An die Opponenten der Frauen- und Gender-Bewegung, die es betrifft
Seite 2: "Geschwurbel"
Der moralische Konter trifft dann auch meine Artikelreihe, obwohl sie sich gar nicht an der Abwägung von Schuld- und Gerechtigkeitsfragen beteiligt.
Bei diesem Missverständnis spielt der Umstand eine Rolle, dass Vorschläge im Forum wie der von GP.0 oder TS2, die Artikel bei Bedarf doch einfach unaufgeregt durchzulesen, regelmäßig auf eine hemdsärmelige Zurückweisung treffen:
"Was ist das für ein ödes, unlesbares, nichtssagendes Geschwurbel!" (Klausius)
"Ich schätze, die meisten bleiben so wie ich nach maximal vier Zeilen stecken, geübte Masochisten schaffen vielleicht auch zehn, dann ist Schluss. Da diskutiere ich doch lieber über die Heilkraft der Edelsteine." (Floyd3770)
"Tut mir leid, aber meine geistige Gesundheit ist mir wichtiger." (Schmarall)
Man kann nach zehn Zeilen Lektüre durchaus entscheiden, dieselbe mangels Interesse zu beenden, nichts dagegen. Floyd3770 z.B. diskutiert aber trotz seiner Edelstein-Vorliebe munter weiter. Denn in den zitierten Fällen ist der zelebrierte Widerwille, das "Geschwurbel" zu lesen, nicht der Verzicht auf Kritik, sondern ein Bestandteil von ihr. Der Kritiker braucht offenbar nur wenige Zeilen mit ein paar Reizworten, um im Bilde zu sein.
Diese Haltung hat einen Nachteil: Sie mag ein Lächeln in die Gesichter der Kumpels zaubern und ihren Humor anregen: "Lachyoga und lila Kaffeehaus, der Brüller. Ich nenne diese Mädels gerne Teilzeitjob-Mutterkreuzträgerinnen." (Niewiederbroccoli) "Sagen Sie mal meiner Frau 'Du bist ein diskursives Konstrukt', dann gibt's entweder mit der Faust auf die Nase oder mit dem Knie einen Meter tiefer." (Chaldaeer) "Frauenparkplätze, da parke ich immer, ich bin dann divers." (Alterweissermann)
Es sollte aber auch klar sein, dass man dieserart nie und nimmer auf die Ebene der Argumente kommt, die man ja immerhin begründet zurückweisen will. Am Ende schadet man sogar noch seiner Lesekompetenz.
Ein Urteilsvermögen muss man sich erarbeiten - und der vorsätzliche oder fahrlässige Verzicht darauf ist ein wesentlicher Fehler. Mit ihm verpasst man nämlich mehr als bloß meine Argumentation. Besonders Beiträge wie der von Berberjesus sollten sich das noch einmal überlegen.
"Gender-Gaga"
Zum "Gender-Gaga" gingen auch die Posts ab. Das Thema hatte ich am Ende von Teil 2 so eingeleitet:
"Die öffentliche Anerkennung und Aufwertung, die der Feminismus wie die Gender-Bewegung erfahren haben, sowie die Rolle, die vor allem Letzterer im links-alternativen und universitären Leben zukommt, und auch der Streit darum, sollen als Gründe dafür reichen, dass sich die folgenden Abschnitte nun Gegenständen zuwenden, die sich vom Alltagsleben der meisten Frauen zunehmend entfernen."
Der Teil 3 endete so:
"Die Misere von Frauen in der kapitalistischen und bürgerlichen Gesellschaft, die sich die AktivistInnen des Frauenrechts als Benachteiligung in einer positiv genommenen Konkurrenz übersetzen, bleibt der produktive Antrieb weiterer Theoriebildung. Diese wandert aber in immer höhere Etagen des ideologischen 'Überbaus' ab und verfremdet ihren materiellen Ausgangspunkt bis zur Unkenntlichkeit."
Teil 4 kritisierte dieses Abheben und stellte fest:
"Was soll denn die Lage von Krankenschwestern, Verkäuferinnen etc. samt ihren männlichen Pendants verbessern, wenn man sie grammatikalisch dem heteronormativen Zwang entzieht?"
Teil 5 resümierte:
"Die Sachzwänge einer Klassengesellschaft sorgen auch bei Gender-Bewegten dafür, dass ihr Unbehagen (mit der Sprache …) nicht zu ihren wichtigsten Kümmernissen zählt."
Wer die zitierten Sätze beim schnellen Lesen auch nur gestreift hätte, bräuchte mir nicht vorzuhalten, ich würde mich verständnisvoll lauter realitätsfernen "Pseudo-Problemen" zuwenden oder sei ihr Parteigänger: "Zu weit hergeholt, zu viel Schneeflöckchen-Theorie für Schneeflöckchen, die Angst vor Schneeflöckchen haben." (Berberjesus s.o.) "Wir haben hier in Deutschland immer noch echte Probleme, und so lange geht mir dieses Gender-Gedöns dermaßen am A ... vorbei." (Sadbydefinition) "Vom Land der Dichter und Denker zum Land der Genderisten. Kein Wunder, dass hier nichts mehr funktioniert." (Khr)
"Gedöns"
Mein Anliegen gegenüber der Gender-Bewegung war also ein begrenztes. Ohne ihren politischen Gehalt hätte ich mich aus der Frage herausgehalten. Das Partner- und Geschlechtsleben anderer geht mich im Grundsatz nichts an. Was die trans- und intersexuellen Besonderheiten betrifft, die in der Bewegung eine große Rolle spielen, so besitze ich viel zu wenig Kenntnis, um mich naturwissenschaftlich dazu zu äußern. Ich habe es bei einer Anmerkung belassen:
"Butlers Bestreitung der Zweigeschlechtlichkeit (…), die sich anatomisch nicht weiter aufhält, machen sich ihre Anhänger z.B. (…) durch das Phänomen der Intersexualität (plausibel). Dieses zu leugnen wäre absurd. Es ist aber wissenschaftlich auch unredlich, mit dem Hinweis auf geschlechtliche Zwischenformen die Enden zu bestreiten, zwischen denen sie liegen."
Etlichen Foristen scheint die Frage der Zweigeschlechtlichkeit ein weitaus größeres Anliegen zu sein und in ihren Posts nehmen sie Expertentum in Anspruch: "Es gibt nur zwei Geschlechter. Weiblich und männlich. Alles andere ist pathologisch, wenn auch nicht unbedingt behandlungsbedürftig." (Es ist ernst) "Vor allem aber, wer sind eigentlich diese Frauen? Sind das nun Gebärende oder Menstruierende oder gar Penisfrauen?" (Kmdb)
"Es gibt nur zwei Geschlechter und eine Menge geistige Erkrankungen." (Bratapfelkuchen) "Wenn wir das Konstrukt umbenennen und das eine Schniediwutzträger nennen und das andere Mumuträgerinnen, gäbe es trotzdem zwei Häufungspunkte, um die herum sich ein paar Unfälle anordnen. Ein Audi, der gegen die Wand donnert, ist keine neue Automarke." (deHotz) "Männlein, Weiblein, Tenörchen - und evtl. Merkel." (Levski) "Das ganze Gedöns (…) speist sich am Ende einzig und allein aus dem Penisneid der Frau." (Sideshow-Bob)
Ich lasse das mal so stehen und schließe nur die erneut nicht einfache Frage an, was diese Foristen zu solchen Kommentaren bewegt? Ihr biologisches Wissen erweitern oder eine Sach-Diskussion führen, um die sich z.B. Sennahoj bemüht, wollen sie sicher nicht.
Wieder verteidigen sie die Gesellschaft, wie sie sie kennen und schätzen, gegen Angriffe und Abweichungen - deren Kriterien ganz bei ihnen, den Verteidigern der Ordnung, liegen. Das erklärt auch die herbeigeholten Übertreibungen, dass wegen Gender-Gedöns im Land nichts mehr funktioniere, Ehe und Familie in Gefahr seien oder die Muttersprache auf dem Spiel stehe:
"Gegendertes Deutsch ist weder sprech- noch schreibbar. Aber die deutsche Sprache abzuschaffen, scheint ja einigen nicht unwillkommen zu sein. Wir sollten uns nicht so leicht unsere Sprache nehmen lassen." (10dB)
Das hat zwar niemand vor, es würde auch nicht klappen, aber spätestens in diesem Szenario wird der patriotische Beweggrund dieser Art Gender-Kritik kenntlich. Angesichts der Wahrnehmungen, die er verfremdet, und der Beurteilungen, die er fehlleitet, scheint er keine sichere Bank zu sein.
Gruß, G.S.