Afrika retten mit neoliberalen Parolen?

Bauern in Burkina Faso. Bild: Wikipedia / gemeinfrei

Afrika zu retten, ist derzeit ein großes Thema der deutschen Politik. Dass es nur um die Abwehr weiterer Migranten geht, will man nicht offen sagen …

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… Doch die Bundesregierung würde besser schweigen: Niemand ist schlechter geeignet, komplexe wirtschaftliche Probleme zu lösen.

Es ist unglaublich, aber im 17. Jahr des 21. Jahrhunderts sterben in Afrika immer noch und jetzt gerade wieder massenhaft Kinder an Unterernährung. Doch Deutschland steht bereit. Der deutsche Bundespräsident stellt sich betreten vor die Presse und bittet die deutsche Bevölkerung um Spenden, und die Bundeskanzlerin hat zu Beginn dieser Woche zu einem G 20-Afrika-Gipfel geladen, bei dem es nach offizieller Lesart darum geht, Afrika aus seiner Misere zu helfen.

Doch warum ruft der höchste Repräsentant des deutschen Staates in einer akuten Hungerkrise in einer nur peinlich zu nennenden Weise die Bevölkerung zu Klein-Spenden auf, statt die Bundeskanzlerin und den Finanzminister aufzufordern, sofort eine Milliarde Euro an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen zu überweisen, das die nötige Infrastruktur für schnelle Hilfe vor Ort besitzt, aber chronisch unterfinanziert ist.

Muss Deutschland darauf warten, dass auch andere Länder etwas bezahlen, weil die Symmetrie der Beiträge zu wahren ist? Müssen noch viel mehr Kinder sterben, weil man sich politisch nicht darauf einigen kann, dass ein Land vorangeht und einmal etwas Besonderes gegen den akuten Hunger tut?

Schein-Afrika-Politik

Auch sollte sich der Bundespräsident fragen, ob sein humanitärer Aufruf an die Bevölkerung glaubwürdig ist in einer Zeit, wo Deutschland nichts im Sinn hat, als eine Schein-Afrika-Politik zu betreiben, bei der es gar nicht um Afrika, sondern nur um die Abwehr weiterer Flüchtlinge geht. Die Schweizer NZZ hat das auf den Punkt gebracht: "Die Angst vor mehr Afrikanern in Deutschland ist stärker als die Sorge um den Kontinent."

Hat nicht gerade erst der deutsche Entwicklungshilfeminister einen "Marshall-Plan für Afrika" auf den Weg gebracht, der in Afrika nicht gerade auf Begeisterung gestoßen ist? Warum sagt man der deutschen Bevölkerung nicht ehrlich, dass dieser Plan jetzt auf einmal "Marshall-Plan mit Afrika" heißt? Die Umbenennung bedeutet nichts anderes, als dass sich die Afrikaner verbeten haben, dass mal wieder etwas von den "führenden Ländern" über ihre Köpfe hinweg beschlossen wird?

Ich habe es schon oft gesagt (hier zum Beispiel) und will es nicht dauernd wiederholen, aber warum fragt man nicht ein einziges Mal, wieso die Politik von IWF und Weltbank, die seit vielen Jahrzehnten in Afrika die Wirtschaftspolitik beraten und zum Teil diktieren, so wenig gebracht hat, dass es im 21. Jahrhundert immer noch Hungersnöte gibt. Und wieso muss die deutsche Politik jetzt private Investoren auffordern, sich in Afrika zu engagieren, wo klar ist, dass private Investoren ohne kohärente Wirtschafts- und Finanzpolitik in den afrikanischen Ländern mehr Schaden als Nutzen bringen.

Und schließlich ist die damit zusammenhängende Frage zu beantworten, warum man die Hoffnung haben soll, dass eine Bundesregierung, die sich als vollkommen unfähig erwiesen hat, Europa und die Europäische Währungsunion aus einer langjährigen Krise zu führen, die weitaus komplexere Situation in Afrika erfassen und lösen können sollte. Warum sollte ein deutscher Finanzminister, der in Griechenland gezeigt hat, wie man ein Land ohne Rücksicht auf Verluste komplett vor die Wand fährt, in Niger erfolgreich sein?

Bloß keine Hilfe

Nein, die Afrikaner haben vollkommen Recht, wenn sie solche "Hilfe" ablehnen oder ihr zumindest sehr skeptisch gegenüberstehen. Nichts wäre schlimmer als noch ein paar deutsche Organisationen und "Experten", die sich unter die übrigen "Helfer" mischen und endgültig verhindern, dass Entwicklungspolitik und Wirtschaftspolitik auf einen vernünftigen Nenner gebracht werden. Afrika und anderen Entwicklungsländern dauerhaft helfen kann man nur, wenn man angemessene Konzepte für die interne Politik und für die Kooperation der Staaten hat.

Europa hat mit seinen EPAs (siehe hier und hier Berichte dazu), seiner Rohstoffpolitik und seinem Freihandelswahn bisher mehr Schaden angerichtet als Nutzen gestiftet.

Wer das ändern will, muss sich vom Neoliberalismus als Leitfigur der Wirtschafts- und der Entwicklungspolitik lossagen. Darunter geht es nicht. Wer das nicht will, sollte großzügige humanitäre Hilfe geben, sich aber konzeptionell vollständig enthalten. Größeren Schaden als mit planlosem Neoliberalismus kann man in Entwicklungsländern wie in Industrieländern nicht anrichten.

Der Text wurde mit freundlicher Genehmigung von der Website Makroskop übernommen. Deren Herausgeber Heiner Flassbeck und Paul Steinhardt sehen ihre Aufgabe darin, "das massive Versagen der Politik zu thematisieren und Lösungswege aufzeigen, die sich auch am Interesse derjenigen orientieren, die in der Gesellschaft keine eigene Stimme haben".