Arbeitslose als Feindbild im neuen CDU-Programm?
Vor rund 20 Jahren war die SPD treibende Kraft, als die Daumenschrauben für Erwerbslose angezogen wurden. Jetzt will die CDU damit punkten. Was sie sonst noch plant.
Kaum wird seit Monaten öffentlich diskutiert, wie viele Jobs in den nächsten Jahren und Jahrzehnten durch Digitalisierung verloren gehen und in welchen Bereichen Künstliche Intelligenz menschliche Arbeitskraft ersetzen wird, da denkt die CDU, es sei genau der richtige Zeitpunkt für einen Feldzug gegen mutmaßliche Arbeitsunlust.
Sie selbst arbeitet gerade an einem neuen Grundsatzprogramm und will – Überraschung – Sozialleistungen an verschärfte Bedingungen knüpfen. Dabei nimmt sie laut einem Bericht der Bild vom Wochenende sowohl für Erwerbslose als auch für Asylsuchende ins Visier.
Letztere dürfen nach bisheriger Rechtslage in den ersten Monaten ihres Aufenthalts in der Regel noch gar nicht arbeiten und sind oft eher mit bürokratischen Hürden und Sprachbarrieren überfordert als arbeitsunwillig. Aber man kann ja mit Blick auf den nächsten Wahlkampf schon mal Reizwörter bemühen – dafür eignet sich eine Gruppe ohne Wahlrecht in Deutschland besonders gut.
"Wer Sozialleistungen erhält, der hat auch die Pflicht, angebotene Arbeit anzunehmen", zitierte die Bild aus dem Papier der CDU-Programmkommission. "Das ist solidarisch gegenüber denen, die mit ihrer Arbeit die Sozialleistungen erst möglich machen."
All das ist gewissermaßen kalter Kaffee – vor gut 20 Jahren machte die "rot-grüne" Bundesregierung unter dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) mit der Agenda 2010 Furore. Nominell sozialdemokratische Politiker übten sich damals schon in der Stigmatisierung von Erwerbslosen – zumindest solchen, die nicht unter allen denkbaren Umständen arbeiten wollten. Der Generalverdacht auf Faulheit konnte aber alle treffen, die sich auf dem Arbeitsmarkt nicht gut verkaufen konnten.
Für den Umgang mit psychisch kranken Menschen, die nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung mehr als ein Drittel der Bedürftigen im Arbeitslosengeld-II-Bezug stellen, sind die "Fallmanager" der Jobcenter in der Regel nicht geschult. Depressive gelten dann im Zweifel als faul.
Schröders Blaupause
Mit dem Satz "Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft", hatte Schröder bereits 2001 das gesellschaftliche Feindbild für die nächsten Jahre geschaffen – sein damaliger Parteifreund Thilo Sarrazin betonte später, Hartz-IV-Empfänger seien verschwenderische "Warmduscher" und gab dem Ganzen dann auch noch eine rassistische Note. Die strukturelle Benachteiligung von Menschen mit Migrationsgeschichte im Schulsystem und auf dem Arbeitsmarkt erleichterte dies, da deren Erwerbslosenquote dadurch tatsächlich höher lag.
Sarrazin wurde inzwischen aus der SPD ausgeschlossen. Seine Rhetorik muss aber heute als direkter Link von den großen Volksparteien zur ultrarechten AfD gelten – und die gesamte Agenda-2010-PR als Motor der Entsolidarisierung mit Schwächeren allgemein in Deutschland.
Auch von "Fördern und Fordern" war im Zuge der Einführung der Hartz-IV-Gesetze die Rede – Betroffene, die eine Umschulung wollten, hatten aber mit diesem Anliegen im Jobcenter bei weitem nicht immer Erfolg. Laut dem aktuellen Bericht der Bild will verspricht nun auch die CDU, dass nicht nur gefordert, sondern auch gefördert werden soll.
Die halbherzige Entschärfung der Sanktionsmöglichkeiten im Zuge der Umbenennung von Arbeitslosengeld II in "Bürgergeld" war den nominellen Christdemokraten wohl zu großzügig.
Die Regierung Schröder wurde allerdings im Jahr der Einführung der Hartz-IV-Gesetze abgewählt. Aber vielleicht können ja die C-Parteien eher damit punkten als nominelle Sozialdemokraten und Grüne.
Die Programmkommission der CDU hat noch weitere Punkte auf dem Zettel, die nicht nur Erwerbslose betreffen – eine verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge etwa.