Arbeitssuchende: Französische Regierung überrascht mit harten Sanktionen
Die nächste Kommunikationspleite unter der Präsidentschaft Macrons. Ein Dekret fällt härter aus als angekündigt
Dann erfährt man plötzlich von härteren Sanktionen, als im Parlament besprochen … In Frankreich gab es zum Jahreswechsel eine Überraschung, die der Regierung wahrscheinlich weitere Minuspunkte einbringt. Es geht um eine Verordnung, die Verpflichtungen und Rechte von Arbeitssuchenden neu regelt.
Verabschiedet wurde das übergeordnete Gesetz zur "Wahlfreiheit bei der beruflichen Zukunft" Anfang August vergangenen Jahres im Parlament nach zwei Monate lang andauernden Debatten mit der Mehrheit der Regierungspartei gegen die Stimmen der rechten und linken Opposition. Seit dem 30. Dezember 2018 ist das dazugehörige Dekret über Verpflichtungen und Rechte von Arbeitssuchenden im Gesetzesblatt Journal Officiel veröffentlicht, womit es in Kraft getreten ist.
Nun zeigt sich zur Überraschung der Öffentlichkeit, dass in der nun erlassenen Verordnunghärtere und drastischere Sanktionen für Arbeitssuchende aufgeführt werden, als sie die Regierung bei den Debatten zu ihrem Gesetzesentwurf vorgestellt hatte.
Laut Mediapart hatte die Regierung beispielsweise angekündigt, dass das unzureichend begründete Versäumnis eines Besprechungstermins beim französischen "Jobcenter" (Pôle emploi) mit einer 15-tägigen Aussetzung von Leistungen sanktioniert würde. So stehe das im Text, dem in der Nationalversammlung zugestimmt wurde.
Im nun veröffentlichten Text des Décret n° 2018-1335 ist dagegen von einer Streichung der Leistungen für die Dauer eines Monats die Rede - beim ersten Versäumnis. Beim zweiten Versäumnis sind es dann zwei Monate, beim dritten festgestellten Versäumnis vier Monate.
Die Ablehnung von "vernünftigen Angeboten"
Es werden noch weitere Überraschungen erwähnt. So habe die Arbeitsministerin Muriel Pénicaud zuvor von "graduellen Sanktionen" im Falle der Ablehnung von Jobangeboten gesprochen. Als Anlass für eine Sanktion gilt, wenn die oder der Arbeitssuchende zwei Mal nacheinander "vernünftige Angebote" für eine Anstellung ablehnt. In der Darstellung Pénicauds sollte die staatliche Geldleistung beim ersten Vorkommnis dieser Art für einen Monat "ausgesetzt werden", bei weiteren Ablehnungen verlängert sich dann die Zeit der Aussetzung (so auf vier Monate beim dritten Mal).
Laut dem nun veröffentlichten Gesetz, so Mediapart, würde die staatliche Leistung schon beim ersten Mal nicht ausgesetzt, sondern gleich entzogen.
Darüber hinaus treffe das Gesetz auch drastische Regelungen bei einem "explosiven Punkt". Es schaffe eine Hürde ab, die zur Definition des vernünftigen Angebots gehört, nämlich das zuletzt erhaltene Salär: "Im Klartext, wenn Sie zum Beispiel ein Gehalt von 2.000 Euro bezogen haben, so hatten sie das Recht für die Dauer eines Jahres Stellenangebote abzulehnen, die zu weit unter dieser Summe lagen. Das ist nun nicht mehr der Fall."
Als Erklärung dafür, wie es der Regierung möglich war, härtere Regelung erst im später veröffentlichten Dekret unterzubringen, wird von Mediapart ein Passus angeführt, den die Regierung im Sommer ihrem Gesetzesentwurf beigesellt hatte. Dort heißt es, dass die konstitutiven Elemente zum "vernünftigen Stellenangebot" revidiert werden könnten, um Perspektiven zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu verbessern. Außerdem sei vorgesehen, dass ein Dekret Bedingungen und Dauer möglicher Streichungen des Arbeitslosengeldes erst später präzise regeln würde.
Gewerkschaftsvertreter zeigen sich böse überrascht. Aus der Führung der Force ouvrière (FO) heißt es etwa, dass das Dekret die staatlichen Beihilfen, die zuvor nur ausgesetzt wurden, nun zum Verschwinden bringe.
Adrien Quatennens, Mitglied der linken Oppositionsbewegung La France insoumise ("Das Frankreich, das sich nicht unterwirft") hält Macron vor, dass er das falsche Ziel angreife. Auf eine unbesetzte Stelle kommen seiner Aufrechnung nach 40 Arbeitssuchende und 80 Prozent der neu Angestellten bekämen prekäre Verträge (in Frankreich sind kurzfristige Anstellungsverträge ein hitziges Dauerthema). Macron sollte die Arbeitslosigkeit bekämpfen und nicht die Arbeitslosen, so der Vertraute Mélenchons.
Vertreter des Arbeitsministeriums begründen die Regelungen damit, dass sie nur einen geringen Prozentsatz der Arbeitssuchenden, "unter 8 Prozent", betreffen, die nicht ehrlich suchen und täuschen oder betrügen würden. Zum Programm der Regierung Macron gehört, eine größere Dynamik bei der Arbeitssuche zu aktivieren. Wie es aussieht, tritt sie dabei von einer Kommunikationspleite in die nächste.