Al Tanf: Schlacht um syrisch-irakischen Grenzübergang in der Wüste
Nachdem die Macht des Islamischen Staats schwindet, schaukeln sich die Kämpfe um die Aufteilung Syriens und strategisch wichtige Regionen auf
Die US-Streitkräfte haben seit etwa einem Jahr einen Stützpunkt in Al Tanf an der syrisch-irakischen Grenze aufgebaut. Dort werden angeblich Kämpfer der von den USA unterstützten Rebellengruppe Jaysh Maghawir al-Thawra weiter ausgebildet, sie hatten meist schon Training und Waffen in Jordanien erhalten. Letztes Jahr hatten die Rebellen den nahe Jordanien und mitten in der Wüste gelegenen strategischen Grenzübergang al-Walleed vom IS erobert, über den die Autobahn von Damaskus nach Bagdad führt. Zudem ist die Region wichtig, um auch von Jordanien aus Richtung Deir Ezzor und schließlich nach Raqqa vorzustoßen und einen Riegel zwischen Damaskus und den irakischen Schiitenmilizen aufzubauen.
Seit Mai sind offene Kämpfe um den Grenzpunkt zwischen von Russland und Iran unterstützten syrischen Verbänden und von den USA unterstützten Rebellen ausgebrochen. Auch die irakischen Schiitenmilizen hatten angekündigt, die Grenze vom Irak zu besetzen, um so einen Korridor nach Damaskus und bis in den Libanon aufzubauen. Das würde die Assad-Truppen weiter stärken, die sich schon vielfach auf schiitische Milizen stützen.
Dagegen erhebt sich mit den USA eine Front von mehrheitlich sunnitischen Ländern und nicht zuletzt Israel, die mit allen Kräften eine solche Achse Iran-Libanon mit einer Landverbindung zwischen Teheran und Damaskus verhindern wollen. Die irakische Regierung, die von den schiitischen Milizen, den Hashad al-Shaabi, auch wegen der Verbindung zu Washington unter Druck steht und überdies überkreuz mit den irakischen Kurden liegt, die sich von Bagdad lösen wollen, versucht sich zwischen den Fronten durchzumogeln, ohne wirklich Stellung zu beziehen, weswegen gerade sowohl Saudi-Arabien als auch Iran von Regierungschef Abadi besucht wurde.
Da der Islamische Staat weiter abgedrängt wird und seine Tage gezählt sind, verschärft sich der Streit um die Aufteilung von Syrien. Die USA, die den Stützpunkt mit mehr Soldaten und Waffen wie HIMARS-Mehrfachraketenwerfer aufgerüstet haben, schrecken nicht mehr davor zurück, direkt syrische Truppen und Flugzeuge anzugreifen. Begonnen wurden die offenen Kämpfe spätestens am 18. Mai, als US-Kampfflugzeuge einen Verband schiitischer Milizen bombardierten, der mit Panzern und schwerem Gerät Richtung al Tanf vorrückte. Angeblich seien alle Fahrzeuge zerstört worden.
Danach griffen US-Flugzeuge am 8. Juni erneut einen pro-syrischen Konvoi an und schossen die Amerikaner ein syrisches Kampflugzeug bei Raqqa und zwei iranische Kampfdrohnen bei al Tanf ab. Damit macht das Pentagon klar, dass womöglich gar ein Konflikt direkt mit russischen Streitkräften in Syrien riskiert wird, um die strategische Grenzregion unter Kontrolle zu halten.
Tatsächlich baut sich hier ein gefährlicher Konflikt auf, der das Zeug hat, zum Zünder eines Flächenbrands zwischen den vielen lokalen, regionalen und internationalen Kräften und Interessen zu werden. Vor allem Teheran und Damaskus ist daran gelegen, hier keinen sunnitisch-amerikanischen-israelischen Riegel entstehen zu lassen. So soll nach Medienberichten der Iran bei Palmyra, nicht weit entfernt von al Tanf einen Luftwaffenstützpunkt aufgebaut haben, sagen Quellen aus dem Pentagon. Von dort aus könnten die beiden Kampfdrohnen gestartet sein, die von der US-Luftwaffe abgeschossen wurden. Zumindest sollen dort iranische Kampfdrohnen des Typs Shahed-129 stationiert sein. Ob sie von Iranern oder Syrern betrieben werden, scheint den Amerikanern nicht bekannt zu sein, vielleicht wollen sie es auch nicht sagen und offenhalten.
Die USA haben auf syrischem Territorium eine 55 Kilometer große Schutzzone um den Stützpunkt erklärt und gedroht, jedes Flugzeug, das dort eindringt, abzuschießen. Die Drohung wurde umgesetzt und ist damit glaubhaft demonstriert worden. Nach Rechtmäßigkeit fragt im Syrien-Krieg sowieso schon lange niemand mehr. Im Gegensatz zu den Amerikanern halten sich nach der weiterhin offiziellen syrischen Regierung iranische, irakische und russische Verbände zu ihrer Stützung und zum Kampf gegen den Terrorismus im Land auf.
Russisch-amerikanische Provokationen nehmen zu
Dass die Spannung hoch ist, beweisen auch die Vorfälle zwischen amerikanischen und russischen Militärmaschinen über der Ostsee. Beide bezichtigen die jeweils andere Seite, am Montag eine riskante Begegnung zwischen einem Su-27-Kampfflugzeug und einem amerikanischen Spionageflugzeug provoziert zu haben. Die Flugzeuge wären nur noch 2 Meter voneinander entfernt gewesen. Wer auch immer den Vorfall provoziert hat, scheint es darauf angelegt zu haben, den Konflikt zu verschärfen und jede Annäherung zwischen Russland und den USA zu verhindern. Die neuen US-Sanktionen gegen russische Personen und Organisationen belegen den Konfrontationskurs zumindest seitens eines Teils der US-Regierung.
Gestern kam es zum nächsten Zwischenfall, berichten russische Medien und das russische Verteidigungsministerium. Angeblich soll sich eine F-16 einem von einer SU-27 begleiteten russischen Militärflugzeug genähert haben, in der der russische Verteidigungsminister Shugoi auf dem Weg nach Kaliningrad saß. Die SU-27 habe ihre Waffen gezeigt, wonach die F-16 abgedreht sei. Nach dem Pentagon habe man nicht gewusst, dass der russische Verteidigungsminister an Bord gewesen sei und habe nur eine Standardkontrolle ausgeführt. Auf dem Rückweg nach Moskau wurde die Maschine des Verteidigungsministers von mehreren Kampfflugzeugen begleitet. Nato-Flugzeuge seien der Maschine gefolgt, aber in größerer Entfernung.
Das sind, wie andere Begegnungen der provokativen Art, eher pubertäre Machtdemonstrationen nach der militärischen Logik, den starken Mann zeigen zu müssen, aber sie riskieren eine schnelle Eskalation, wenn nicht eben diese gesucht wird.