AfD und AKP: Brüder im Geiste

Seite 2: Nähe zwischen AfD und AKP

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Noch etwas Wichtiges sagte Cem Özdemir in seiner Bundestagsrede: Dass nämlich die AfD Deutschland "verachtet". Anders kann man es nicht bezeichnen, wenn eine Partei gegen alle Errungenschaften eines demokratischen und pluralistischen Staates steht, sich rassistisch, homophob, antisemitisch, islamophob geriert. Die Religionsfreiheit ist ein ebenso hohes gut wie die Pressefreiheit.

Und die AKP? Ja, auch sie verachtet ihr Land. Es gibt heute in der Türkei keinen Akteur, der die Türkei mehr hasst als die AKP und ihre Anhängerschaft - und dabei sind es sogar noch die eigenen demokratischen Reformen, die sie nun mit Füßen tritt. Eine Partei, die im eigenen Land einen mörderischen Krieg anzettelt, die gesellschaftlichen und ethnischen Gruppen gegeneinander aufhetzt und zugleich die bedeutendsten Intellektuellen und Wissenschaftler entweder inhaftiert oder ins Exil treibt - eine solche Partei verachtet das eigene Land zutiefst.

Ein gutes Beispiel dafür ist auch die Erinnerungskultur und die objektive Aufarbeitung der eigenen Geschichte. In der Türkei findet das faktisch nicht statt. Der Genozid an den Armeniern wird bis heute geleugnet. Warum ist das so? "Weil das den Gründungsmythos der Türkei zerstören würde", sagt der Schriftsteller Dogan Akhanli:

"Generationen wurden mit der Geschichte indoktriniert, die Gründung der türkischen Republik sei aus dem Befreiungskampf gegen die Großmächte entstanden. Sogar die Linken haben dieses Narrativ übernommen. Dabei stand etwas anderes am Beginn des Staates: ein Verbrechen. Die Ermordung der eigenen Bürger. Es müsste nicht nur der Genozid anerkannt, sondern auch eine Erinnerungskultur entwickelt werden. Das käme für die Türkei einer gedanklichen Revolution gleich. Es wäre nicht mehr das gleiche Land. Durch die Verleugnung wird Veränderung verhindert."

Dieser Zustand ist es, den auch die AfD sich wünscht. Wenn Björn Höcke eine "erinnerungspolitische Wende um 180°" fordert, wenn Alexander Gauland die Verbrechen der Wehrmacht relativiert, indem er fordert, man könne "stolz sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen" und es müsse unter die Vergangenheit einen "Schlussstrich" geben, dann ist das nichts anderes als die Aufforderung zu vergessen und zu verleugnen, dass Deutschland nicht nur für zwei Weltkriege, sondern auch für den brutalen industriellen Massenmord an sechs Millionen Menschen verantwortlich ist. Und das ist eine rechtsradikale Geisteshaltung, die in einem demokratischen Parlament nichts verloren hat. Sonst sieht der Bundestag bald nicht mehr viel anders aus als das Parlament in Ankara.

Die Nähe zwischen der AfD und der AKP ist immens. Der Grund, weshalb die AfD das natürlich niemals wird eingestehen können, ist denkbar simpel: Die Partei ist rassistisch. Und Erdogan, ihr Bruder im Geiste, ist Türke. Er hat dunkle Haare und Haut, er ist Muslim. Das und nichts anderes ist der Grund, weshalb es noch keinen Handschlag der Parteispitzen gab.

Einen Unterschied immerhin gibt es dennoch: Die AKP trat in ihren Anfangszeiten im demokratischen Gewand auf, gab sich als Reformpartei, die vorgab, die Altlasten und Menschenrechtsverletzungen, die Korruption der Vorgängerregierung über Bord zu werfen. Die Maskerade wurde ihr lange abgekauft, auch international. Die AfD hingegen zeigt jetzt schon deutlich, was von ihr zu erwarten ist. Zum Glück gibt es unter wir-sind-afd.de eine umfangreiche Zitatesammlung, nach der niemand, aber auch wirklich niemand mehr sagen kann: Ich habe von nichts gewusst.