Angst vor Corona-Mutation B.1.1.7

Bild: Josh Hild/Pexels

Deutschland stoppt Flüge aus Großbritannien ab Mitternacht

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Die Bundesregierung will wegen des Auftretens einer Mutation des Coronavirus den Reiseverkehr zwischen Deutschland und Großbritannien sowie Südafrika einschränken, berichtete die Tagesschau. Nach Auskunft eines Regierungssprechers seien Regelungen dazu in Arbeit. Offenbar hat man schon mit Kontrollen von Einreisenden begonnen. Das Bundesgesundheitsministerium hob in dem Zusammenhang auch die ohnehin bestehende Pflicht zu Corona-Tests bei der Einreise aus ausländischen Risikogebieten hervor.

Zuvor hatten schon die Niederlande, Belgien und Italien angekündigt, den Flug- und Zugverkehr aus und nach Großbritannien aussetzen. Einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge macht "ganz Europa die Grenzen zu Großbritannien dicht".

"Um Ausweichreisen über Ddorf, Köln oder F/M zu verhindern, brauchen wir schnelles Einreiseverbot, am besten europäisch", twitterte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet heute "nach vielen Gesprächen mit den Regierungen unserer Nachbarländer". Auch sein Unions-Konkurrent Markus Söder twitterte die Empfehlung "aus Sorge vor einem möglich mutierten Corona-Virus aus England die Einreise und Landung aus Großbritannien und Südafrika vorübergehend aussetzen".

In Südafrika kursiert ebenfalls eine neue Variante des Coronavirus SARS-CoV-2. Die beiden Varianten seien zwar unterschiedlich, würden aber gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, so der Bioinformatiker Richard Neher, der vom Spiegel zu seiner Einschätzung befragt wurde:

"Das lässt uns glauben, dass sich das Virus in beiden Fällen tatsächlich an den Menschen angepasst hat."

Die Antwort lässt erkennen, dass es noch viel Unsicherheit über die Mutation und die daraus folgenden Konsequenzen, besonders auch was den Impfstoff angeht, gibt. Besorgnis erregt augenblicklich die Annahme, dass sich die neue Variante besonders schnell verbreitet.

Wir sehen wirklich viele Mutationen in dem relevanten Oberflächenprotein des Virus. Das ist außergewöhnlich. Und es ist gleich zweimal passiert, dass sich diese Varianten relativ schnell ausgebreitet haben. Wie sehr das tatsächlich mit dem Virus zu tun hat, und welche Rolle epidemiologische Faktoren wie Superspreading-Ereignisse dabei spielen, ist nicht abschließend geklärt. Aber die Hypothese, dass sich diese Variante schneller als bisher ausbreitet, erscheint mir sehr naheliegend.

Richard Neher, Spiegel

Nachdem der britische Gesundheitsminister Matt Hancock der BBC sagte, die Mutation sei "außer Kontrolle", dauerte es nicht lang, bis ganz Europa von Entsetzen ergriffen wurde.

Die Mutation mit dem Namen VUI2020/12/01 (Hintergrund zur Analyse gibt es hier) ist mutmaßlich ansteckender als die bisher bekannte Form. Hinweise, dass sie gefährlicher ist oder dass Impfstoffe gegen sie weniger wirksam seien, gibt es allerdings noch nicht.

Seit heute gilt in London und weiten Teilen Südostenglands ein Lockdown. Dieser ist allerdings weniger streng als der in Deutschland verhängte.

SPD-Politiker Karl Lauterbach ging, wenig überraschend, sofort in den von ihm gewohnten Alarmmodus und sprach von einem Teufelskreis: "Mehr Ansteckungen führen zu mehr Mutationsgelegenheiten und damit zu mehr Mutationen."

Auf Twitter ruderte er dann jedoch wieder etwas zurück. Es ist nämlich noch nicht sicher, dass die neue Variante wirklich so viel ansteckender ist, Lauterbach betont ähnlich wie Richard Neher: "Theoretisch ist auch möglich, dass schnelle Ausbreitung der Variante durch mehrere Superspreader Ereignisse verursacht wurde. Wahrscheinlicher scheint mir aber, da 2 Bindungsstellen verändert, dass die Mutation ansteckender ist." Laut Christian Drosten ist der veränderte Erreger in Deutschland noch nicht aufgetaucht:

Die B.1.1.7-Linie hat zwei evtl. verstärkende und eine wohl abschwächende Mutation (ORF8). Weitere unklare Mutationen. Ursprungsvirus/Mutante noch nicht im Labor verglichen. Verbreitung kann Zufall sein, nicht zwingend Selektionsvorteil, aber möglich. In D bisher nicht gesehen.

Christian Drosten

Das britische Covid-19 Genomics UK Konsortium informiert dazu, dass "die Variante einen neuartigen Satz von Mutationen" enthalte, die mit einer sich im Südosten Englands "und darüber hinaus schnell ausbreitenden Linie" in Verbindung stünden.

Diese Variante trägt eine Reihe von Mutationen, darunter eine N501Y-Mutation im Rezeptor bindenden Motiv ("receptor binding motif") des Spike-Proteins, das das Virus zur Bindung an den menschlichen ACE2-Rezeptor nutzt.

Es wird derzeit geprüft, ob eine dieser Mutationen zu einer erhöhten Übertragung beiträgt. Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass diese Variante (oder irgendeine andere bisher untersuchte) einen Einfluss auf den Schweregrad der Erkrankung hat oder dass sie Impfstoffe weniger wirksam macht, obwohl beide Fragen weitere Studien erfordern, die mit Tempo durchgeführt werden. Wir werden weitere Updates zur Verfügung stellen, sobald unsere Untersuchungen fortschreiten.

Covid-19 Genomics UK Konsortium