieves", zum Spiel des Jahres 2009 machte.
US-Entwickler Naughty Dog will Qualität statt Quantität liefern. Freunde von spannenden Schießereien, aufwändig inszenierten Rätseln, imposanten Kletterpartien und harten Prügeleinlagen kommen in der dritten Einzelspielerstory auch ganz auf ihre Kosten - selbst wenn sie schon nach zehn bis zwölf Stunden durchgespielt ist. Doch trotz meist überschwänglicher Kritiken mit einem bisherigen Metascore von 93/100 aus 62 Bewertungen spaltet "Uncharted 3: Drake's Deception" manche Kritiker. Simon Parkin, Autor des englischen Online-Magazins Eurogamer, beschrieb jüngst in seiner Besprechung, was ihn am Spiel so richtig stört: Seine vergleichsweise durchschnittliche Wertung 8/10 erklärt er mit dem Argument, dass er sich auf Kosten der filmischen Inszenierung zum Zuschauer degradiert fühlt. Er meint, sein virtuelles Ich würde nur überleben, wenn er die vom Script nahegelegten Reaktionen ausführe.
Die Eurogamer-Community, größtenteils Fans der Serie, bedachte die Kritik mit unterschiedlichen Kommentaren - von Schmähungen bis Lob. Leser "graz68" stellt fest, dass Parkin Punkte kritisiere, die den Vorgänger so beliebt gemacht hätten. Und das Absurde daran sei: Auch Eurogamer verlieh dem Spiel damals die Höchstwertung 10/10. Leser "neems" beschwichtigt und sagt, alles in allem beschriebe die Uncharted 3-Review, dass es sich um ein aufregendes, geschliffenes Spiel handle, das höchstens interaktiver sein könnte. Da es sonst aber exakt dieselben Fehler wie Uncharted 2 hätte, wisse er die Wertung für sich einzuordnen. Der Rest stimmt ein in diesen Tenor oder weist Fanboys zurecht, die einfach bloß buhen und schimpfen.
Auf anderen Spielportalen wie dem Blog Kotaku setzt sich das Thema fort. Dort wird diskutiert, wo überhaupt der Sinn von Spielkritiken läge, ob sie subjektiv sein dürften oder einfach bloße Kaufempfehlung seien. Unterm Strich, so die fachlich versierte Leserschaft, sei beides legitim und zwangsläufig vermischbar. Denn da es immer zwei Sichtweisen gibt und Geschmäcker verschieden sind, muss sich der Tester einer Review, die kein Verriss ist, aber dennoch positive wie negative Seiten aufzählt, den Vorwurf gefallen lassen, er betreibe Werbung für den Hersteller oder sei ein vorurteilsbeladener Hasser.
Der Verfasser dieses Textes hier mag die Uncharted-Serie, hat bereits den Vorgänger gelobt und versucht nun anhand einiger Punkte zu erklären, warum "Uncharted 3: Drake's Deception" ein kurzweiliges und unterhaltsames Erlebnis interaktiver Unterhaltung ist - trotz seiner Schwächen.
Spiel mit Charakter
Nichts geht über die Charaktere von Uncharted. In "Uncharted 3: Drake’s Deception" vertieft Entwickler Naughty Dog, der zuvor mit den Videospielreihen Crash Bandicoot oder Jak and Daxter erfolgreich war, die Geschichten der Hauptakteure weiter und nutzt dazu die erzählerischen Mittel des Films. Erstmals bekommt der Spieler Einblick in die Beziehung zwischen Uncharted-Held Nathan "Nate" Drake und seinem Mentor Victor "Sully" Sullivan. In einem Rückblick 20 Jahre vor den aktuellen Ereignissen spielt er das Geschehen nach, bei dem sich die Zwei kennen lernten. Damals war Nate noch ein Teenager, wenn auch genauso gerissen wir heute, und Sully ein jüngerer Dieb. Beide haben es auf zwei Relikte von Nathans Urahn Sir Francis Drake abgesehen, die in einer Museumsvitrine liegen - darunter der silberne Ring, den Nathan seit Teil eins, "Uncharted: Drakes Schicksal" (2007), an einer Kette um den Hals trägt.
Um den Ring dreht sich auch die Story, die Naughty Dogs Creative Director und Autorin Amy Hennig geschrieben hat. Wie in den Vorgängern hat "Uncharted 3: Drake's Deception" einen echten historischen Aufhänger. Waren es in "Uncharted: Drakes Schicksal" die Goldene Stadt Eldorado und in "Uncharted 2: Among Thieves" das mythologische Königreich Shambala, so basiert "Uncharted 3: Drake's Deception" auf den autobiografischen Kriegsberichten des Briten T. E. Lawrence: Der als Lawrence von Arabien bekannte Archäologe und Abenteurer erzählt in "Die sieben Säulen der Weisheit" vom "Atlantis der Wüste": der Jahrtausende alten "Säulenstadt Iram". Nate und Sully halten mit dem Ring den Schlüssel zur Route quer durch die Rub al-Khali auf der arabischen Halbinsel in der Hand. Dort, inmitten der Wüste, soll die verschollene Stadt reiche Schätze bergen. Mit Katherine Marlow und den Schergen ihres okkulten Ordens tritt allerdings bald nach den ersten Vorbereitungen eine Konkurrenz auf den Plan, die über Leichen geht.
Alle Menschen träumen, aber nicht gleich. Die, die während der Nacht in der staubigen Tiefe ihres Verstandes träumen, wachen am Tage auf, um zu entdecken, dass alles nur Wahn war; aber die Tagträumer sind gefährliche Menschen, denn sie können ihren Tagtraum mit offenen Augen darstellen, um ihn wahr zu machen. Das tat ich.
T. E. Lawrence
Mit der Einleitung von "Die sieben Säulen der Weisheit" von T. E. Lawrence beginnt das Abenteuer von "Uncharted 3: Drake's Deception".
Der Schauplatz ist der Star
Das optisch Faszinierende von Uncharted sind seine riesig angelegten Schauplätze, deren Texturen bis zu feinen Mustern detailliert gezeichnet sind. Nate, Sully und ihre gelegentlichen Mitstreiter Elena Fisher und Chloe Frazer reisten bereits quer durch die Welt. In den ersten Teilen besuchten sie Orte wie eine pazifische Pirateninsel, ein türkisches Museum, einen Bergtempel in Borneo, ein Dorf im Nepal und die Berge von Tibet. Außerdem bringt Naughty Dog seit "Uncharted 2: Among Thieves" Nathan Drake immer wieder in cineastische Situationen: lässt ihn an einem über einer Klippe baumelnden Zugwaggon hochklettern und durch eisige Berglandschaften stapfen.
"Uncharted 3: Drake's Deception" setzt sogar noch einen an Vielfalt drauf. Der Spieler findet sich in England, Kolumbien und Frankreich wieder, erforscht unterirdische Gewölbe und zerfallene Schlösser, die zu brennen beginnen. Während "Uncharted 2: Among Thieves" mit Eis, Schnee und Kälte spielte, sind in "Uncharted 3: Drake's Deception" Feuer, Hitze und Trockenheit in Ländern wie Syrien und Jemen das Thema. Und zum Kontrast zu Sand, Staub und Dünen der Wüste unternimmt das Spiel einen Abstecher auf einen Dampfer bei Seegang oder einen gigantischen Schiffsfriedhof.
Viel Licht, wenig Schatten
"Uncharted 3: Drake's Deception" bietet spielerisch wenig Neues. Dafür stärkt Naughty Dog bestehende Elemente noch einmal mehr. Die Mischung aus entdeckerischem Wege-suchen, atemberaubenden Klettereinlagen, ausgiebigen Prügel- und Ballerabschnitten und durchschnittlich mittelschweren Rätseln wird homogen dosiert und abwechslungsreich kombiniert. Zusätzliche Faustkampf-Moves sind eine spielerische Alternative zum Ballern mit verschiedenen Pistolen oder Handgranaten, Maschinen- oder Scharfschützengewehren und Granaten- oder Raketenwerfern.
Die Rätsel beeindrucken durch ausgeklügelte Mechanismen wie z.B. das der Hieroglyphen an einer Mauer, die anhand von spektralfarbig reflektierenden Bodenzeichnungen zugeordnet und umgestellt werden müssen oder das der in einem Saal verteilten Skulpturenteile, die so mit einer Fackel hinterleuchtet werden müssen, dass eine zusammengesetzte Schattenfigur an die Wand geworfen wird. Auch die Zwischensequenzen, in denen die Story vorangetrieben wird, unterhalten mit filmischem Wert - was vor allem an der erstklassigen deutschen oder, alternativ wählbar, an der noch besseren englischen Synchronisation liegt. Hinzu kommt der stimmungsvolle Soundtrack von Greg Edmonson, der die Spannung dramaturgisch untermalt.
Ab in die Wüste (11 Bilder)
Bei all dem Lob für den ambitionierten Versuch und das erreichte Ziel ein Spiel zu schaffen, das die Grenze zwischen Film und interaktiver Unterhaltung verwischt, darf natürlich auch ein Kritikpunkt nicht fehlen, der exakt an das eingangs erwähnte Urteil von Eurogamer anknüpft: Ja, an manchen Stellen des Spiels schreibt das Gameplay dem Spieler vor, was er exakt zu tun hat und wohin er die Aufmerksamkeit seiner Spielfigur richten soll. In wenigen fehlerhaft wirkenden Momenten, z.B. während Klein-Nathans Verfolgungsjagd über den Dächern einer südamerikanischen Stadt, ist der Laufweg streng vorgegeben. Durch die offen wirkende aber linear verlaufende Spielwelt kommt es daher zu unfairen Toden, weil hier plötzlich - im Kontrast zu gewohnten Situationen - keine Alternativroute mehr möglich ist und jeder falsche Sprung in den Abgrund statt an den sicheren Dachsims führt.
Der Ärger ist aber leicht verschmerzt und der Spieler wird schnell versöhnt mit zurück gewonnenen Freiheiten und einem reibungslosen Spielverlauf. Und wenn dieser so originell, unterhaltsam und ansehnlich ist wie "Uncharted 3: Drake's Deception" - ganz besonders im Vergleich zum mickrigen Angebot wirklich seriöser Spielproduktionen – dann verlaufen zänkerische Meckereien wie diese (subjektiv wie objektiv betrachtet) einfach nur im Sande.