Angela Merkel als Geschäftsführerin

Seite 2: Der Weg zur Neuwahl

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Im Augenblick schlägt die Stunde des Bundespräsidenten. Er versucht, die führenden Akteure an ihre Verantwortung zu erinnern, damit doch noch eine Koalition zustande kommt. Wenn er damit scheitert, führt kein Weg an Neuwahlen vorbei.

Der Weg dahin ist in Art. 63 des Grundgesetzes festgelegt. Das Problem dabei: Neuwahlen kann der Bundespräsident erst dann ausrufen, wenn in insgesamt drei Wahlgängen niemand die Mehrheit der Abgeordneten als Kanzler oder Kanzlerin erhalten hat. Das wäre ein sehr schmerzhaftes Procedere. Wer kann sich etwa Angela Merkel vorstellen, die sich als Kandidatin drei erfolglosen Wahlgängen stellt und dann in den Wahlkampf für Neuwahlen zieht?

Einen einfacheren Weg bietet Art. 68 der Verfassung. Ein Bundeskanzler kann die Vertrauensfrage stellen. Wenn er damit scheitert, kann der Bundespräsident den Bundestag kurzerhand auflösen.

In der Rechtswissenschaft wird kontrovers diskutiert, ob auch einem bloß geschäftsführenden Bundeskanzler dieses Recht zusteht. Warum denn nicht? Der Wortlaut der Norm steht dem nicht entgegen. Und ein nur geschäftsführender Kanzler, der sich nicht auf die Parlamentsmehrheit stützt, ist ganz besonders auf das Vertrauen des Parlaments angewiesen. Schon aus demokratischen Gründen muss er die Möglichkeit haben, sein Handeln durch die Vertrauensfrage legitimieren zu können.

Wie auch immer: Unter Demokratieaspekten darf die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht mehr zu lange amtieren. Das wäre verfassungsrechtlich problematisch. Und es würde zu mehr Demokratieverdrossenheit führen. Denn was sollen Wahlen, wenn eine abgewählte Regierung einfach als geschäftsführende Regierung weiter macht?

Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler ist Jurist und Politikwissenschaftler an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg.