Atommüll: Keine Sicherheit, nur Rechenmodelle
Deutschland hat noch kein Endlager für die Reste aus 60 Jahren Atomkraftnutzung. Jüngste Idee: Alte Brennstäbe als Rohstoff für neue Reaktoren recyceln. Über die Lücken dieses Modells.
Beim Endlager spielt man auf Zeit. Die Suche wurde jetzt im schlechtesten Fall bis zum Jahr 2068 verlängert. Dann muss man entscheiden, wo man die etwa 27.000 Kubikmeter lagern will, die in rund 1.900 Containern, sogenannten Castoren verpackt werden sollen.
Dazu kommen noch etwa 6.500 Tonnen Schwermetall in verglasten radioaktiven Abfallpaketen aus der Wiederaufarbeitung sowie weitere radioaktive Abfälle von Forschungsreaktoren. Für diesen Nachlass der Atomwirtschaft wird ein unterirdisches Endlager gesucht, das den gefährlichen Abfall für eine Million Jahre von der Umwelt abschirmen soll.
Ob man nach 30.000 bis 40.000 Generationen noch weiß, was da in der Tiefe steckt, ist derzeit nicht abschätzbar. Einen deutschen Nationalstaat gibt es erst seit sechs Generationen.
Grenzwerte nach oben korrigieren
Bis Deutschland ein Endlager hat, werden die abgebrannten Brennstäbe in Castoren zwischengelagert. Diese sind für eine Betriebsdauer von 40 Jahren ausgelegt. Für die ersten Exemplare aus den 1980er-Jahren hat man inzwischen die genehmigte Betriebsdauer verlängert.
In welchem Umfang man die Nutzungsdauer noch verlängern kann, ist derzeit noch unklar. Notfalls muss man die in Frankreich bei der Sanierung der maroden Reaktoren gewählte Methode übernehmen und die Grenzwerte für die zulässige Strahlenbelastung dynamisch nach oben korrigieren.
Bayern: Langfristige Zwischenlager und rechnerische Modelle
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält für Bayern die Suche nach einem Atommüllendlager nicht für alternativlos: "Ein Endlager darf nicht die einzige denkbare Lösung sein." Er möchte Kernbrennstäbe lieber recyceln:
"Längerfristige Zwischenlagerung, verbunden mit Forschung zum Brennstab-Recycling, scheint mir ein überlegbares Konzept zu sein"
Dieser Wunsch dürfte in erster Linie dem Wahlkampf im Freistaat geschuldet sein. Abgesehen davon, dass die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Atomrechts dem Bund zusteht und er im Einzelfall den Ländern Weisungen erteilen kann, müsste der Freistaat auch die gesamte Haftung im Schadensfalle übernehmen, die von gewerblichen Versicherern und dem Pool der Kraftwerksbetreiber nicht gedeckt wird.
Dobrindts Vorschlag enthält zudem keine technische Option, bei der es bislang überhaupt praktische Erfahrung gibt. Im Falle der immer wieder ins Spiel gebrachten Flüssigsalz-Reaktoren, deren Entwicklung von der Bundesregierung gefördert wird, liegen derzeit zwar die Anforderungen für den Reaktorbehälter vor, mit welchen man sich die in mathematischen Modellen entwickelten Reaktoren vorstellt.
Mathematische Simulation ohne Material
Ein Material, aus welchem man einen den errechneten Modellen entsprechenden Behälter fertigen könnte, ist bislang nicht bekannt. Die Lösung, die Reaktion in einem Magnetfeld zu betreiben, wie es derzeit bei der Kernfusion betrieben wird, die mit vergleichbaren Materialproblemen kämpft, scheint nicht praktikabel.
Dass man sich bei der Anschlussverwendung für die hochstrahlenden Überreste der 60-jährigen Kernkraftepisode aktuell auf die rein mathematische Simulation einer Technik verlassen will, die bislang noch nie realisiert wurde, verblüfft nicht zuletzt, weil aus dem Umfeld derer, die auf diese Technik setzen wollen, die Modelle der Klimaentwicklung vielfach bezweifelt werden.
Dabei gibt es für die Realitätsnähe der Klimamodelle immer wieder Beispiele, die die Modelle stützen.
Prozess der Endlagersuche auf die nächsten Generationen verschoben
Wie beim Deutschlandtakt, dessen Beginn die Ampelkoalition auf das Jahr 2070 verschieben will, verschiebt sich auch der Zeithorizont für die Endlagersuche immer weiter in die Zukunft. Die Entscheidung soll nach derzeitigen Vorstellungen bis spätestens 2068 abgeschlossen sein.
Derzeit touren Mitarbeiter des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) mit einem kleinen Infostand durch die Republik und stellen der interessierten Öffentlichkeit die aktuelle Vorgehensweise bei der Endlagersuche vor.
Die in diesem Zusammenhang gezeigten Karten bringen jedoch wenig Aufklärung, da dort auch Regionen eingezeichnet sind, die tektonisch aktiv sind und deshalb wohl wenig geeignet für ein dauerhaftes Endlager erscheinen.
Das gilt beispielsweise für den Oberrheingraben, der noch immer mit einer Geschwindigkeit von einem Millimeter pro Jahr absinkt. Dass man an der Oberfläche davon nur selten etwas mitbekommt, liegt daran, dass im Oberrheingraben ein 3.000 Meter dickes Schwemmgutpaket die Auswirkungen dämpft.
Auch wenn sich die Endlagersuche möglicherweise noch über 45 Jahre hinziehen kann, wünscht die Bundesregierung einen Ort für ein Endlager zu finden, an dem der nukleare Abfall ab 2050 isoliert und dauerhaft lagern kann, damit von ihm durch Wärmeentwicklung und Strahlung keine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht. So sieht es zumindest der aktuelle Plan der Bundesregierung vor.
Die Pläne für den Kraftwerksrückbau stammen im Übrigen noch aus der Zeit vor den Sanktionen gegen Russland und gehen von einer guten Zusammenarbeit mit Russland aus, das sich schon seit geraumer Zeit im Rückbau von Kernkraftwerken engagiert.