Asyldebatte nach "Kanzler-Machtwort": Copy and Paste bei der AfD?
Deutschland soll EU-Asylrechtsverschärfung nicht im Weg stehen, so Scholz. Zur "parteipolitischen Profilierung" eigne sich das Thema aber nicht. Wem das herzlich egal ist.
Als "Asyl-Revolution" feierte die Bild-Zeitung online am Mittwoch das Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass Deutschland einer europäischen Asylrechtsverschärfung nicht im Weg stehen werde.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte sich zuvor gegen eine zusätzliche Krisenverordnung gestellt, nachdem sich die EU schon auf die Verlagerung von Asylverfahren in Lager an den Außengrenzen geeinigt hatte.
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Die geplante Krisenverordnung sieht vor, dass EU-Mitgliedsstaaten an den Außengrenzen die haftähnliche Unterbringung von Asylsuchenden verlängern dürfen, wenn aus ihrer Sicht besonders hoher "Migrationsdruck" besteht. Auch Asylsuchende aus Ländern mit hohen Anerkennungsquoten sollen dann in umzäunten "Asylzentren" auf eine Entscheidung über ihr Schicksal warten.
Innerhalb der Ampel-Koalition hatten FDP-Politiker die Grünen als "Sicherheitsrisiko" dargestellt, weil sie weiteren Asylrechtsverschärfungen nicht bedenkenlos zustimmen wollten. Scholz’ Basta-Politik kommt nun zwar den Wirtschaftsliberalen entgegen – er mahnte aber auch, das Thema Asylrecht tauge nicht zur "parteipolitischen Profilierung".
AfD und Merz skandalisieren "volle Heilfürsorge", die es nicht gibt
Herzlich egal ist das allerdings CDU-Chef Friedrich Merz. Er sah sich nach dem Kanzler-Machtwort genötigt seinen Ton beim Reden über Asylsuchende noch einmal zu verschärfen – und nahm dabei direkt Anleihen bei der AfD: "Wir müssen uns über die Pull-Faktoren hier in Deutschland unterhalten", sagte er am Mittwoch im Welt-Talk und führe aus, warum aus seiner Sicht "die Leute in der großen Zahl hierher kommen" – nämlich unter anderem, weil sie angeblich "die volle Heilfürsorge bekommen".
Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen – und die deutschen Bürger neben dran kriegen keine Termine.
CDU-Chef Friedrich Merz am 27. September 2023 über Asylsuchende in Deutschland
Ein Jahr und wenige Tage zuvor hatte sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Sichert ganz ähnlich über Geflüchtete aus der Ukraine geäußert:
Während ukrainische Nobelkarossen vor deutschen Zahnarztpraxen stehen und Ukrainer sich auf Kosten der deutschen Beitragszahler die Zähne richten lassen, wissen viele Deutsche nicht mehr, wie sie angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten selbst ihre Grundnahrungsmittel finanzieren sollen.
MdB Martin Sichert (AfD) am 23. September 2022 über Geflüchtete aus der Ukraine
Die Parallelen blieben nicht unbemerkt: "Copy Paste bei der AfD und ihren erfundenen Geschichten ist für die Merz Union jetzt wohl state of the art", meinte dazu am Mittwochabend die Linke-Politikerin Clara Anne Bünger.
Tatsächlich bekommen Geflüchtete nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur eine Notfallversorgung, wenn sie akut erkrankt sind, unter Schmerzen leiden oder schwanger sind. Implantate für seit Jahren bestehende Zahnlücken gibt es demnach nicht.
Wer tatsächlich eine "Nobelkarosse" besitzt, zahlt die Behandlung vermutlich aus eigener Tasche – bei einem Arzt, der ganz unabhängig von der Herkunft Privatpatienten bevorzugt. Aber das ist sicher nicht das Gros der Geflüchteten, die Merz außer Landes halten will.
Mehmet Daimagüler, erster Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus und zuvor Anwalt von Geschädigten im NSU-Prozess, warf angesichts der Debatten am Mittwoch die Frage auf, ob es eigentlich einen Punkt gebe, "wo es egal wird, ob die AfD ganz offiziell in der Regierung sitzt oder nicht".
Es sieht jedenfalls zumindest aus, als treibe die AfD gerade mehrere Parteien vor sich her.