AfD: Hoffen auf den großen Knall
Die Rechtsaußenpartei im Bundestag scheint ihren Zenit überschritten zu haben, setzt aber auf kommende gesellschaftliche Spannungen
Momentan scheint die AfD ihren Zenit überschritten zu haben: In Umfragen liegt sie bundesweit bei zehn bis elf Prozent; 2017 war sie mit 12,6 Prozent in den Bundestag eingezogen, ein Jahr später kam sie in Umfragen sogar auf 18 Prozent. Dieser Höhenflug war vorbei, als ihr das Agenda-Setting aus der Hand genommen wurde – die Problematisierung von Flüchtlingen bestimmte nicht mehr die Schlagzeilen, als die junge Klimabewegung auf den Plan trat und auch die Mieterbewegung sich verstärkt zu Wort meldete.
Die "Argumente" der AfD im Wahlkampf sind bekannt: Der Mensch ist nicht verantwortlich für den Klimawandel; Atomkraft ist toll und eine Katastrophe wie im japanischen Fukushima ist bei uns nicht möglich; die Zeit des Hitler-Faschismus war nur ein Vogelschiss in der deutschen Geschichte; Deutschland werde beherrscht von "Links-Grün-Versifften", die den deutschen Staatsapparat nach und nach von Andersdenkenden säubern.
Für die kommende Wahlperiode keine Illusionen
Diese "Argumente" mögen noch so abgegriffen und falsch sein - die Partei versucht auch in diesem Bundestagswahlkampf zu punkten. Dass es für eine Regierungsbeteiligung reichen könnte, daran glaubt Steffen Kotré nicht. Er ist einer von fünf AfD-Vertretern aus Brandenburg und sitzt seit 2017 im Bundestag. In einem Interview mit der Märkischen Oderzeitung (MOZ) erklärte er auf die Frage, ob er nach der Bundestagswahl Chancen seiner Partei auf eine Regierungsbeteiligung sehe: "Natürlich nicht". Stattdessen hofft er auf einen Knall in der Wirtschaft oder Spannungen in der Gesellschaft. Dann werde auch die AfD gefragt sein, hofft er. Diese Hoffnung hatte im Frühjahr wohl auch die Berliner AfD-Landeschefin veranlasst, ihre Partei zum "parlamentarischen Arm" der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen zu erklären.
Kotré galt als Unterstützer der Rechtsaußen-Fraktion der AfD, des offiziell aufgelösten "Flügels", in der sich völkisch-nationalistische und extrem rechte Kräfte gesammelt hatten. Bis jetzt scheint sich seine Verehrung für die Galionsfigur des Flügels, Björn Höcke, zu halten. Höcke spreche ihm aus der Seele, sagte Kotré gegenüber der MOZ. Eine Abgrenzung zu Rechtsextremisten fiel ihm zumindest in der Vergangenheit schwer: Wie Die Zeit im Jahre 2018 berichtete, gehörte Kotré zu jenen Bundestagsabgeordneten seiner Partei, die Mitarbeiter mit verfassungsfeindlichem sowie "eindeutig rechtsradikalem bis rechtsextremem Hintergrund" beschäftigten.
Als wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion lobt Kotré die Atomkraft. Auf die Katastrophe von 2011 im japanischen Fukushima angesprochen, erklärte er: "Fukushima kann nicht bei uns passieren und auch Tschernobyl nicht. Da ist Panikmache im Gange". Von Klimaschutz hält er nicht viel: Es sei völlig sinnlos, was wir in Deutschland tun, sagte er. "Es gibt keine Beweise dafür, dass die Menschen maßgeblich zur Erwärmung beigetragen haben", behauptete er und bewies damit einmal mehr Ignoranz gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie sie im aktuellen IPCC-Bericht festgehalten sind.
Inspiriert von FPÖ und Haider
Seine politische Karriere begann Kotré nach eigenen Angaben in den 1990er Jahren. Damals trat er in die FDP ein. Sein politisches Vorbild war allerdings schon damals der Österreicher Jörg Haider, der die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) maßgeblich prägte und den der Schriftsteller Ralph Giordano als "gefährlichen Lügner und Rassisten" bezeichnete. Als "konservativ-liberales Beispiel" habe dessen Politik nach Deutschland herüber geleuchtet.
Die neoliberalen Positionen der FPÖ hatten in der Vergangenheit auf zahlreiche rechtsextreme Gruppierungen großen Einfluss. Rechtsextremismus und Neoliberalismus lassen sich gut miteinander vereinbaren, schrieb der Ökonom Ralf Ptak 1997 in dem Buch "Wollt ihr den totalen Markt?". Demnach gibt es zum Beispiel Gemeinsamkeiten im kulturell begründeten Rassismus, Elitedenken oder im rigorosen Sozialdarwinismus. "Das angestrebte Ziel einer autoritären und marktradikalen Gesellschaft wird mit dem Schein einer vom staatlichen Zwang befreiten Gesellschaft, das heißt dem Versprechen nach mehr Autonomie der Individuen und weniger Bevormundungen durch Reglementierungen, belegt", heißt es in dem Buch.
Nationalliberale sammelten sich in den 1990er Jahren nicht nur in der FDP, sondern auch bei den rechtsextremen Organisationen Republikaner und Bund Freier Bürger (BFB). Dem BFB galt die FPÖ unter Haider als politisches Vorbild, und das ging so weit, dass der BFB im Jahr 1995 auch das Parteisymbol der FPÖ, die blaue Kornblume, übernahm.
Interessant am BFB ist, dass er als Vorläufer der heutigen AfD gelten kann. Auch er erhielt zumindest in der Anfangszeit große mediale Aufmerksamkeit, weil sich etliche rechtskonservative Wissenschaftler und etablierte Persönlichkeiten für ihn einsetzten. Auch er galt in der Anfangszeit als "Professoren-Partei". Heute gibt es nicht nur zahlreiche personelle Überschneidungen zwischen BFB und AfD, sondern auch inhaltliche.