Affirmation des Bestehenden
Konstruktion von Politik und Gesellschaft in Computerspielen?
Wird in Computerspielen ein Bild der Gesellschaft, in der wir leben, vermittelt? Um welche Bilder handelt es sich, wenn dies so ist, und wie geschieht das? Hat das Konsequenzen für die politische Bildung? Gibt es explizit politische Spiele, die sich für die Nutzung für die politische Bildung anbieten? Wie müssten Spiele aussehen, die sich für die politische Bildung eignen? Das sind interessante und wichtige Fragen, die hier nur kursorisch behandelt und beantwortet werden können.
Eine wichtige Frage ist, ob ein Bildschirmspiel eine Narration ist und daher den gleichen Maßstäben wie diese unterliegt. "Ludologen" sind allerdings der Meinung, dass Bildschirmspiele nicht in erster Linie Texte bzw. Narrationen sind, sondern dass sie vor allem aus drei Aspekten bestehen:
- Regeln
- einer Spielwelt, die wiederum aus einem materiellen und einem semiotischen System besteht
- aus dem Spielen des Spiels selbst, d.h. aus dem Anwenden der Regeln auf die Spielwelt.1
Weiterhin stellen "Ludologen" fest, dass Spiele durch zwei Merkmale sich von Narrationen unterscheiden:
- durch ihre Zeitlichkeit, d.h. durch die Kausalität der Ereignisse
- durch die Bedeutung des Nutzers
Die dominante Form der Zeitlichkeit finde nämlich zwischen Nutzer und Ereignissen im Spiel und nicht zwischen der Zeit der Geschichte und der des Diskurses statt. Das macht deutlich, dass der Spieler im Vergleich zu einem Leser konfigurativ und dynamisch ist, anstatt interpretativ und statisch2, was in Bezug auf die Betrachtung von Serious Games wichtig ist.
Spiele sind zwar auch Erzählungen bzw. können Erzählungen sein, aber darüber hinaus beinhalten sie starke andere Elemente, die sie von anderen Medien unterscheiden. Die Erzählung ist ein grober Orientierungsrahmen, in dem die Handlungen der Spieler eingebettet sind. Die Erzählungen in Computerspielen sind mal mehr, mal weniger detailliert, und sie werden je nach Spiel mehr oder weniger vom Spieler beeinflusst.
Attraktivität von Computerspielen
Christoph Klimmt nennt drei Mechanismen des Unterhaltungserlebens beim Computerspielen:
- Selbstwirksamkeitserleben
- Spannung und Lösung
- Simulierte Lebenserfahrung
Das Selbstwirksamkeitserleben bedeutet, dass der Spieler auf seine Eingaben von dem Bildschirmspiel eine Reaktion erhält.
Spannung und Lösung werden im digitalen Spiel aufgrund der Interaktivität viel intensiver erfahren als bei nicht-interaktiven Medien wie Büchern oder Filmen, da der Spieler in der Spannung und Lösung der jeweiligen Situation selbst involviert ist, d.h. selbst einem Handlungsdruck ausgesetzt ist und nicht nur Zeuge dieses Drucks ist. Die Spannung löst sich, wenn das Ergebnis des Handelns vorliegt. Wenn allerdings das Ergebnis zu häufig negativ ausfällt, sind Frustration und Abwendung vom Spiel die Folge. Überwiegt das Positive, so ist die Unterhaltung gut, der Spieler bleibt motiviert. Dieses Ergebnis kann jedoch nur dann erreicht werden, wenn der Ausgang der Handlung vorher auch ungewiss war.3
Was die simulierte Lebenserfahrung betrifft, so führt Klimmt aus, dass die übergeordneten narrativen Strukturen der digitalen Spiele "den Rahmen für eine besondere Form von Rollenspiel" bereitstellen. Dabei dokumentieren sie die Handlungsrolle, die der Spieler übernehmen soll. Die Attraktivität des Angebots der Handlungsrolle bei Bildschirmspielen ist deshalb so groß, weil sie interaktiv ist, und einen gewissen Grad an Komplexität besitzt, sowie letztendlich, dass das Geschehen mit einer hohen audio-visuellen Realitätstreue präsentiert wird.
Das Selbstwirksamkeitserlebnis fördert die Erfahrung des Spiels als Lebensweltsimulator. Das durch Spannung und Lösung episodenhafte Rezeptionserleben unterstützt ebenfalls den Mechanismus der simulierten Lebenserfahrung, da die erfolgreich oder erfolglos ausgefüllte Rolle die Identifikation mit der Spielfigur maßgeblich beeinflusst.
Als Handlungsfolgen werden u.a. Kompetenzerwerb bezüglich weiteren Computerspielens angeführt, wie auch der Erwerb von Kompetenzen für das reale Leben, wie beispielsweise Wissen über Volkswirtschaft durch Wirtschaftssimulationen oder aber das Wissen über Politik durch die vielen Spiele, in denen Politik eine Rolle spielt. Eine implizite "Impfung" mit einer gesellschaftlich-politischen Aussage gibt es aber in beinahe jedem Computerspiel.
Wichtig ist auch für die Bewertung von Bildschirmspielen in Hinsicht auf die Konstruktion von Politik und Gesellschaft der Charakter des Bildschirmspiels selbst. Ein Spiel kann mehr in Richtung Game oder mehr in Richtung Play tendieren. Play meint das freie Spiel, das sich nur ein bisschen oder kaum an die Regeln und an die Erzählung des Spiels hält. Game hingegen bezeichnet das regelkonforme Spiel, das dazu dient, das Ziel, das von den Spieldesignern ausgegeben wurde, zu erreichen, also der übergeordneten Narration zu folgen.
Für die Zwecke der politischen Bildung ist ein Bildschirmspiel besser geeignet, das in einem bestimmten Maße Elemente von Play zulässt, will man die Spieler zu demokratischen Verhaltensweisen ermuntern. Es macht schließlich einen Unterschied, ob man etwas aus Gehorsam gegenüber den Regeln und der Narration macht oder aber aus eigener Einsicht. Durch das Konzept des Play wird dem Spieler erlaubt, autonom zu handeln. Nur so lassen sich zentrale demokratische Werte wie Pluralität, Perspektivübernahme, Respekt vor dem Anderen usw. erzielen.
Das regelkonforme Spiel kann von den Regelerstellern in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Hinzu kommt, dass die generelle Narration, in die die Spielhandlung eingebettet ist, mit den Regeln konform geht bzw. von ihnen gestützt wird. Die Regeln und die Narration stützen sich gegenseitig. Das nichtregelkonforme Spiel hingegen findet zwar unter derselben Narration wie das regelkonforme Spiel statt, hält sich aber nicht an die Vorgaben, die man befolgen muss, um zu gewinnen bzw. um Fortschritte zu machen, d. h. die vorgegebene Narration kann teilweise verlassen bzw. umgeschrieben werden. Die Bedeutung der Narration ist also irgendwo zwischen manipulierbar und völlig unerheblich anzusiedeln.
Fallbeispiele
Im Folgenden sollen einige Spiele vorgestellt und im Hinblick auf die Konstruktion von Politik und Gesellschaft betrachtet werden.
1. Die Sims2
In diesem Spiel muss man als Spieler eine Person oder eine Familie in ihrem Leben begleiten, die Weichen für die Karriere stellen und ihre Bedürfnisse befriedigen. Man kann zwischen sechs Laufbahnen wählen: Aufwachsen (jedes Kind hat diese Laufbahn), Romantik, Familie, Wissen, Ruf, Ruhm. Man kann zu Beginn des Spiels den Charakter und die Laufbahn seines Sims bestimmen. Unterschiede in Rasse, sozialer Herkunft oder Geschlecht existieren nur als phänotypische Merkmale, ohne dass dies Auswirkungen auf das Leben hat. Man kann zwar auswählen, ob man schwarz oder weiß sein möchte, eine Frau oder ein Mann, jedoch ist dies für alles Weitere unerheblich. Das wäre zwar prinzipiell auch für die Realität wünschenswert, doch in einer "Simulation" eines typisch amerikanischen bzw. europäischen Mittelklasse Vororts ist dies hochgradig ideologisch.
Politik und Gesellschaft werden hier so konstruiert, dass man als Spieler nicht einfach seinen Avataren eine nonkonforme Verhaltensweise befehligen kann, beispielsweise sich nur mit Gelegenheitsjobs durchzuschlagen, ohne eine Karriere anzustreben, und dabei gleichzeitig zufrieden zu sein. Das Problem, das so ein Verhalten in diesem Spiel unauflösbar erzeugen würde, wird nach folgender Erklärung aus der Anleitung deutlich: "In einer sauberen Umgebung und mit vielen hübschen Gegenständen (je teurer desto besser) um sie herum sind deine Sims glücklicher und gesünder."4 Und glückliche und gesunde Sims sind das Ziel des Spiels. Teure Gegenstände sind nur erhältlich, wenn man viel Geld hat - ein glückliches Leben ist also von der erfolgreichen beruflichen Karriere abhängig. Das relativiert auch die Möglichkeit, unter den sechs Karrieren zu wählen, da ja alle zu viel Geld führen müssen, will man einen zufriedenen Sim.
Es wird also das Bild einer materialistischen Konsumgesellschaft gezeichnet, in der man nicht, wie Adorno es gerne gesehen hätte, "ohne Angst verschieden sein kann".5 Dies jedoch wäre die Voraussetzung für die Verwirklichung des Allgemeinen in der Versöhnung der Differenzen. In einem Spiel, in dem Unterschiede nur äußerlich sind, ist das aber kaum möglich. Um was es aus dem Blickwinkel der politischen Bildung eigentlich gehen sollte, ist die abstrakte Gleichheit der Menschen.
2. Civilization
In Civilization steuert man als Spieler eine Kultur von ihren Anfängen bis zu einem der sechs möglichen Siegbedingungen, aus denen man am Anfang wählen kann, z.B. Eroberungssieg oder diplomatischer Sieg. Alle Siege zielen darauf ab, die Dominanz auf der Welt zu erreichen. Der Weg dorthin ist egal, ist doch das Ergebnis immer das Gleiche: die Formung der Welt nach meinem Bilde.
Die verschiedenen Kulturen haben Eigenschaften, die zumindest ein bisschen Einfluss auf den Spielverlauf haben. Man kann mit jeder Kultur gewinnen Allerdings muss man mit jeder Kultur gleich handeln und den gleichen Entwicklungspfad beschreiten.
In der Zivilopädie wird die Gesetzmäßigkeit der Civilization Welt erklärt. Die Positivisten unter den Computerspielern wird es freuen: Hier gibt es klare Gesetzmäßigkeiten für jede Entwicklung: So führt der Liberalismus zum Kommunismus, die Philosophie zu Nationalismus und Kommunismus und die Verfassung zur Demokratie und Kapitalgesellschaft. Erstaunlich in der Welt von Civilization ist, dass es keinen Kapitalismus gibt und dass der Liberalismus zum Kommunismus führt, nicht aber zum Kapitalismus. Gab es da nicht einmal diverse Autoren mit den Namen Smith, Hobbes und Locke?
Was muss man tun, um in diesem Spiel Erfolg zu haben? Man muss von Anfang an Gebiete kolonialisieren und Feinde dabei aus dem Weg räumen. Entweder militärisch, wirtschaftlich oder kulturell. Ein Schelm, wer hier an Marx' Beschreibung der Bourgeoisie aus dem Kommunistischen Manifest denkt und wie sie sich die Welt Untertan gemacht hat.6
Um die Menschen, die in den Städten wohnen, bei Laune zu halten, ist es notwendig, neben einem polizeilichen Zwangsapparat in Form von in diesen stationiertem Militär Entertainer und Luxusgüter bereit zu halten. Hier kommt das schöne Konzept von Zuckerbrot und Peitsche zum Tragen, das die Menschen von sozialen Unruhen abhalten soll.
In der hier praktizierten Konstruktion von Politik und Gesellschaft gibt es keine Alternative zu dem bisherigen Entwicklungspfad der westlichen Gesellschaften. Bei der Betrachtung der Funktionsweise dieses Spiels kommt einem Horkheimers Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft sofort in den Sinn: Positivismus und Metaphysik - als Ausdruck des bürgerlichen Denkens - konvergieren ungeachtet ihrer sonstigen Gegensätze in einer gemeinsamen Abstraktion: der Fixierung auf Realität als einer statischen und ahistorischen Gegebenheit. Auch fällt einem Walter Benjamins Kritik am Historismus ein, der immer nur die Geschichte der Sieger schreibe. Dagegen gelte es, die Tradition der Unterdrückten zu bewahren. Besser kann man das Spielprinzip von Civilization - und was ihm fehlt - nicht beschreiben.
Kommen wir nun zu zwei expliziten Kriegsspielen, die ihre Narration offensichtlich der aktuellen Realität entlehnen.
3. Close Combat und Full Spectrum Warrior
Die beiden Kriegsspiele "Close Combat. First to Fight" und "Full Spectrum Warrior" widmen sich ganz offensichtlich dem Kampf gegen das "Böse". Das Böse ist hier in beiden Fällen, wie könnte es anders sein, der bärtige Moslem. Die Kriegsschauplätze sind meist Städte im Nahen Osten oder in fiktiven Ländern, die aber einen klaren Bezug zum Nahen Osten aufweisen - und leicht auf der "Achse des Bösen" verortet werden können. Diese, den Kampf gegen den Terrorismus aufgreifende Spiellogik ist sehr bestechend, greift sie doch auf Bilder und Narrationen zurück, die zur Zeit regelmäßig in den Medien verbreitet werden.
Insofern wird in diesen Spielen, mit klarem Bezug zur Realität, die Dichotomie "Gut - Böse" anhand der Identifikation mit westlichen, technisch stark überlegenen Militäreinheiten, die aus demokratischen und kapitalistischen Staaten kommen, und muslimischen Terroristen gezeichnet, die stets autoritäre, theokratische Regime im Sinn haben.
Aufgrund der Transmedialität dieser Spiele wird dem Spieler suggeriert, dass hier ein echter Konflikt ausgetragen wird und er Teil davon ist - und dabei auf der Seite der "Guten" steht. Dementsprechend wird dem Spieler durch Moscheen mit ihren Minaretten und dem Ruf des Muezzins deutlich gemacht, wer der Gegner ist. Auffällig ist auch, dass die Gegner in den Cutszenen immer brutal und rücksichtslos sind, die "Guten" aber jede Form des Kollateralschadens zu vermeiden suchen. Die Logik und Ideologie des Kampfs gegen den Terror, wie er von der "Koalition der Willigen" derzeit geführt wird, wird hier ungebrochen ins Spiel übertragen.
Während Civilization wenigstens noch so tut, als ob der Spieler frei ist in seinen Handlungen, ist der Spieler der beiden letztgenannten Spiele völlig der Narration des Spiels ausgeliefert und hat keinerlei Möglichkeit, sie zu ändern - was zugegebenermaßen auch am Genre liegt..
Educational bzw. Serious Games
Natürlich gibt es auch Spiele, die versuchen, spielerisch auf Dilemmata der Politik, z.B. der aktuellen Terrorbekämpfung, hinzuweisen. Paradigmatisch möchte ich hier zwei Spiele heraus greifen und zeigen, wie diese Spiele ihren Nutzern ihr Anliegen verständlich zu machen suchen.
Zuerst das Spiel 12th September auf Newsgaming.com, wobei die Bezeichnung "Spiel" besser durch "Lehrstück" ersetzt werden müsste. Dieses "Spiel" will zeigen, dass Gewalt die Probleme des fundamentalistischen Terrors nicht lösen kann. Das Spiel ist ganz einfach aufgebaut: Man sieht einen Eingangsbildschirm, auf dem Zivilisten und Terroristen abgebildet sind. Wenn man das Spiel beginnt, sieht man eine "arabische Stadt". Hauptsächlich Zivilisten sind unterwegs. Hie und da mal ein Terrorist. Nun hat man zwei Optionen: die Stadt mit Cruise Missiles zu beschießen oder nicht. Beschießt man sie, dann werden die Zivilisten weniger und die Terroristen mehr, beschießt man sie nicht, bleibt es, wie es ist. Das Spiel hat kein Ende.
Ein sehr viel aufwändigeres Spiel ist das Spiel des Welternährungsprogramms Food Force. Allerdings sind hier die erzählte Geschichte und die Regeln so stark im Vordergrund, dass kein Play aufkommen kann, und selbst ein Game ist nur selten möglich. Das WFP möchte mit diesem Spiel zeigen, wie Hungerbekämpfung und Entwicklungshilfe funktionieren, und dass Hungersnöte nur dann sinnvoll zu bekämpfen sind, wenn sie gekoppelt sind an langfristige Hilfe zur Selbsthilfe.
Dieses Spiel steht dem vorherigen insofern nach, da es nicht wirklich zum Nachdenken anregt und keine anderen Leistungen vom Spieler verlangt, als durch Trial and Error oder Geschicklichkeit das Maximum zu erreichen. Das Spiel ist also nur das Lockmittel, um eine Lektion über Hungerhilfe zu erteilen, anstatt den Spieler dazu zu bringen, sich spielerisch mit der angesprochenen Problematik zu beschäftigen.
These
Serious Games müssen die Bedeutung des Spielers und dessen Möglichkeiten, durch seine Interaktion auf das Spiel einzuwirken, ernst nehmen. Der Spieler muss wirkliche Gestaltungsmöglichkeiten haben Bei allen bisher besprochenen Spielen ist wenig bis nichts von Play, also dem freien Spiel, festzustellen: Die Freiräume, die dem Spieler gegeben sind, sind de facto unerheblich, man ist einem Zwangsapparat unterworfen, dessen Regeln man befolgen muss, will man das jeweilige Spielziel erreichen. Es gibt auch nicht die Möglichkeit, ein Spiel anders als vorgesehen zu beenden. Darüber hinaus stützen die Spiele alle die gegebene Realität, anstatt sie kritisch zu hinterfragen bzw. wenigstens aufzuzeigen, dass es auch anders ginge. (mit Ausnahme von 12th September)
Alle hier vorgestellten Spiele beinhalten zu einem gewissen Grad eine Konstruktion von Politik und Gesellschaft, wobei meine Lesart dieser Konstruktion(en) nicht unwidersprochen bleiben wird. So wird beispielsweise häufig von "Die Sims"-Spielern behauptet, dass dieses Spiel ironisch sei und die materialistische Konsumkultur unserer Gesellschaft auf den Arm nimmt.
Zum Schluss möchte ich noch eine - wenn auch unsystematische und empirisch nicht abgesicherte - Beobachtung zu den Multi User Spielen - MMORPGs anmerken: In diesen Spielen, sei es nun Everquest, Anarchy Online oder Warcraft, müssen sich die Spieler in der Regel einem Clan oder einer Gilde anschließen. Diese Clans und Gilden sind alle streng hierarchisch aufgebaut und haben einen strikten Regelkatalog und Verhaltensregeln. Die Frage, die sich mir stellt - und ich habe keine Antwort darauf - ist: Warum ist es für so viele Menschen so attraktiv, sich auch in ihrer Freizeit freiwillig in ein System einzuordnen, in dem sie mindestens genauso regelbestimmt sind und einem ebenso großen Konformitätsdruck unterliegen, wie in ihrem realen Leben. Woher kommt dieser Wunsch nach Heteronomie im virtuellen Leben? Ist es tatsächlich so, wie ich schon einige Male zu hören bekommen habe, dass man in seiner Freizeit nicht auch noch "Stress" haben wolle - mit dem impliziten Eingeständnis, dass Autonomie Stress bedeutet.
Die Beantwortung dieses Punktes dürfte für weitere Untersuchungen über die Gestaltung von Computerspiele wichtig sein, um diese auch erfolgreich in der politischen Bildung einsetzen zu können. Schließlich soll politische Bildung gerade die Autonomie des Einzelnen und demokratisches Verhalten lehren, wobei natürlich klar ist, dass Autonomie nicht bedeutet, dass jeder tun und lassen kann, was er möchte.
Dieser Artikel ist die Ausarbeitung eines Vortrags, der auf dem Workshop "Konstruktion von Politik und Gesellschaft in Computerspielen?" als Einleitungsvortrag gehalten wurde. Dieser Workshop hat am 19./20. Oktober dieses Jahres an der TU München stattgefunden und wurde in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung veranstaltet.