Amerikas Rottweiler gegen den Dobermann des Iran

Das Hauptergebnis des Libanon-Krieges ist Hass

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In seiner letzten Rede, die so viele Menschen verärgerte, äußerte der syrische Präsident Bashar al-Assad einen Satz, der Aufmerksamkeit verdient: „ Jede neue arabische Generation wird Israel mehr hassen als die vorhergehende.“ Von allem, was bis jetzt über den 2. Libanonkrieg gesagt wurde, ist dies vielleicht der wichtigste Satz.

Das Hauptergebnis dieses Krieges ist Hass. Die Bilder von Tod und Zerstörung im Libanon kamen in jedes arabische Haus, vielleicht in jedes muslimische Haus, von Indonesien bis Marokko, vom Jemen bis zu den muslimischen Gettos in London und Berlin. Nicht nur eine Stunde lang, nicht nur einen Tag lang, sondern während 33 aufeinander folgenden Tagen, Tag für Tag und Stunde um Stunde. Die verstümmelten Leichen der Babys, die weinenden Frauen über den Ruinen ihrer Häuser, die israelischen Mädchen, die „Grüße“ auf Granaten schrieben, die dann auf libanesische Dörfer abgeschossen werden sollten. Ehud Olmerts Geplapper über „die moralischste Armee der Welt“, während auf den Bildschirmen Leichenberge gezeigt wurden.

Die Israelis ignorierten diese Szenen, die tatsächlich kaum auf unsern Bildschirmen gezeigt wurden. Wir konnten sie natürlich bei Al-Dschasira und auf einigen westlichen Kanälen sehen. Aber die Israelis waren viel zu sehr mit den Zerstörungen beschäftigt, die in unsern nördlichen Städten angerichtet worden waren. Gefühle des Mitleids und Empathie für Nicht-Juden sind hier seit langem abgestumpft.

Aber es ist ein schrecklicher Fehler, die Ergebnisse dieses Krieges zu ignorieren. Es ist bei weitem wichtiger als die Stationierung von ein paar Tausend europäischer Soldaten an unserer Grenze mit dem freundlichen Einverständnis der Hisbollah. Dies mag noch Generationen von Israelis beunruhigen, auch wenn die Namen von Olmert und Halutz längst vergessen wurden und sogar Nasrallah sich nicht mehr an den Namen von Amir Peretz wird erinnern können.

Um die Bedeutung von Assads Worten zu verstehen, müssen sie in einem historischen Kontext gesehen werden. Das ganze zionistische Unternehmen ist mit einer Organtransplantation in einen menschlichen Körper verglichen worden. Das natürliche Immunsystem revoltiert gegen ein fremdes Implantat, der Körper mobilisiert alle seine Kräfte, um es wieder los zu werden. Die Ärzte benutzen eine hohe Dosis Medizin, um diesen Widerstand des Körpers zu überwinden. Das kann eine ganze Zeit lang dauern, manchmal bis zum Tod des Körpers selbst, einschließlich des transplantierten Organs. (Natürlich sollte dieser Vergleich - wie jeder andere auch – vorsichtig verwendet werden. Aber ein Vergleich kann helfen, Dinge besser zu verstehen, aber eben auch nicht mehr als das).

Die zionistische Bewegung hat einen fremden Körper in dieses Land gepflanzt, das damals ein Teil der arabisch-muslimischen Welt war. Die Einwohner des Landes und der ganzen arabischen Region lehnten die zionistische Entität ab. Inzwischen hat die jüdische Ansiedlung hier Wurzeln geschlagen und ist zu einer echten neuen Nation geworden, die in diesem Lande verwurzelt ist. Seine Verteidigungskraft gegen die Zurückweisung ist gewachsen. Dieser Kampf dauert nun schon 125 Jahre und wird von Generation zu Generation immer gewalttätiger. Der letzte Krieg war nur eine weitere solche Episode.

Was ist bei dieser Auseinandersetzung unser historisches Ziel? Ein Dummkopf wird sagen: Eine höhere Dosis Medikamente verabreichen, die von Amerika und den Juden in aller Welt geliefert werden. Der größte Dummkopf wird hinzufügen: Es gibt keine Lösung. Diese Situation wird auf immer so bleiben. Dagegen kann nichts gemacht werden, außer dass wir uns in einem Krieg um den anderen verteidigen. Und der nächste Krieg klopft schon an unsere Tür.

Der Weise wird sagen: Unser Ziel ist es, dass der Körper das eingepflanzte Organ als seines akzeptiert, damit sein Immunsystem uns nicht weiter wie einen Feind behandelt, der um jeden Preis abgestoßen werden muss. Und wenn dies das Ziel ist, müssen unsere Bemühungen in erster Linie in diese Richtung gehen. Das heißt: Jede unserer Aktionen muss gründlich an diesem einfachen Kriterium überprüft werden: Dient es unserem Ziele oder behindert es dieses?

Nach diesem Kriterium war der zweite Libanonkrieg eine Katastrophe.

Vor 59 Jahren - zwei Monate vor unserm Unabhängigkeitskrieg – veröffentlichte ich eine Broschüre mit dem Titel „Krieg oder Frieden in der semitischen Region“. Die Einleitungsworte lauteten:

Als unsere zionistischen Väter entschieden hatten, in Palästina einen „sicheren Hafen“ für das jüdische Volk zu schaffen, hatten sie die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: Sie konnten in Kleinasien wie europäische Eroberer erscheinen, um einen Brückenkopf der „Weißen“ zu bilden und sich den Eingeborenen wie Herrenmenschen zu verhalten - eben wie die spanischen Konquistadoren oder die angelsächsischen Kolonisten in Nordamerika. So hatten sich die Kreuzfahrer in Palästina verhalten.

Die andere Möglichkeit wäre die: sich als asiatisches Volk zu betrachten, das wieder zurückkommt, ein Volk, das sich als Erbe des politischen und kulturellen Erbes der semitischen Rasse sieht und das bereit ist, sich den Völkern der semitischen Region im Kampf gegen die europäische Ausbeutung anzuschließen.

Wie nur zu gut bekannt ist, wählte der Staat Israel, der ein paar Monate später gegründet wurde, den ersten Weg. Er reichte der französischen Kolonialmacht die Hand und versuchte Großbritannien zu helfen, an den Suezkanal zurückzukehren, und seit 1967 ist es der kleine Bruder der Vereinigten Staaten geworden.

Das war unvermeidbar gewesen. Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Anzeichen dafür, dass das Immunsystem der arabisch-muslimischen Welt damit begann, dass Transplantat (Israel) aufzunehmen - wie ein menschlicher Körper das Organ eines nahen Verwandten annimmt – und uns zu akzeptieren. Solch ein Anzeichen war der Besuch von Anwar Sadat in Jerusalem. Auch der Friedensvertrag, der mit König Hussein, einem Nachkommen des Propheten Mohammed, geschlossen wurde. Und vor allem die historische Entscheidung Yassir Arafats, des Führers des palästinensischen Volkes, mit Israel Frieden zu machen.

Aber nach jedem großen Schritt vorwärts kam ein israelischer Schritt zurück. Es ist so, als ob das Transplantat die Akzeptanz des Körpers ablehne. Als ob es sich daran gewöhnt habe, zurückgewiesen zu werden, und nun alles dafür tut, den Körper dahin zu bringen, es noch heftiger zurückzuweisen.

Auf diesem Hintergrund sollte man die von Assad jr. nach dem letzten Krieg geäußerten Worte abwägen – er ist selber ein Teil der neuen arabischen Generation.

Kampf der Kulturen

Alle von unserer Regierung anvisierten Kriegsziele haben sich zwar eines nach dem anderen in Luft aufgelöst – nun wurden neue Gründe aufgetischt: „Der Kampf der Kulturen“, die große Kampagne der westlichen Welt und ihre hochnäsigen Werte gegen die barbarische Finsternis der islamischen Welt.

Das erinnert einen natürlich an die Worte Theodor Herzls, des Gründers des modernen Zionismus, die er vor 110 Jahren im Gründungsdokument der zionistischen Bewegung („Der Judenstaat“) schrieb: „Für Europa würden wir dort ein Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen.“ Ohne es zu wissen, wiederholte Olmert diese Idee als Rechtfertigung für diesen Krieg, um Präsident Bush zu gefallen.

Von Zeit zu Zeit erfindet in den USA jemand einen leeren, aber leicht verständlichen Slogan, der dann für einige Zeit den öffentlichen Diskurs beherrscht. Je dümmer der Slogan ist, um so größer sind seine Chancen, dass er für die Welt der Akademiker und der Medien ein Leitstern wird, bis ein anderer Slogan erscheint und den vorherigen ersetzt. Das letzte Beispiel ist der Slogan vom „Kampf der Kulturen“, der 1993 von Samuel Huntington geprägt wurde.

Was für ein „Kampf“ besteht zwischen dem muslimischen Indonesien und dem christlichen Chile? Welch ewiger Kampf besteht zwischen Polen und Marokko? Was verbindet Malaysia mit dem Kosovo, zwei muslimischen Staaten? Oder zwei christliche Staaten wie Schweden und Äthiopien?

In welcher Weise sind die Ideen des Westens erhabener als die des Ostens? Die Juden, die den Flammen der Ketzerverbrennung der christlichen Inquisition in Spanien entronnen sind, wurden mit offenen Armen vom muslimisch-ottomanischen Empire aufgenommen. Der in einem der kultiviertesten europäischen Völker demokratisch als Führer gewählte Adolf Hitler beging den Holocaust - ohne dass der Papst protestierend seine Stimme erhob.

In welcher Weise sind die geistigen Werte der Vereinigten Staaten, der Großmacht des Westens, denen von Indien und China, den aufstrebenden Mächten des Ostens, überlegen? Huntington war gezwungen, selbst zuzugeben: „Der Westen gewann die Welt nicht durch die Überlegenheit seiner Ideen oder Werte oder der Religion, vielmehr durch seine Überlegenheit, organisierte Gewalt anzuwenden. Die Euro-Amerikaner vergessen oft diese Tatsache – der Rest der Welt nicht.“ Auch im Westen erlangten die Frauen erst im 20. Jahrhundert das Wahlrecht, und die Sklaverei wurde erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts abgeschafft. Und in der führenden Nation des Westens erhebt der Fundamentalismus jetzt sein Haupt.

Um Gottes willen, welches Interesse haben wir, bei diesem eingebildeten „Kampf“ freiwillig eine politische und militärische Vorhut des Westens zu sein?

Die Wahrheit ist natürlich, dass diese ganze Geschichte vom „ Kampf der Kulturen“ nichts anderes als ein ideologischer Deckmantel für etwas ist, das keinerlei Zusammenhang mit Ideen und Werten hat: nämlich der Entscheidung der USA, die Bodenschätze der Welt, insbesondere die des Öls, zu beherrschen.

Kampf um die Vorherrschaft

Der zweite Libanonkrieg wird von vielen als Stellvertreterkrieg angesehen. Das soll heißen, dass die Hisbollah der Dobermann des Iran und wir der Rottweiler der USA sind. Die Hisbollah erhält ihr Geld, die Raketen und die Unterstützung von Seiten der islamischen Republik; wir erhalten das Geld, die Streubomben und die Unterstützung von den USA.

Das ist sicher übertrieben. Die Hisbollah ist eine echte libanesische Bewegung, die tief in der schiitischen Gemeinschaft verwurzelt ist. Die israelische Regierung hat ihre eigenen Interessen (die besetzten Gebiete), die nicht von Amerika abhängen. Aber zweifellos stecken in den Argumenten auch einige Wahrheiten, dass dies auch ein Stellvertreterkrieg war.

Die USA kämpfen gegen den Iran, weil der Iran eine Schlüsselrolle in der Region innehat, in der die bedeutendsten Erdölreserven der Welt lagern. Nicht nur, dass der Iran selbst auf einem großen Öllager sitzt – seine revolutionäre islamische Ideologie bedroht auch die amerikanische Kontrolle der umliegenden Ölländer. Die geringer werdenden Erdölressourcen werden für die moderne Wirtschaft immer wichtiger. Derjenige, der das Öl kontrolliert, kontrolliert auch die Welt.

Die USA würden den Iran auch dann angreifen, wenn es von Pygmäen bewohnt wäre, die der Religion des Dalai Lama anhängen würden. Es gibt eine schockierende Ähnlichkeit zwischen George W. Bush und Machmud Achmadinedschad: der eine führt persönliche Gespräche mit Jesus – der andere hat einen direkten Draht zu Allah. Aber der eigentliche Name des Spiels lautet Vorherrschaft.

Was für ein Interesse haben wir denn, in diesen Kampf mit hineingezogen zu werden? Welches Interesse haben wir als Anhänger des größten Feindes der muslimischen Welt im allgemeinen und mit Recht in der arabischen Welt im besonderen angesehen zu werden?

Wir wollen hier noch in 100, in 500 Jahren leben. Unsere grundlegendsten nationalen Interessen fordern deshalb, dass wir unsere Hände den arabischen Nationen entgegenstrecken, die uns akzeptieren, damit wir gemeinsam mit ihnen die Region wieder aufbauen. Das war vor 59 Jahren die Wahrheit und dies gilt auch für die nächsten 59 Jahre.

Kleine Politiker wie Olmert, Peretz und Halutz sind unfähig, in diesen Kategorien zu denken. Sie können kaum bis an ihre Nasenspitze sehen. Aber wo sind die Intellektuellen, die weitsichtiger sein sollten?

Bashar al-Assad mag kein großer Denker sein. Aber seine Bemerkung sollte uns gewiss sehr nachdenklich machen.

Uri Avnery ist Gründer der Friedensbewegung Gush Shalom. Der langjährige Knesset-Abgeordnete Avnery, 1923 in Beckum geboren und 1933 nach Palästina ausgewandert, gehört seit Jahrzehnten zu den profiliertesten Gestalten der israelischen Politik. Er ist durch seine kämpferisch-kritische Begleitung der offiziellen israelischen Regierungspolitik weit über die Grenzen seines Landes hinaus bekannt geworden. Für sein Engagement für den Frieden im Nahen Osten sind ihm zahlreiche Auszeichnungen zuerkannt worden.

Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs und Christoph Glanz. Vom Verfasser autorisiert.