Amerikas Angst vor sich selbst

Das Backwood-Slasher-Revival und das nationale Unbehagen

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Dass das amerikanische Genrekino dazu neigt, unterschwellige Befindlichkeiten und Ängste der Nation in unterhaltsame Reißer umzumünzen, ist spätestens seit den auf die Kommunistenhatz unter McCarthy reagierenden Alien-Paranoia-Filmen offensichtlich. Naheliegend, dass auch der 11. September 2001 und seine Folgen in Form von Feldzügen in Afghanistan und im Irak Spuren im Mainstream hinterlassen würden. Naheliegend auch, dass dazu ein totgeglaubtes Genre als Projektionsfläche dient, das schon einmal, in den 1970ern, das nationale Unbehagen bezüglich der eigenen weltpolitischen Rolle zum Ausdruck brachte: das Backwood-Movie, im wesentlichen geprägt durch Tobe Hoopers suggestiven Klassiker Texas Chainsaw Massacre und Wes Cravens brutalen Hills Have Eyes.

Bild: Texas Chainsaw Massacre. The Beginning

In beiden Filmen trifft ein unschuldiges Amerika (im Fall Texas Chainsaw Massacre die Jugend in Form von freundlichen Hippie-Mädchen, in Hills Have Eyes der gutgelaunte Familienverband auf Urlaubsreise) auf derangierte, hinterwäldlerische und gewalttätige Facetten derselben Nation. Bei Hooper handelte es sich um offensichtlich durch Inzest degenerierte Rednecks, während Craven schon in der Grundkonstellation auf politische Verantwortlichkeiten verweist: Pluto und seine Gang sind offenbar durch Atombomben-Tests der US-Regierung zu dem geworden, was sie sind: ein übler Haufen von sadistischen Menschenfresser-Mutanten.

Nach dem kollektiven Schock vom 11. September wurde die Maschinerie in Gang gesetzt, um mit Wrong Turn das damals tote Backwood Genre wiederzubeleben. Wrong Turn war eine rasante und unterhaltsame Inszenierung; allerdings eine, die der im Großen und Ganzen seit 1974 bekannten Formel nichts neues hinzufügen konnte. Interessanter war die öffentliche Rezeption des Gezeigten. Selbst in der BRD, wo dieser Film zu Hochzeiten des Video-Booms ohne Zweifel mit einer Beschlagnahme wegen Gewaltverherrlichung hätte rechnen müssen, wurde die ungeschnittene Fassung veröffentlicht. Damit nicht genug, wurde der Film ab 16 freigegeben. Eine interessante Verschiebung der Wahrnehmung und Bewertung von filmischer Gewaltdarstellung - hier spielt sicher auch die Konzentration von Zensurbestrebungen auf sogenannte "Killer-Spiele" eine Rolle.

Michael Bay und Wes Craven

Etwa zum Start des Films wurde das Horror-Fandom durch eine Meldung erschüttert, mit der niemand gerechnet hätte. Hollywood-Tycoon Michael Bay (der sich durch Werke wie Pearl Harbour, Bad Boys oder Armageddon den zweifelhaften Ruf erworben hatte, DER Produzent von glatten Popcorn-Kino schlechthin zu sein) kaufte die Franchise-Rechte an Texas Chainsaw Massacre und nahm die Arbeiten zu einem Big-Budget-Remake des legendären C-Movies auf. Michael Bay's Texas Chainsaw Massacre startete im Herbst 2003 und verblüffte die aufgrund von Bays Vorleben mit einem blutleeren, gelackten No-Brainer rechnende Gemeinde nachhaltig: Der Film bot die grausamsten Gewalt-Darstellungen, die das amerikanische Mainstream-Kino bis zu diesem zeitpunkt gesehen hatte.

Bis zu diesem Zeitpunkt - muss man betonen - denn auch Genre-Mitbegründer Wes Craven, wie Tobe Hooper ein Kind der Hippie-Szene der späten 1960er, konnte angesichts der Weltlage nicht mehr an sich halten. Im Gegensatz zu Hooper verkaufte er die Rechte an Hills Have Eyes aber nicht, sondern nahm das Remake des Schockers selbst in Angriff. Während Hooper, abgesehen von Poltergeist, nach dem originalen Texas Chainsaw Massacre reihenweise finanzielle, oft auch künstlerische Flops produzierte, hatte Craven durch die Erfolge der von ihm entwickelten Horror-Erfolgsreihen A Nightmare On Elm Street und Scream die Möglichkeit, die Fäden bei diesem Projekt als ausführender Produzent selbst zu ziehen.

Seine wichtigste Entscheidung: Er lud den jungen Franzosen Alexandre Aja ein, auf dem Regiestuhl Platz nehmen. Aja hatte mit der 2003 erschienenen französischen Produktion Haute Tension einen frühen exotischen Beitrag zum Backwood-Revival gedreht, der genreüblichen Gewaltorgie jedwede comichafte Abmilderung (etwa im Stil von Peter Jackson's Braindead verweigert und so einen weltweit erfolgreichen Coup in Sachen ernsthaft verstörender Independent-Horror gelandet. Gerade dieser Hang zum unbarmherzigen Realismus ist auch das Auffällige am regelrecht menschenverachtend wirkenden Hills Have Eyes - dazu gesellen sich aber gesellschaftspolitische Aussagen, die konkret formulieren, was das 1977er Original als Deutungsmöglichkeit anbot - wie der Tenor der Rede eines der Hauptmutanten: "Wir sind nur das, was die Regierung aus uns gemacht hat".

Texas Chainsaw Massacre - The Beginning

Ebenso grausam, aber in der Aussage noch deutlicher geriet der nach dem großen Erfolg des Remakes zügig nachgeschobene Texas Chainsaw Massacre - The Beginning1, für den sich Michael Bay wiederum mit Tobe Hooper und Kim Henkel (Drehbuch Teil 1, Regie Teil 4) zusammentat. Schon zu Beginn des Films bekommt der American Way Of Life sein Fett weg. Als Rechtfertigung des Untertitels "The Beginning" (und um dem zum sechsten Mal verfilmten Plot immerhin eine neue Nuance abzugewinnen) wird uns die Geburt des Haupttäters Leatherface vorgeführt: Eine hochschwangere Arbeiterin darf nicht einmal eine Pinkelpause einlegen und muss ihr Kind deshalb während der Arbeitszeit in der Fleischfabrik auf dem Hallenboden zur Welt bringen. Die höchst unangenehm dargestellte Geburt bringt ein missgestaltetes Kind hervor, das von der jungen Mutter flugs im nächsten Müllcontainer entsorgt wird - sie will auf keinen Fall ihren Job verlieren!

Eine Redneck-Dame, deren Sohn Hoyt im Korea-Krieg zum Kannibalen wurde, birgt den Säugling und zieht ihn auf. Michael Hewitt, so der Name des Findlings, lernt später in der örtlichen Schlachterei das Metzgerhandwerk. Dann allerdings wird die Fabrik unrentabel, so dass sich Industrie wie Arbeiter aus der Gegend zurückziehen. Die Hewitts sind der einzige Clan, der vor Ort bleibt - Inzest betreiben sie schon länger, also brauchen sie eigentlich niemanden. Denn für die Ernährung der Familie fühlt sich Hoyt zuständig, der den einzigen Cop der Gegend ermordet, um, ausgestattet mit dessen Uniform, junge Reisende zu "verhaften" und nach alten Rezepten aus seiner Kriegszeit zuzubereiten.

Damit nicht genug. Da der Film 1969 spielt, sind die männlichen Opfer natürlich gerade nach Vietnam einberufen worden; einer will, der andere nicht. Wenn nun Sherrif Hoyt die beiden "Rekruten" auf dem Hof verschärft exerzieren lässt, weil er sie für Hippies und Verweigerer hält, bevor sie Leatherface mit seiner Kettensäge zerlegt, wird endgültig klar, worauf Film wie Genre hinauswollen: Das alte, stumpfe, von Ressentiments erfüllte Amerika frisst seine unschuldige Jugend. Da passt es wie die Faust auf's Auge, dass dies der erste Film der Reihe (und einer der ganz wenigen des ganzen Genres) ist, der wirklich alle seine jugendlichen Helden hinschlachten lässt und somit einen uneingeschränkten Triumph des Bösen als Finale präsentiert - des Bösen, das sich als Staatsmacht präsentiert.