Anonym im Netz: Nur ein Traum?

Cookies, Flash-Cookies, Panopticlick und die Sichtbarkeit des Surfers im kommerziellen Web

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Was unlängst noch als Science Fiction galt, ist Alltag geworden: Das Internet verdrängt als Informations- und Kommunikationsmedium ältere Verbreitungsformen. Für alle, bis auf eine Minderheit der digitalen Verweigerer. Also betreffen die bislang ungelösten, nur unter Digerati diskutierten Probleme auch die Allgemeinheit: Wie ist das jetzt mit den privaten Daten?

Nicht zuletzt durch die überhitzt diskutierten Bedrohungen unserer Privatsphäre durch Google und Facebook entsteht sehr langsam ein öffentliches Bewusstsein für die Frage, inwieweit man sich im Internet (und verwandten Telekommunikationsbereichen) bewegen könne, ohne persönliche Informationen dem Missbrauch durch Unbekannte preiszugeben.

Im Zentrum des Interesses von digital Werbetreibenden und den von ihnen mitfinanzierten Web-Publikationen unterschiedlichster Couleurs stehen nicht so sehr die klassischen Identitätsdaten (Name, Wohnort, Bankverbindung), sondern das Nutzer- und Konsumprofil des Surfers: Je präziser das Verhalten eines Einzelnen im Netz beschrieben werden kann, desto wertvoller ist sein Profil für die gezielte Vermarktung beliebiger Produkte. Bekleben also unsere Mausklicks und Seitenaufrufe im Web zahllose Rabatthefte mit immer neuen Marken, deren Wert aber wiederum nur findige Werbetreibende abschöpfen? Und wo ist dann der Punkt, ab dem wir uns über die von uns ungewollte Etikettierung Sorgen machen müssen, etwa, weil sich diese Profile mit den eigentlichen Identitätsdaten verknüpfen lassen. Soll unsere Krankenkasse wissen können, wie viel Schokolade wir uns von Amazon liefern lassen oder ob wir gewohnheitsmäßig Ratgeberseiten zu Drogen-, Mager- oder Pornosucht aufrufen?

Tatsächlich gibt es Möglichkeiten, gegen die Profilierungswut der Webvermarkter einzuschreiten, wobei aber das Ergebnis, also der zunehmende Schutz des eigenen Surfverhaltensprofils, mit zunehmendem eigenem Engagement verknüpft ist.

Der erste Schritt zu geringerer Sichtbarkeit im Netz ist das sorgfältige Behandeln der Cookies: Kleine, unscheinbare Textdaten, die von der Webseite an den Browser gegeben werden, etwa um Login-Daten verfügbar zu halten und die Bequemlichkeit zu erhöhen. Die Missbrauchsmöglichkeiten liegen auf der Hand: Der Webnutzer speichert so sein eigenes Surfprofil, abrufbar für alle, die das eigentlich gar nichts angeht. Erfreulicherweise bietet jeder Browser die Möglichkeit, bereits vorhandene Cookies zu löschen und neue gar nicht erst anzunehmen (was aber Login-Vorgänge ausschließt) oder beim Schließen des Browsers zu löschen. Der scheinbare Nachteil, beim nächsten Besuch seiner Lieblingsseiten nicht sofort mit Namen begrüßt zu werden, ist nur ein kleiner Preis für etwas mehr Unabhängigkeit. Falls man dennoch die Bequemlichkeit des gespeicherten Logins behalten möchte, kann diesen Job ein zweiter Browser übernehmen. Mit Chrome, Firefox und Opera steht eine ausreichende Auswahl an empfehlenswerten Alternativbrowsern bereit.

Der zweite Schritt ist bereits komplizierter: Adobe Flash hat die sehr unangenehme und eigentlich kriminalisierungswürdige Nebeneigenschaft, "Zombie-Cookies" in geeigneten Unterordnern des Betriebssystems zu hinterlassen, die sich auch nach manuellem Löschen selbst wieder herstellen. Dagegen helfen vereinzelte Tools (oder Firefox-Plugins) oder das manuelle Löschen der Schnüffeldaten, die sich gerne an Orten wie

c:\Dokumente und Einstellungen\\Anwendungsdaten\Macromedia\Flash Player\#SharedObjects

aufhalten, plus nachfolgendem Besuch der dafür installierten Adobe/Macromedia-Website: http://www.macromedia.com/support/documentation/de/flashplayer/help/settings_manager.html

Nur dort kann man nämlich seinem System via Flash-Einstellungsmanager befehlen, keine Flash-Cookies mehr anzunehmen. Die unerwünschten Nebenwirkungen halten sich in engen Grenzen, nur wenige Videoanbieter (ungeachtet der Alterszielgruppe) verlangen noch das Annehmen der Spionage-Cookies, um Unterhaltungsmedien abspielen zu können. Alle großen Anbieter wie Youtube oder Vimeo kommen ohne Schnüffel-Flash-Files aus.

Allerdings gibt es eine weitere Stufe der Nutzerprofilierung: Browser-Fingerabdrücke. Auch hier ist die Grundidee eigentlich vernünftig, lädt aber zu Missbrauch ein: Alle Surfprogramme erzählen der jeweils angesteuerten Webseite bereitwillig, welche über Plugins sie verfügen, auf welchem Betriebssystem sie laufen und welche Schriften installiert sind. Die Konfigurationsmöglichkeiten sind hier so vielfältig, dass viele, wenn nicht alle Webnutzer anhand dieses Browser-Fingerabdrucks identifiziert werden können. Auch ohne Text- und Zombie-Cookies. Die guten Leute von der Electronic Frontier Foundation (EFF) haben daher vor fast genau einem Jahr ein Testwerkzeug veröffentlicht, das eben diesen Fingerabdruck sichtbar macht: Panopticlick.

Nach 12 Monate Testphase liegen umfangreiche Vergleichsmuster vor: Die Benutzung ist zu empfehlen, auch wenn das Ergebnis immer etwas gruselig ist. Trotz der scheinbaren Ausweglosigkeit aus der Aufhebung unserer Surfer-Anonymität durch die wohlmeinende Geschwätzigkeit unserer Browser zeigt das Ergebnis doch, dass es möglich ist, die eigenen Spuren im Web zu verwischen: Updates, veränderte Plugin-Bestückung und gelegentliches Löschen oder besser Ergänzen von Systemschriften machen den Fingerabdruck undeutlich und erhöhen sanft den Grad der ersehnten Anonymität: "In unserer Datenbank aus mehreren Millionen Besuchern hat nur einer von 668.815 Browsern denselben Fingerabdruck wie Ihrer", verkündet Panopticlick fröhlich nach meinem heutigen Testdurchlauf. Das ist immer noch ziemlich genau und sollte eigentlich durch gesetzliche Regelungen verhindert werden. Auch gegen den Widerstand der digitalen Werbe-Entrepreneure. Bis das allerdings eintritt, müssen wir uns mit den beschriebenen Workarounds behelfen, die übrigens dem harten Kern der Telepolis-Leser bekannt sein könnten. Nur eben nicht der Mehrheit der Internetnutzer, unabhängig von ihren Lesegewohnheiten.