Afghanistan: Taliban schlagen bei einem Treffen von Generälen zu
Getötet wurden der Gouverneur von Kandahar, der Geheimdienstchef der Provinz und der berüchtigte Polizeichef. Der amerikanische Kommandeur von Resolut Support bleibt unverletzt
Die US-Nato-Mission Resolute Support in Afghanistan, die zur Aufgabe hat, das Land zu stabilisieren, gerät weiter in Schwierigkeiten. Bei einem Anschlag in Kandahar im Süden des Landes, das strategisch enorme Bedeutung hat, wurden der Gouverneur, der Chef des Geheimdienstes und der Polizeichef, der berüchtigte (*) General Abdul Raziq, getötet. Ebenfalls zugegen war US-General Austin "Scott" Miller, der unverletzt blieb.
Es handelte sich um ein Treffen wichtiger Führungspersönlichkeiten. Miller ist oberster Kommandeur von Resolute Support. Abgegeben wurden die tödlichen Schüsse angeblich von einem der Leibwächter des Gouverneurs von Kandahar, Zalmay Wesa. Zum Namen des Geheimdienstchefs wurden am späten Nachmittag keine verlässlichen Angaben gemacht.
Der Anschlag fand wenige Tage vor den Parlamentswahlen in Afghanistan statt. Sie sind für den kommenden Samstag anberaumt. Die Taliban haben deutlich signalisiert, dass sie Gegner der Wahlen sind und diese verhindern bzw. sabotieren wollen.
In diesem Zusammenhang ist auch die heutige Bluttat zu sehen, die von Beobachtern, wie Bill Roggio vom Long War Journal, herausgegeben vom Think Tank Foundation for Defense of Democracies (FDD, das den US-Neocons nahesteht), als bedeutender Schlag eingestuft wird, da der afghanische General Abdul Raziq als "mächtigste regierungsfreundliche Persönlichkeit im Süden" galt.
In einer öffentlichen Verlautbarung bekannten sich die Taliban zur "Operation" im Haus des Gouverneurs. Dabei machten sie geltend, dass auch der amerikanische Kommandeur Miller zum Ziel der mörderischen Aktion gehörte.
Das wird allerdings in einer Reaktionen eines Sprechers der US-Streitkräfte in Afghanistan, Colonel Dave Butler, anders dargestellt. Butler berichtet von einem "afghanisch-afghanischen Zwischenfall", bei dem zwar zwei US-Staatsangehörige verletzt wurden - aber nicht kritisch -, General Miller jedoch unverletzt blieb.
Bei den verletzten US-Staatsangehörigen soll es sich um einen Soldaten der regulären US-Streitkräfte handeln und um einen private Vertragspartner, auch ein Kollege einer anderen Nation wurde verletzt. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um Mitglieder einer Sicherheitsfirma.
Die Darstellung, wonach der Angriff nicht auf US-General Miller zielte, wird von einem anderen Autor des Long War Journals, Thomas Joscelyn, als "Spin" bezeichnet. Dem unterliegt die Auffassung, dass die US-Verantwortlichen großen Wert darauf legen, dass die Nachrichten aus Afghanistan nicht zu übel oder eben zu "realistisch hart" ausfallen. Das Long War Journal macht in den USA immer wieder darauf aufmerksam, dass das Gesamtbild, das von Verantwortlichen von der Situation in Afghanistan gezeichnet, geschönt ist.
Die Publikation hält seit längeren Zeit mit eigenen Einschätzungen dagegen. Regelmäßig werden Lageberichte veröffentlicht, die zeigen, dass die Taliban immer mehr Distrikte unsicher machen oder unter Kontrolle halten. Diese Darstellungen widersprechen denen aus der Regierung oder der Armeeführung.
In einem aktuellen Beitrag erklärt Bill Roggio die Bedeutung des afghanischen Polizeichefs Abdul Raziq, der in Afghanistan einen großen Namen als Gegner der Taliban hat. Roggio hält den heutigen Anschlag für den "vielleicht unverschämtesten in Afghanistan seit die USA in das Land infolge der Anschläge am 11. September 2001 einmarschiert sind".
Auch der französische Journalist und Dschihadbeobachter Wassim Nasr stellt fest, dass die Taliban mit der Infiltration der allernächsten Umgebung des Gouverneurs und der Durchführung einer derartigen Operation auf einem "hohen Niveau" vorgehen, da es dazu gute Vorbereitungen und Planung brauche.
Polizeichef Raziq wird als wichtigste Machtfigur im südlichen Afghanistan geschildert. Nach Angaben der afghanischen Tolo News war es ihm bis heute gelungen, 29 Anschläge auf seine Person zu überleben. Laut des New York Times-Korrespondenten weiß niemand im Land, wer nun in gleicher Weise für die Sicherheit im Süden des Landes eintreten könne.
* Im Beitrag wurde nachträglich "legendär" durch "berüchtigt" ersetzt, da gegen General Abdul Razeq Achakzai seit Jahren Vorwürfe wegen brutaler Menschenrechtsverletzungen erhoben worden waren.