Atomausstieg "wohl" vorerst verschoben
Die Betreiber zweier Atomkraftwerke haben sich mit der Bundesregierung geeinigt: Ein Weiterbetrieb ist grundsätzlich bis Mitte April möglich. Sollten die Kapazitäten nicht abgerufen werden, ersetzt der Bund die Vorbereitungskosten.
Nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) werden die deutschen Atomkraftwerke Isar II und Neckarwestheim II "wohl" im ersten Quartal 2023 am Netz bleiben. Während Umweltverbände dies scharf kritisieren, teilten die Betreiber beider Kraftwerke, PreussenElektra GmbH und EnBW Kernkraft GmbH, bereits am Dienstag Details einer Einigung mit Habecks Ressort und dem Bundesumweltministerium "über einen möglichen befristeten Weiterbetrieb" mit.
Nach Angaben der PreussenElektra GmbH werden die Betreiber nun "alle vorbereitenden Maßnahmen treffen", um einen Weiterbetrieb "bis längstens 15. April 2023 zu ermöglichen".
Sicherheitsmängel an Isar II wären noch zu beheben
Das bedeutet unter anderem, dass an Isar II erst einmal Sicherheitsmängel behoben werden müssen: Während die Betreiberfirma den Weiterbetrieb noch bis Jahresende ohne Reparatur für verantwortbar hält, schätzt sie ihn darüber hinaus als zu riskant ein, wenn das Kraftwerk nicht "zeitnah in einen Kurzstillstand geht, um eine Revision der Druckhaltervorsteuerventile durchzuführen". Die Rede war bereits von einem einwöchigen Stillstand.
Die Bundesregierung wolle bis spätestens Anfang Dezember entscheiden, ob das Kraftwerk tatsächlich aus der Reserve genommen wird. Für den Fall, dass sie sich dagegen entscheidet, ersetzt der Bund laut der PreussenElektra GmbH "alle Kosten, die für die Vorbereitung eines Weiterbetriebs angefallen sind".
Auf eine solche Zusage beruft sich auch die EnBW Kernkraft GmbH: Sofern es nicht zu einem "Abruf" des Kernkraftwerks Neckarwestheim II komme oder die entstehenden Kosten durch die Erlöse aus dem Betrieb nicht gedeckt werden könnten, "erfolgt ein Verlustausgleich durch den Staat", teilte die Betreiberfirma am Dienstag mit. Die EnBW hat sich allerdings verpflichtet, "fallweise entstehende Gewinne" durch den Betrieb in konkrete Maßnahmen der Energiewende zu investieren.
"Energiepolitischer Unsinn"
Aus der Sicht von Umweltorganisationen bleibt es dennoch "energiepolitischer Unsinn, den gesetzlich festgelegten Atomausstieg zum 31. Dezember 2022 auszuhebeln", wie der Atomexperte Heinz Smital von Greenpeace laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur sagte. "Die Strommangellage in Frankreich durch Abschaltung zahlreicher AKWs zeigt, wie unzuverlässig Atomenergie ist. Daneben besteht das Risiko katastrophaler Atomunfälle."
Ähnlich äußerte sich Olaf Bandt, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutzschutz Deutschland (BUND): "Der Stresstest hat gezeigt, dass ein Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke die Energiesicherheit weder in Deutschland noch in Frankreich qualitativ verbessern wird." Atomkraftwerke bedeuteten "ein permanentes Sicherheitsrisiko".
Habeck hatte Anfang September einen Plan für den möglichen Reservebetrieb von zwei der drei noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland angekündigt. Der dritte noch aktive deutsche Meiler im niedersächsischen Emsland soll jedoch fristgerecht zum 31. Dezember dieses Jahres abgeschaltet werden.
Die von Habeck angenommene Notwendigkeit des Weiterbetriebs von Isar II und Neckarwestheim II über den Winter stellen Umweltverbände auch deshalb in Frage, weil es um die Adventszeit immense Energiesparmöglichkeiten gegenüber den Vorjahren gibt, die weder Wärme noch Hygiene betreffen – etwa durch den weitgehenden Verzicht auf Weihnachtsbeleuchtung, wie ihn die Deutsche Umwelthilfe fordert.