Athen: Terroranschlag in Neo Faliro

Screenshot vom laufenden TV-Programm: Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis bei Skai und Reporter mit Außenaufnahmen.

Bombenexplosion verwüstet das Gebäude des Senders Skai

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In der Nacht von Sonntag auf Montag explodierte um 2:37 h eine Bombe am Gebäude des Senders SKAI in Neo Faliro an der Ethnarchou Makariou Straße. Ein nach Schätzungen der Polizei mehr als sechs Kilo schweres Sprengstoffpaket war in einer Tasche am Gebäude positioniert worden. Die Sprengstoffmenge wäre, wenn sie im Gebäude selbst positioniert worden wäre, ausreichend gewesen, das gesamte Sendergebäude zu Fall zu bringen.

Der Sendebetrieb von SKAI geht sowohl hinsichtlich des Radio- als auch des Fernsehprogramms trotz des Anschlags weiter. Es gab bis 10:30 h TV-Nachrichtensendungen, die in einem provisorischen "Studio" im Hofbereich des Sendergebäudes produziert werden. Dabei geben sich prominente Politiker fast aller Parteien buchstäblich gegenseitig das Mikrofon in die Hand. Danach begannen erneut Produktionen in den Studios, die mit Außenschaltungen ergänzt wurden.

Kurz vor dem Anschlag gab es einen anonymen Anruf um 1:45 h beim Sender ANT1. Der Anrufer informierte über die Bombe und gab 45 Minuten Zeit zur Räumung. Personen kamen nicht zu Schaden. Radiomitarbeiter, die sich eigentlich zum Zeitpunkt der Explosion im Haus aufgehalten hätten, hatten dieses wegen der Warnung frühzeitig verlassen.

Schäden gibt es an in allen Etagen des Gebäudes. Am stärksten betroffen sind das dritte und vierte Stockwerk, wo die Büros der Mitarbeiter verwüstet wurden. Die Druckwelle der Explosion war in der gesamten Nachbarschaft spürbar. Auch an benachbarten Häusern zerbrachen Fensterscheiben.

Die politischen Parteien und Amtsträger des Landes sind sich in der Verurteilung des Anschlags einig. SKAI gilt als verbissener Medienkritiker der umstrittenen Koalitionsregierung Griechenlands. Dabei sind dem TV-Sender, dem Radio und der angegliederten Zeitung Kathimerini für die Kritik nahezu alle Mittel recht. In Tortendiagrammen wurde öfter ein gemäß den Zahlen größerer Anteil als kleiner eingezeichnet. Der Sender propagiert, dass sich Griechenland im Würgegriff krimineller Banden befinde und verlangt tagtäglich einen harten Law & Order-Kurs.

Anarchistische Gruppen werden als Terroristen bezeichnet, welche seitens der Regierung instrumentalisiert werden sollen. Besonders die anarchistische Aktivistengruppe "Rouvikonas" ist den Verantwortlichen bei SKAI ein Dorn im Auge. Die Aktivisten, die mit Farbbeutelwürfen und Flugblattaktionen gegen von ihnen als Missstände identifizierte Gegebenheiten des Alltags wehren, werden bei SKAI als gemeingefährliche Terroristen eingestuft. Im Gegenzug hatten Rouvikonas-Aktivisten in sozialen Netzwerken den Wunsch geäußert, dass der Sender doch bitte abrennen solle.

Mitarbeiter des Senders sind sich nicht zu schade, Tsipras und seiner Regierung in Verkennung seines neoliberalen Sparkurses ein "stalinistisches, kommunistisches Regime" anzudichten. Der Sender samt des Zeitungsverlags fällt zudem mit falscher Zuordnung und Raubkopien von Bildmaterial auf. So werden Nachrichten oft mit polarisierenden Kommentaren versehen. Der Mord am Rapper Pavlos Fyssas durch eine Kommandotruppe der Goldenen Morgenröte im September 2013 wurde von SKAI lange als "Streit unter Fußballfans" heruntergespielt. Der Chefkommentator des Senders Aris Portosalte sah am Montagmorgen die Schuld am Anschlag gar bei Premier Tsipras, da dieser öffentlich sehr oft über von SKAI in die Welt gesetzte Fake News sinniert.

Im Nachhall der Brandkatastrophe von Mati bei Athen hat die regierende Partei SYRIZA ihre Abgeordneten und Kader aufgefordert, SKAI seit mehreren Monaten zu boykottieren. Anfang August hatte SKAI gemeldet, dass die Regierung die Chefs von Katastrophenschutz und Polizei entlassen würde. Diese Indiskretion bestätigte sich vier Tage später, führte jedoch zum Boykott. Quasi als Reaktion darauf wird der Staatssender ERT von den Politikern der Nea Dimokratia boykottiert.

Offenbar sahen der oder die Attentäter in den offen schwelenden, bislang verbal ausgetragenen Konflikten der Medien und der Politik eine Gelegenheit, Sympathisanten für einen Bombenanschlag zu gewinnen. Zweifelsohne ist der Anschlag eine nächste Stufe in der Eskalation des Umgangs im politischen Leben Griechenlands.

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