Artenvielfalt: Umweltschützer feiern Sieg der "direkten Demokratie"
CSU und Freie Wähler wollen den Gesetzentwurf des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" unverändert beschließen - mit einem Zusatzgesetz
CSU-Ministerpräsident Söder sucht wie sein Vorgänger Seehofer die große Koalition mit der Bevölkerung. 1,7 Millionen Unterstützer für das Volksbegehren (18,3 Prozent aller Stimmberechtigten) zur Artenvielfalt mit dem Titel "Rettet die Bienen!" lassen auf einen starken Rückhalt schließen. Gefordert waren 950.000 Unterschriften. Das hat Eindruck auf die bayerische Regierung gemacht.
Dieses Votum von annähernd zwei Millionen Menschen könne man nicht einfach ignorieren, wird Söder zitiert. Konsequenz: CSU und Freie Wähler würden den Gesetzesentwurf "unverändert beschließen", teilte man mit. Allerdings mit Anpassungen, wie heute gemeldet wird. Söder sprach von einer "Leitentscheidung" für das Bundesland im Süden Deutschlands.
Die Bienen sind ein attraktives Zugwort - weshalb sich Bauern auch in der Debatte zum Volksbegehren über einen "irreführenden Titel" beschwerten. Die Proteste der Schüler für eine bessere Klimapolitik sind auch in Bayern ein großes Thema und die Umfragewerte der Grünen auch im Süden beachtlich.
So gab es Gründe genug für den noch ziemlich neuen Landeschef, der sich nicht sicher sein kann, welches politische Gewicht er als Ministerpräsident hat, nicht vorschnell zu viel zu riskieren, indem er sich gegen das Volksbegehren stellt. Auch wenn sein Koalitionspartner, die Freien Wähler (FW), nicht besonders viel von der Vorlage der ÖDP, der Naturschützer vom BUND, der Vogelschützer vom LBV und den Grünen hielt. "Kartoffelsack", nannte FW-Chef Aiwanger den Gesetzesentwurf des Volksbegehrens.
Aiwangers Kritik deckt sich grob mit dem, was vom Bauernverband an kritischen Punkten aufgetischt wurde: Dass man nicht die Bauern nicht als Alleinschuldige am Rückgang der Vögel und Insekten behandeln dürfe, dass mit dem Gesetzentwurf einiges "ins schiefe Licht gerückt" würde und vor allem, dass die Vorschriften im Gesetzesentwurf nicht praktikabel seien, sondern als Schikanen für die Arbeit der Landwirte empfunden werde.
Häufig als Beispiel vorgebracht wird dazu die Vorschrift, wonach das Mähen von Innen nach Außen zu erfolgen habe, um keine Tiere zu gefährden, und die Vorschrift, dass pauschal ab 15. März das Walzen von Wiesen wegen Nester von Bodenbrütern wie Feldlerche, Wiesenpieper, Kiebitz und anderen Wiesenvögel nicht mehr durchgeführt werden dürfe. Dass müsse auf örtliche Gegebenheiten abgestimmt werden. Der Gesetzentwurf brauche noch Zusatzbestimmungen, heißt es aus der Regierung.
Söder sprach von einem "Versöhnungsgesetz". Der Streit wird auf die Zusätze zum Gesetzesentwurf verlagert. In einem Interview mit dem BR sagte der bayerische Grünen-Vorsitzende Ludwig Hartmann, dass laut Regelungen zum Volksbegehren der Spielraum für Änderungen am Gesetzesentwurf begrenzt ist. Es könne lediglich um Ausführungsbestimmungen gehen. "Bayern bringt damit eines der weitreichendsten Artenschutzgesetze Europas auf den Weg", freute sich Hartmann über die Ankündigung der Regierung.
Er sprach von einem Sieg der direkten Demokratie. "Für die Staatsregierung muss das nichts Gutes heißen. Sie dürfte wenig interessiert sein, von weiteren Volksbegehren getrieben zu werden", kommentiert die SZ. Nach ihren Informationen denken die Grünen bereits an weitere Volksbegehren: "etwa zum Klimaschutz, zu einem dritten Nationalpark oder zur Begrenzung von Flächenfraß".
Unterstützer des Volksbegehrens "Rettet die Bienen!" hatten während der Mobilisierung der Unterstützung in ihren Äußerungen unter anderem auch klargemacht, dass sie den Bauernverband nur eingeschränkt als Vertretung der Bauern ansehen, die Zeiten hätten sich geändert. Man kann sich darauf einstellen, dass die Ausarbeitung, Diskussion und Abstimmung zum Gesetz noch Debatten auslösen wird.
Ab 8. Mai soll sich der bayerische Landtag mit dem Gesetzesentwurf zur Artenvielfalt befassen, hieß es heute. Nach Medien-Informationen will Söder der Versöhnung aufseiten der Bauern mit einer gewissen Summe nachhelfen, auch Hilfen beim Übergang zu einer biologischen Landwirtschaft sollen im Paket dabei sein. Söder rechnet mit zusätzlichen Kosten von bis zu 75 Millionen Euro.