Annalena Baerbock in Athen: Von Kriegsschulden und U-Boot-Deals

Amtskollegen: Nikos Dendias und Annalena Baerbock in Athen. Foto: Greek Ministry of Foreing Affairs / Quelle: Twitter

Reparationen, Waffenhandel, Geflüchtete, Energie und viel Symbolik: Außenministerin gesteht deutsches Fehlverhalten in der Eurokrise ein

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat am Donnerstag ihren zweitägigen Antrittsbesuch in der griechischen Hauptstadt Athen gestartet. Der früher geplante Besuch war Anfang Juni wegen einer Covid-19-Infektion der Ministerin verschoben worden.

Symbolik grüner Außenpolitik

Baerbock kam am Donnerstagmittag in Athen an und besuchte zunächst das Kommandanturgebäude – den Hauptsitz der NS-Verwaltung während der Besatzung – und dann das jüdische Holocaust-Mahnmal. Das Andenken an die Schreckenszeit spiegelte sich auch in den politischen Gesprächen wider.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz im griechischen Außenministerium am Freitag erinnerte Baerbocks griechischer Amtskollege Nikos Dendias daran, dass die Frage deutscher Kriegsreparationen offen sei. Als der griechische Außenminister betonte, dass die Lösung der Reparationsfrage zum Vorteil beider Staaten möglich sei, widersprach Baerbock nicht.

Sie hatte sich in Athen zur Verantwortung Deutschlands für die Verbrechen während des Naziregimes in den damals besetzten Ländern bekannt. Baerbock schlug gemeinsame Investitionen in von den Nazitruppen verwüsteten Dörfern vor. Griechische Beobachter sehen dahinter die Tatsache, dass Deutschland in der Energiekrise auf griechische Solidarität angewiesen ist.

Die grüne Außenministerin entschuldigte sich zudem für das Verhalten Deutschlands in der Eurokrise. Man habe von deutscher Seite zu wenig zugehört und zu viel besserwisserisch vorgeschrieben, zitieren sie griechische Medien.

Nach dem Besuch am Holocaust-Mahnmal ging es ins Flüchtlingslager Schistos bei Piräus, wo sie im Beisein des griechischen Immigrationsministers Notis Mitarachi mit Geflüchteten sprach. Sie traf auch auf Vertreter der umstrittenen europäischen Grenzschutztruppe Frontex, weigerte sich aber, mit Angehörigen der griechischen Küstenwache zusammenzutreffen, oder gar mit ihnen fotografiert zu werden.

Grund sind die illegalen Pushbacks an der griechischen Grenze zur Türkei. Das Oxymoron, dass der Vorsitzende der griechischen Aufsichtsbehörde, Angelos Binis, in Griechenland nie Pushbacks sehen wollte und nun als Chefaufseher über die Frontex-Aktivitäten, zu denen in der Vergangenheit auch Pushbacks zählten, wachen soll, muss der Ministerin entgangen sein. Sie verlangte jedoch eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe zu illegalen Pushbacks.

Anders als ihre Amtsvorgänger gestand Baerbock Fehler der deutschen Politik in der Problematik rund um die Geflüchteten ein. Ihren Worten nach wurden die Grenzstaaten der EU von den geschützt im Inneren liegenden Staaten mit ihren Problemen allein gelassen. Gemäß Baerbock ist eine weitere Verstärkung der Frontex und ein schärferer, verstärkter Grenzschutz notwendig. Dass dies im Fall der griechischen Seegrenze zur Türkei nicht ohne Pushbacks möglich ist, wurde nicht erwähnt.

"Griechische Inseln sind griechisches Territorium"

Angesichts der Spannungen in der Ägäis betonte Baerbock, dass griechische Inseln griechisches Territorium sind. Sie reist von Athen aus weiter in die Türkei. Baerbock versicherte Griechenland die deutsche Solidarität für den Schutz seiner staatlichen Souveränität.

Eine diplomatisch formulierte Schelte von Dendias musste sie sich dennoch anhören, weil Deutschland der Türkei U-Boote liefert und damit in der Ägäis einen weiteren Rüstungswettlauf zwischen den beiden verfeindeten Nato-Partnern befeuert. "Diese U-Boote gefährden das Machtgleichgewicht im östlichen Mittelmeer zugunsten eines Landes, das, obwohl es Mitglied der Nato ist, Griechenland mit Krieg bedroht", sagte Dendias und verlangte einen Stopp der Lieferung.

Der Minister betonte zudem, dass Griechenland zwar auch U-Boote habe, aber keinen weiteren Staat bedrohen würde. Zu den weiteren Themen, welche die beiden Amtskollegen besprachen, gehört die EU-Beitrittsperspektive der West-Balkanstaaten.

Baerbock bei Mitsotakis

Die deutsche Delegation wurde am Freitagmorgen auch vom griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis in dessen Amtssitz empfangen. Das Treffen war für die Dauer von 30 Minuten geplant, dauerte aber mehr als eine Stunde.

Der Premier konzentrierte seine Stellungnahme auf die Debatte über die türkischen Aggressionen in der Ägäis und bekräftigte, dass Griechenland auf der Grundlage des Völkerrechts und gutnachbarlicher Beziehungen offene Kommunikationskanäle mit der Türkei wünsche.

Er betonte jedoch, dass türkische Provokationen und Souveränitätsstreitigkeiten eine Bedrohung für die regionale Stabilität seien – und weder von Griechenland noch von der EU toleriert werden könnten.

Vom Amtssitz des Premiers in der Herodes-Attikus-Straße ging Baerbock rund 600 Meter zu Fuß zum Außenministerium. Ein Novum, zumal bei den bisherigen Besuchen deutscher Spitzenpolitiker das gesamte Regierungsviertel abgesperrt wurde. Zur Regierungszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) waren bei solchen Anlässen tausende Polizisten im Einsatz.

Baebocks Sicherheitskräfte hatten keinerlei Probleme mit den Passanten, die an der Ministerin auf dem Bürgersteig vorbeigingen. Die Grüne ließ sich während der gesamten Strecke von Kameras ablichten und antwortete auf Small-Talk von Journalisten.