Agenten ohne Beweise für russische Desinformationkampagne
Bundesregierung hält den Bericht unter Verschluss
Die Frage ist nicht leicht zu beantworten: Streut Russland in Deutschland Desinformationen? Zumindest steht der Verdacht seit geraumer Zeit im Raum. Nun sind die deutschen Geheimdienste über einem Zeitraum von fast einem Jahr der Frage nachgegangen, doch sie haben nichts gefunden, was belastbar den Verdacht untermauern könnte. Das geht aus einem Bericht hervor, der NDR, WDR und SZ vorliegen soll.
Georg Mascolo, ehemaliger Chefredakeur des Spiegels und Leiter des Rechercheverbundes NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung, schreibt auf einem Beitrag auf tagesschau.de, dass aus Regierungskreisen die Botschaft verlautet: "Wir haben keine Smoking Gun gefunden." Laut Mascolo wollte die Regierung zumindest einen Teil des Berichtes zur Veröffentlichung freigeben, da man gerne öffentlich die Interventionen Russlands präsentieren wollte. "Wir hätten gerne die gelbe Karte gezogen", wird ein "Sicherheitsexperte" zitiert.
Aber da keine Beweise vorliegen, halte die Regierung eine Veröffentlichung des 50-seitigen Geheimdienstberichts für nicht sinnvoll, schließlich würde dies nur zu einer weiteren Belastung der ohnehin angeschlagenen Beziehungen zu Russland führen. Auch wenn die Geheimdienste keine Beweise für mögliche Beeinflussungsversuche Russlands in der deutschen Öffentlichkeit vorfinden konnten, heißt das nicht, dass damit die Angelegenheit vom Tisch ist. Das Kanzleramt habe angeordnet, weiter der Sache nachzugehen.
Der Bericht der Dienste legt aber nahe, dass der Kurs, den Russland seit 2014 gegenüber Deutschland eingeschlagen habe, "konfrontativ" sei. Inbesondere die Berichterstattung russischer Medien wie RT Deutsch oder Sputnik News seien regelrecht "feindselig". Auch bei der Auseinandersetzung mit Erzeugnissen dieser Medien könne man nur sehr schwer die Grenzen zwischen falscher Berichterstattund und Desinformation ziehen.
Auch im Hinblick auf den "Fall Lisa", bei dem es um eine angebliche Vergewaltigung eines 13-Jährigen russlanddeutschen Mädchens durch "südländisch aussehenden" Männer ging, konnten die deutschen Dienste nicht nachweisen, dass Russland eingegriffen habe. Damals kam es zu Demonstrationen von Russlanddeutschen vor dem Kanzleramt. In den Medien wurde darüber spekuliert, dass Russland tiefenpolitisch die Proteste organisiert haben könnte. In dem aktuellen Bericht heißt es nun jedoch, dass dieser Verdacht "in keinem der Fälle nachgewiesen werden" konnte.
Mascolo schreibt im Hinblick auf die fehlenden Beweise für eine Desinformationskampagne in Deutschland: "... aus der schwierigen Suche nach den Beweisen lassen sich zwei Schlüsse ziehen. Entweder gibt es den vermuteten Angriff durch Russland nicht. Oder die russischen Dienste sind schlau genug, sich nicht erwischen zu lassen. Die deutschen Agenten neigen eindeutig zur zweiten Version."