Afghanistan à la française
Seite 2: Und wieder die gleichen Selbsttäuschungen
- Afghanistan à la française
- Und wieder die gleichen Selbsttäuschungen
- Auf einer Seite lesen
Die vom Westen angeführte Uno-Allianz geht mit den gleichen "guten" Absichten – Förderung von Demokratie und Menschenrechten, faire Regierungsführung und solider Staatsaufbau – ins malische Abenteuer wie nach Afghanistan.
Und ebenso wie am Hindukusch scheitern diese überzogenen Ziele im Wüstensand an den politischen Eliten und den egoistischen Ambitionen hoher Militärs, vergleichbar etwa mit den lokalen Warlords in den Provinzen rund um Kabul. Ihr Verhalten ist geprägt durch gewalttätige Machtkämpfe, Konkurrenz, Korruption und offene Wahlverschleppung. Sie beherrschen wie im fernen Orient das Doppelspiel, sich einerseits von der EU finanzieren zu lassen, andererseits aber deren Einheiten als Invasoren zu diffamieren.
Dabei haben sie noch die Chuzpe, ihre Verantwortung für die Probleme im Land auf die internationalen Schutztruppen abzuwälzen. Ungeachtet der immerhin 1.5000 Soldaten starken Präsenz der Uno fanden zwischen 2020/21 zwei Putsch-Aktionen statt, bei denen unliebsame Führungskräfte gestürzt wurden.
Die internationale Gemeinschaft verurteilt die Machtpoker der Militärs scharf, erreicht jedoch nichts. Die westafrikanische Wirtschaftsunion Ecowas hat das Land vorerst ausgeschlossen. Damit schlittert die ohnehin wirtschaftlich dahinsiechende Nation in die Isolation.
Ein konkretes Ziel, das insbesondere die Bundeswehr angehen soll, ist die systematische und effektive Ausbildung der malischen Soldaten. Sie gelten als unzureichend geschult und schlecht ausgerüstet. Obwohl die Uno-Truppen sie unterstützt, stehe die malische Armee heute noch auf verlorenem Posten, sei ein leichtes Ziel für Terroristen, da sind sich die westlichen Regierungen und Geheimdienste einig. Noch immer desertieren die Männer in Scharen, auch wegen der geringen Bezahlung.
In Afghanistan hat sich gezeigt, dass die Militärhilfe aus dem Ausland inklusive der Ausbildung von Offizieren und Mannschaften wenig wert war. Wenn der Generalinspekteur der Bundeswehr in einem Interview vor einer Entwicklung in Richtung "Worst-Case-Szenarien" warnt, stehen ihm sicherlich Bilder vor Augen, wie sie im August 2021 von dort gesendet wurden.
Wie sehr die Erwartungen des Westens einer Art "Machbarkeitshybris" verfallen, sieht man daran, dass man – so nebenbei – die unzähligen Migrationsrouten durch die Sahara abschneiden will, ohne zu bedenken, dass es sich um historisch gewachsene Wege handelt, die seit 500 Jahren von einheimischen Autoritäten gepflegt, verwaltet und kontrolliert werden.
Und jetzt? Chancen auf ein Ende ohne Schrecken
Militärisch ist die Krise in Mali nicht zu überwinden, sagen Sicherheitsexperten:innen schon lange, auch bei verantwortlichen Politikern:innen scheint diese Einsicht mittlerweile um sich zu greifen. Lieber abziehen als ausharren, das scheint inzwischen eine Tendenz der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zu sein. Auf keinen Fall will man den Afghanistan-Fehler wiederholen und am Ende dem wichtigsten Initiator, nämlich Frankreich in hektischem Abzug folgen.
Und genau dieses Szenario rutscht mit der jüngsten Ankündigung Macrons in den Bereich des Möglichen. Bereits zu Beginn des Jahres spielte Frankreichs Präsident öffentlich mit dem Gedanken, sich mit seinen 5.100 Soldaten zurückzuziehen, sollte Mali unter Goïta weiter in den radikalen Islamismus abdriften. Unter dem Eindruck der nachfolgenden Entwicklung hat sein Präsidialamt am 17. Februar die Reißleine gezogen.
Demnach wollen Frankreich, einige europäische Partner und Kanada ihre Militäreinsätze in Mali beenden. Das teilten sie in einer gemeinsamen Erklärung mit. Heißt im Klartext, dass sie nicht mehr an diese malischen Regierung glauben. Man würde aber in der Sahelzone weiterhin aktiv bleiben. So ganz will die ehemalige Kolonialmacht ihren Einfluss – das war zu erwarten – nicht aufgegeben. Vielleicht ist es auch ein Rückzug in Etappen.
Auf alle Fälle muss Frankreichs Abzugsankündigung Konsequenzen für den Verbleib der Bundeswehr vor Ort haben.
Ein "Weiter so" könne es so nicht geben, mahnte bereits vor Wochen der Generalinspekteur Zorn.
Auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) stellt den weiteren Mali-Einsatz nicht erst seit gestern infrage. Die Entscheidung Frankreichs dürfte ihre Skepsis hinsichtlich dieser heiklen Mission noch gestärkt haben. "Wir werden unser Engagement intensiv überprüfen müssen", sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht am 17.02. in einem Interview.
Denn die Fähigkeiten, die Frankreich erbracht hat, waren auch wichtig für unsere Soldatinnen und Soldaten – insbesondere in Bezug auf die Sicherheit.
In dieser Einschätzung liegt sie wohl auf einer Linie mit Außenministerin Annalena Baerbock, die zu Beginn des Jahres u. a. in einem Interview der Süddeutschen Zeitung offen die Frage gestellt hatte, ob die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Engagement noch gegeben seien.
Unter dem Eindruck solcher Äußerungen scheint es schwer vorstellbar, dass es im Mai noch einmal zu einer breiten Zustimmung der Abgeordneten:innen für den Einsatz der Bundeswehr in Mali kommt. Die Zeichen deuten eher auf eine Kehrtwende von historischer Bedeutung.
Zu wünschen wäre es, nicht nur im Hinblick auf die Unversehrtheit der Soldaten:innen, sondern auch vor dem Hintergrund der aktuellen Kriegslage in Osteuropa. Angesichts der bedrohlichen Entwicklung unmittelbar an den Grenzen der EU scheint es weitaus sinnvoller, die einsatzfähigen Ressourcen unserer "Verteidigungsarmee" dort zu stationieren, wo die europäische demokratische Grundordnung direkt gefährdet ist.