Angeber zerstören Kooperation

Flämisches gemälde, 17.Jh. Bild: AndreasPraefcke; gemeinfrei

Die ungleiche Verteilung von Reichtum wird erst dann zum Problem, wenn Menschen ihr Geld zur Schau stellen

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Dass der Reichtum in der Welt sehr ungleich verteilt ist, können wir täglich in den Nachrichten verfolgen. Diese Tatsache wird von den meisten Menschen akzeptiert: als unabänderlicher Fakt vielleicht, aber auch als Ansporn, selbst aufzusteigen oder aber als Motivation, die Ungleichverteilung auf die ein oder andere Art verändern zu wollen.

Im Wissenschaftsmagazin Nature haben Forscher nun untersucht, wie sich die Ungleichverteilung auf die Beziehungen der Menschen untereinander auswirkt, und wie sie die Art und Weise verändert, in der Individuen miteinander kooperieren.

Sozialökonomische Spiele

Dazu ließen die Wissenschaftler fast 1500 Probanden eine Reihe sozialökonomischer Spiele durchführen. Jeweils etwa 17 Teilnehmer wurden dabei einer Gruppe zugeordnet, die in zehn Runden nach folgenden Regeln agieren konnte: Am Anfang jeder Runde konnte jedes Mitglied für jeden seiner Mitspieler entscheiden, entweder zu 50 Münzen vom eigenen Reichtum abzugeben, um damit alle (inklusive der nicht kooperierenden) Mitspieler um 100 Münzen reicher zu machen ("Kooperation"), oder kein Geld abzugeben, in der Hoffnung, trotzdem zu profitieren, weil genügend andere Mitspieler sich für die Kooperation entscheiden würden.

Die Probanden konnten ihre Spielmünzen später in einem bestimmten Verhältnis in richtiges Geld umtauschen, waren also am Spielausgang monetär interessiert. Nach jeder Runde informierten die Forscher die Probanden, wer wie gehandelt hatte. Diese hatten dann die Möglichkeit, sich neue (eventuell kooperativere) Nachbarn auszusuchen.

So weit handelt es sich dabei um ein simples Kooperationsspiel, bei dem sich meist eine gewisse, aber kleine Zahl von "Freeridern" herausbildet, die auf Kosten der anderen leben, während die Mehrheit kooperiert. Um die Auswirkungen der Ungleichheit zu simulieren, ordneten die Forscher die Probanden vor dem Spielstart nun einer von drei Gruppen zu.

In Gruppe 1 besaß zum Start jeder Mitspieler genau 500 Münzen, es herrschte also absolute Gleichheit. In drei weiteren Gruppen manipulierten die Forscher die Startbedingungen so, dass sich ein zunehmender Grad an Ungleichheit ergab. Dann spiegelten sie das komplette Setup - mit dem Unterschied, dass in den Gruppen 5 bis 8 alle Mitspieler den konkreten Reichtum ihrer Nachbarn kannten, was in den Gruppen 1 bis 4 nicht der Fall war.

Die Spielergebnisse unterschieden sich danach deutlich. Die Gruppen, denen der Besitz ihrer Mitspieler nicht bekannt war, tendierten jeweils zu einem gewissen, aber vergleichsweise niedrigen Maß an Ungleichheit, und zwar unabhängig von den Ausgangsbedingungen. Bei der völlig gleichen Gruppe erhöhte sich also die Ungleichheit, während sie bei den Gruppen mit ungleichen Startbedingungen sank, teilweise sogar deutlich.

Wenn die Probanden allerdings sehen konnten, wer wieviel besaß, veränderten sich die Verhältnisse.

Sichtbarer Reichtum erschwert die Kooperation

Hier kam es nicht zum Ausgleich. Vielmehr blieb die Ungleichheit auch über viele Spielrunden hinweg erhalten und erhöhte sich sogar. Offenbar, das ist die Schlussfolgerung der Forscher, erschwert sichtbarer Reichtum die Kooperation in einer Gesellschaft, die zum Ausgleich sozialer Unterschiede notwendig wäre. Einzig in der Gruppe, die zu Beginn (unter aller Augen) denselben Münzbetrag erhalten hatte, blieb dieser Zustand auch über zehn Runden hinweg erhalten.

Interessanterweise beobachten die Forscher zudem Effekte ähnlich wie auf dem Arbeitsmarkt: Es passierte sehr selten, dass zu Beginn "arme" Probanden mit der Zeit mehr Reichtum erwarben, während die Reichen recht oft reicher wurden. Das, so zeigen die Forscher, liegt vor allem daran, dass die "Reichen" im Spiel deutlich seltener kooperieren als die "Armen".

In der Runde, die ohne Ungleichheit begann, sah das anders aus: hier waren die reichen (reicher gewordenen) Mitspieler eher zur Kooperation bereit als ihre derzeit ärmeren Kollegen. Sichtbarer Reichtum Einzelner, so die Folgerung der Forscher, hat in der Gesellschaft zur Folge, Kooperation, soziale Verbundenheit und den Gesamtreichtum der Gesellschaft zu verschlechtern.