AfD: Parlamentarischer Arm des rechten Terrorismus?
Die Partei steht rechten Terrornetzwerken allem Anschein nach näher, als sie öffentlich zugeben möchte. Sie fällt nicht mit Distanzierungen auf. Hintergrund und Kommentar.
Am 7. Dezember 2022 führte die Bundespolizei eine Großrazzia in der "Reichsbürger"-Szene durch. Die Durchsuchten stehen im Verdacht, als Gruppe unter dem Namen "Patriotische Union" einen Staatsstreich und die Ermordung politischer Gegner:innen vorbereitet zu haben.
Unter den Verdächtigen sind auch mehrere Ehemalige und Aktive aus Polizei, Bundeswehr und der Justiz. Dem Verschwörer-Netzwerk wird vorgeworfen, dass es rechten Verschwörungsideologien anhängt. Neben dem adligen Rädelsführer sticht eine Person heraus: die ehemalige AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann.
Bei der Debatte im Bundestag am 14.12.2022 wurde deshalb auch viel über die AfD diskutiert. Ihr wurde u.a. vorgeworfen, die Gefahr rechten Terrors zu verharmlosen. Die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic forderte, man müsse "glasklar benennen, dass der parlamentarische Arm dieser Gruppe mit der AfD in diesem Hause sitzt".1 Aus diesem Grunde wurde sogar ein Verbot der AfD Teil der Debatte.2
Dass die AfD, wie ihr vorgeworfen wird, rechten Terrornetzwerken nähersteht, als sie zugeben möchte, ist jedoch eigentlich keine neue Behauptung. Bereits 2019 hatte der SPD-Politiker Michael Roth die Alternative für Deutschland (AfD) als "politischen Arm des Rechtsterrorismus" bezeichnet.3 Anlass war damals der rechtsmotivierte Terroranschlag in Halle. Doch auch mit Blick auf das "Hannibal"-Netzwerk, einem "Prepper-Netzwerk" aus Soldaten und Reservisten um den KSK-Soldaten André S., kann man zu einem ähnlichen Schluss gelangen.
Vor allem für die Gruppe Nordkreuz war die AfD mit ihrer Hetze gegen Geflüchtete Ideengeberin für die rechten Prepper: So bereiteten sich diese auf den "Tag X" vor, den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung.
Der aus Sicht der Prepper wahrscheinlichste Auslöser für den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung war der vermeintlich ungebremste Zuzug von Geflüchteten4 – ein Narrativ, das vor allem die AfD geprägt hatte.
Nordkreuz
Doch die AfD wirkte auf das Netzwerk nicht nur durch vermeintliche Legitimierung auf diskursiver Ebene. Es gibt auch eine Vielzahl von Verbindungen zwischen zentralen Figuren des Hannibal-Netzwerks in Norddeutschland und der AfD.
Ein Beispiel ist der ehemalige Polizist Haik J., gegen den fünf Jahre lang ein Verfahren wegen der Vorbereitung schwerer, staatsgefährdender Gewalttaten lief, weil er sich mit anderen auf die Ermordung politischer Gegner:innen am "Tag X" vorbereitet haben soll. Die AfD Mecklenburg-Vorpommern wählte das AfD-Mitglied – noch während die Terrorermittlungen liefen – zum stellvertretenden Vorsitzenden des internen Arbeitskreises für Innere Sicherheit.5
Auch dessen Vertrauter Jan-Hendrik H., gegen den wegen desselben Sachverhalts ermittelt wurde, stand schon während der Terrorplanungen in Kontakt mit dem damaligen AfD-Politiker Holger Arppe.6
H. , so soll Arppe durch Äußerungen nahegelegt haben, würde gut in die Reihen der AfD passen.7 Hier wird sichtbar, wie nah sich die AfD und die rechten "Prepper" sowohl inhaltlich als auch persönlich stehen können.
Neben Haik J. und Jan-Hendrik H. fällt auch der Admin der Nordkreuz-Chatgruppe Marko G. durch seine Nähe zur AfD auf. Ob er AfD-Mitglied ist, ist nicht bekannt, er nahm aber 2015 an einem Aufmarsch der AfD in Schwerin teil.8 Allem Anschein nach war dies die Phase seiner Radikalisierung.
Maximilian T.
Doch auch in anderen Teilen des Hannibal-Netzwerks ist eine Nähe zwischen AfD und Neonazis mit Terrorplänen sichtbar. Maximilian T., der ein enger Freund von Franco A. ist und bei dem auch Feindeslisten gefunden wurden, ist AfD-Mitglied. Auch er war Mitglied in einer der rechten Chatgruppen. Auch er wurde, noch während das Terrorverfahren gegen ihn lief, vom AfD-Abgeordneten Jan Nolte als Bundestagsmitarbeiter eingestellt.9
Als das Verfahren gegen ihn später eingestellt wurde, erhielt er sogar einen Bundestagshausausweis, wodurch er im Bundestag freien Zutritt hatte – ohne Taschenkontrolle. Zudem hatte er Zugang zu vertraulichen Unterlagen des Verteidigungsausschusses, wo es zu dieser Zeit regelmäßig um ihn und andere Chatgruppenmitglieder ging.
Bis heute macht T. weiter bei der AfD Karriere. 2020 war er Schatzmeister der Jungen Alternative Sachsen-Anhalt, des Jugendverbands der AfD.10 Aktuell ist er sogar deren stellvertretender Vorsitzender.11
Tobias L.
Maximilian T. wiederum stand im Kontakt mit Tobias L., einem ehemaligen Bundeswehrsoldaten. Wegen seiner führenden Rolle bei der Identitären "Bewegung" wurde der Burschenschafter im Mai 2017 aus der Bundeswehr entlassen. Ermittlungsbehörden befürchteten, er horte illegal schwere Waffen. Zudem stand der Verdacht im Raum, Tobias L. sei Teil des Hannibal-Netzwerks und habe einen Anschlag auf die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen geplant.
Wenige Tage vor einem Besuch der damaligen Verteidigungsministerin in der Bundeswehruniversität in München leitete die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ein. Noch am selben Tag wurde die Wohnung von Tobias L. durchsucht. Gefunden wurde nichts, doch L. schien auf die Durchsuchung vorbereitet zu sein – ein Umstand, zu dem es bei Ermittlungen gegen Beteiligte des Hannibal-Netzwerks anscheinend öfter kam.
Im direkten Umfeld eines Ortes, an dem die damalige Verteidigungsministerin auftreten sollte, wurden jedoch im Juni 2017 und im Oktober 2018 zwei Handgranaten gefunden.12 Nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr widmete sich L. verstärkt seinem politischen Engagement für die AfD. So war er für die Passauer Campus-Alternative, eine AfD-Hochschulgruppe und als stellvertretender Vorsitzender der Jungen Alternative Ostbayern aktiv.
Obwohl der AfD-Kreisverband offenbar nichts gegen seine Mitgliedschaft einzuwenden hatte, wurde sein Mitgliedsantrag vom AfD-Bundesverband jedoch abgelehnt, mit Verweis auf seine Entlassung aus der Bundeswehr.13 Für die Junge Alternative scheint er weiterhin aktiv zu sein; 2021 besuchte er z.B. ein Camp der Jungen Alternative: die patriotischen Aktionstage.14 Die AfD scheint das nicht zu stören.
Die AfD als Bundeswehr-Partei?
Schon seit ihrer Gründung versuchte sich die AfD als selbsternannte "Soldatenpartei"15 darzustellen. In den ersten 18 Monaten im Parlament stellte die AfD 40 Anfragen mit Bezug zur Bundeswehr und forderte regelmäßig eine Aufrüstung der Truppe. Schätzungen zufolge waren 2019 2.100 der 35.000 AfD-Mitglieder Berufssoldat:innen. Auch unter den Funktionär:innen der AfD finden sich auffällig viele ehemalige und aktive Soldat:innen.16
Der ehemalige Landesvorsitzende der AfD in Brandenburg, Andreas Kalbitz, war vor seiner (mittlerweile zunächst beendeten) politischen Karriere Ausbilder der Fallschirmjäger in Altenstadt. Auch einige Mitglieder des Hannibal-Netzwerks – nicht zuletzt Hannibal selbst – durchliefen die Fallschirmjäger-Ausbildung in Altenstadt.17 Der bereits erwähnte AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte, der Maximilian T. als Mitarbeiter einstellte, war ebenfalls Berufssoldat.
Auch der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Peter Felser, war früher Offizier und unter anderem im Auslandseinsatz in Bosnien eingesetzt – gemeinsam mit dem Rechtsintellektuellen Götz Kubitschek, der der AfD ebenfalls sehr nah steht und als ihr Vordenker gilt.18
Dass die AfD rechten Kreisen in der Bundeswehr nahe steht, ist kein Zufall. Sie entstammen demselben Milieu. Außerdem ist es Teil einer rechten Strategie, Soldat:innen als Teil des Gewaltmonopols auf die eigene Seite zu ziehen – zum Teil verbunden mit Aufrufen zum Putsch.
Bereits 2015 rief der Herausgeber des rechten Compact-Magazins, Jürgen Elsässer, deutsche Soldat:innen auf, "selbst aktiv" zu werden19:
Wartet nicht auf Befehle von oben! Diskutiert die Lage mit Euren Kameraden und werdet selbst aktiv! Nur Ihr habt jetzt noch die Machtmittel, die von der Kanzlerin befohlene Selbstzerstörung zu stoppen.
Solche Forderungen entstehen nicht im leeren Raum. AfD-Hardliner Höcke betrachtet Teile von Militär, Polizei und Verwaltung als wichtigen Bestandteil in seinen rechten Revolutionsfantasien.
In seinem Buch "Nie zweimal in denselben Fluß" beschreibt er, wie dies gelingen solle: Neben den zwei "Fronten" auf der Straße und der AfD im Parlament sei auch noch eine dritte "Front" wichtig, um das System zu stürzen. Diese bestehe aus "frustrierten Teilen des Staats- und Sicherheitsapparates".20
Fazit
All das führt zur Beobachtung, dass die AfD rechten Terrornetzwerken offenbar deutlich nähersteht, als sie zugeben möchte. Die AfD fungiert nicht nur als ideologische Ideengeber, sondern heizt auch gezielt die Stimmung an, schürt Ängste und provoziert Gewalt.
Viele Neonazis mit Terrorplänen fühlen sich zur AfD hingezogen und begreifen sie als ihr politisches Sprachrohr. Selbst nachdem öffentlich bekannt wird, dass bestimmte Personen im Verdacht stehen, Anschlagspläne zu schmieden oder Waffendepots anzulegen, distanziert sich die AfD und ihre Jugendorganisation kaum, so der Eindruck.
Vielmehr können derartige Personen regelmäßig in politische Ämter gewählt oder angestellt werden. Von Einzelfällen kann schwerlich die Rede sein.
Auch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags kam bei der Untersuchung rechter Netzwerke in den Sicherheitsbehörden zu dem Schluss21:
Eine Vielzahl handelnder Personen in den betrachteten Sachverhaltskomplexen steht in Verbindung zu rechtsextremistischen Bestrebungen, wie z. B. [...] dem sogenannten ‚Flügel‘ der AfD in Bund und Ländern, [… und] der Jungen Alternative der AfD.
Übrigens: Die AfD hatte von dem oben erwähnten SPD-Politiker Michael Roth eine Unterlassungserklärung gefordert und versuchte ihm zu untersagen, die AfD als "politischen Arm des Rechtsterrorismus" zu bezeichnen. Nach nur wenigen Wochen zog die AfD ihre Mahnung zurück und verkündete, nicht weiter gegen die Äußerung vorzugehen.22
Vielleicht erkannte die AfD die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens und wollte verhindern, am Ende juristisch bestätigt als "politischer Arm des Rechtsterrorismus" in der Öffentlichkeit dazustehen.
Der Artikel ist auch in der aktuellen Broschüre der Informationsstelle Militarisierung (IMI) erschienen.