Argentinien: Der einstige Hoffnungsträger Macri hat alle Erwartungen in den Sand gesetzt
Auch die Wirtschaft wendet sich ab, Cristina Kirchner und die Peronisten haben bereits die Vorwahlen gewonnen
Es war zu schön, um wahr zu sein. 2015 hatte, nach 12 Jahren peronistischer Regierung des Ehepaars Kirchner, endlich wieder der Mann des Kapitals gewonnen, Mauricio Macri, ein bekennender Neoliberaler und Sprössling des reichen Unternehmers Franco Macri. Und alle feierten mit. Die Militärs hofften auf ein Ende der Prozesse wegen Menschenrechtsverletzungen, die Unternehmer auf dicke Auftragsbücher und weniger Bevormundung, und das städtische Bürgertum auf ein Ende der in ihren Augen viel zu großzügigen Sozialhilfeprogramme. Sogar die Bundeskanzlerin schickte ihren Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nach Buenos Aires, der im Hilton verkündete, nun sei Argentinien endlich wieder im Kreis der seriösen Partner angekommen.
Heute, drei Wochen vor den nationalen Wahlen, ist Katzenjammer ausgebrochen. Aus den Vorwahlen waren die Peronisten mit Alberto Fernández und der früheren Präsidentin Cristina Kirchner klar als Sieger hervorgegangen. Dass in der tiefen Wirtschaftskrise die Armen ihr Kreuz (wieder) bei der Gerechtigkeitspartei (Partido Justicialista) machen werden - damit hatte man gerechnet, doch inzwischen haben sich auch seine einstigen Parteigänger von ihm abgewandt und vermeiden öffentliche Auftritte mit Macri.
Der einstige Hoffnungsträger hat so ziemlich alle Erwartungen in den Sand gesetzt. Das fing bei den Menschenrechten an, denn trotz des Drucks vom rechten Rand der Gesellschaft laufen die Prozesse gegen die früheren Folterer weiter, im Schneckentempo, aber immerhin. Die Sozialhilfe wurde zwar gekürzt, aber weiter geführt - schließlich stehen Wahlen an. Und Macri hat es geschafft, innerhalb von weniger als vier Jahren das Land erneut an den Abgrund der Zahlungsunfähigkeit zu bringen.
Sogar die Unternehmer sind auf Abstand gegangen. Der Chef des Arbeitgeberverbandes, Miguel Acevedo, hat sich klar für einen Wahlsieg von Fernández ausgesprochen. Die Industrie, so der UIA-Chef, werde 10 Jahre brauchen, um sich zu erholen. Macri habe "die Industrie ignoriert".
Acevedo fürchtet, dass Macri, wie er angekündigt hat, den argentinischen Markt noch mehr für ausländische Produkte öffnen wird. Aber argentinische Unternehmer haben die Zollschranken geliebt, die ihnen die lästige Konkurrenz vom Hals gehalten hat. Hinzu kommt, dass der Konsum extrem zurückgegangen ist. Die Leute haben kein Geld mehr in der Tasche, sparen auch am Essen, und der Umsatz ist auf einen Tiefstand gefallen. An Kredite ist kaum zu denken, das Länderrisiko ist auf 2190 Basispunkte gestiegen, das ist der Zinssatz, den das Land für frisches Geld anbieten muss. Nicht einmal der Internationale Währungsfonds will die nächste Tranche des bereits genehmigten Kredits nach Buenos Aires überweisen.
Das Netz der Korruption
Die Unternehmer nehmen ihrem Präsidenten besonders übel, dass er sich nicht schützend vor sie gestellt hatte, als die Sache mit den "Heften" aufflog. Der Fahrer der Nummer Zwei im Planungsministerium von Cristina Kirchner hatte in diesen Heften fein säuberlich aufgelistet, an wen Schmiergelder säckeweise übergeben wurden. Dass nun plötzlich peronistische Politiker wegen Korruption in Untersuchungshaft genommen wurden - das war eine neue argentinische Erfahrung, aber für die Unternehmer hinzunehmen, solange die Privilegien ihrer Klasse respektiert würden.
Das Gegenteil geschah. Gegen dutzende Firmenchefs vor allem aus der Baubranche wurden Ermittlungen aufgenommen, Bilanzen und Kontoauszügen beschlagnahmt, die die Eintragungen in den Heften des Chauffeurs bestätigten. Die CEOs wurden verhört. Ihnen wurde zwar die Kronzeugen-Regelung angeboten, die sie annahmen, aber sie mussten Staatsanwälten Rede und Antwort stehen, und das war vom Klassenstandpunkt aus gesehen sehr beschämend, zumal diese Aussagen umgehend in der Presse landeten und das systematische Korruptionsnetz der vorigen Regierung offen legte.
Das aktuelle Korruptionsnetz von Macri hat die argentinische Justiz noch nicht unter die Lupe genommen, aber sich bereits auf neue Zeiten eingerichtet. Etliche der Vorteilsnahme Angeklagte wurden nach den Vorwahlen aus der U-Haft entlassen - nicht weil sich die Vorwürfe in Luft aufgelöst hätten, sondern, so hieß es aus Justizkreisen, weil die Ermittlungen abgeschlossen seien. Für die Beschuldigten öffnet sich damit ein langer Rechtsweg über viele Instanzen. Für teure Anwälte ist ja genug Geld vorhanden.
Was wird mit diesen Kronzeugen passieren - sorgt sich die rechte Zeitung Clarín -, wird die kommende Regierung sie beschützen?
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