"Auch Amerikaner sind Träumer"

In seiner ersten Rede zur Lage der Nation fordert Trump die Demokraten zur Zusammenarbeit auf

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Ein Jahr nach seiner Amtseinführung hält ein US-Präsident vor dem Kongress eine Rede zur "Lage der Nation". Dieser von Woodrow Wilson begründeten Tradition huldigte gestern auch Donald Trump. Die eine Stunde und zwanzig Minuten lange Rede, die er dazu von Teleprompter ablas, war eine seiner vorbereiteten (die deutlich weniger unterhaltsame Überraschungen enthalten als seine improvisierten, mit denen er vor allem im Wahlkampf viel Aufmerksamkeit erregt hatte).

Wie bereits am Freitag in Davos (vgl. "Cheerleader" für Amerika) lobte Trump dabei die wirtschaftliche Entwicklung der USA, die historisch niedrige Arbeitslosigkeit unter Schwarzen, die republikanische Steuerreform und die Erfolge im Kampf gegen die salafistische Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Um zu zeigen, wie wichtig ihm die Sicherheit und die körperliche Unversehrtheit der Amerikaner sind, hatte er einen Polizisten lateinamerikanischer Abstammung und Angehörige von Opfern der berüchtigten Gang Mara Salvatrucha (MS-13) als Ehrengäste eingeladen und die Veranstaltung um einen Gedenkmoment an die Ermordeten erweitert. Weil die MS-13 in El Salvador entstand, konnte er dadurch auch auf seine einwanderungspolitischen Vorhaben hinweisen, die er über Dekrete bislang nur in Ansätzen durchsetzte.

Einwanderungskompromissvorschlag

Um auch die im Wahlkampf versprochene stärkere Sicherung der Grenze zu Mexiko zu verwirklichen, rief er die Demokraten in der Rede dazu auf, seinen letzte Woche verkündeten Kompromissvorschlag dazu zu unterstützen. Der sieht vor, 1,8 Millionen illegalen Einwanderern den bislang verschlossenen Weg zur US-Staatsbürgerschaft zu öffnen, wenn die Demokraten dafür 25 Milliarden Dollar für den Ausbau der Grenzsicherung zu Mexiko genehmigen und sich damit einverstanden erklären, dass das Green-Card-Lotteriesystem zur legalen Einwanderung abgeschafft und der Familiennachzug auf Ehepartner und minderjährige Kinder beschränkt wird.

In Anspielung an den für diese als Minderjährige in die ESA eingereisten illegalen Einwanderer verwendeten Begriff "Träumer" meinte er in seinem Appell an die Konkurrenzpartei, auch Amerikaner seien Träumer und hätten einen Anspruch darauf, dass sie die Politik nicht links liegen lässt, sondern ihr Recht auf den "amerikanischen Traum" schützt und verteidigt.

1,5 Billionen Dollar in die Infrastruktur

Ein anderer Bereich, in dem Trump die Demokraten zur Zusammenarbeit einlud, ist die Modernisierung der Infrastruktur, in die der Präsident mindestens 1,5 Billionen Dollar an Bundesmitteln stecken will. Hier sollen auch demokratische Politiker in den Bundesstaaten und den untergeordneten Gebietskörperschaften mitarbeiten und nicht nur Mittel zur Verfügung stellen, sondern auch Vorschriften und bürokratische Hemmnisse abbauen, die Bauvorhaben erschweren. Er selbst, so Trump, habe im ersten Jahr seiner Amtszeit mehr Vorschriften abgebaut als jeder andere US-Präsident vor ihm.

Mit einem Verweis auf den von ihm im Wahlkampf versprochenen gesetzlichen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub wandte sich Trump - ohne die Namen der Parteien zu nennen - nicht nur an die Demokraten, sondern auch an die Republikaner, die dieses Vorhaben in der Vergangenheit verhindert hatten. 2018 ist Trumps Worten nach "unser neuer amerikanischer Augenblick" - ein historisch günstiger Zeitpunkt, "um damit zu beginnen, den amerikanischen Traum zu leben." Wenn alle ihre Differenzen beiseitelegen und wie ein Team oder eine Familie zusammenarbeiten würden, so der Milliardär, dann könne man Amerika "für alle großartig" machen, "alles träumen", "alles sein" und "absolut alles erreichen". Eine Vorstellung, die an die der deutschen Grünen erinnert, welche verkünden, "Zukunft" werde "aus Mut gemacht".

Bewegung im Gesundheitsgeschäft - aber nicht durch die Politik

Auf die Gesundheitsversorgung, die im letzten Jahr eines der großen Themen war, ging Trump in seiner Rede möglicherweise auch deshalb nicht stärker ein, weil gestern ein Vorhaben bekannt wurde, das das Potenzial hat, die Karten abseits der Politik neu zu mischen: Der Internethandelskonzern Amazon, Warren Buffetts Holding-Gesellschaft Berkshire Hathaway und die Großbank JP Morgan wollen zusammenarbeiten, um "technologische Lösungen" für eine "vereinfachte, qualitativ hochwertige und transparente Gesundheitsversorgung zu vernünftigen Kosten" zu entwickeln. Weil diese Entwicklung dazu dienen soll, die Gesundheitsausgaben für die eigenen Mitarbeiter zu senken, soll das neue System ohne "Anreize und Zwänge, Gewinne zu erzielen" gestaltet werden. An der Börse sorgten die Erwartungen daraus für erhebliche Kursrückgänge im Pharma- und Versicherungsbereich.

Im außenpolitischen Teil seiner Ansprache kündigte der Präsident an, bei der Vergabe amerikanischer Steuergelder künftig verstärkt darauf zu achten, dass diese Mittel an "Freunde" der USA fließen. Nordkorea nannte er eine "Bedrohung für die Welt", Russland und China "Gegner", denen man mit Stärke begegnen müsse. Um die in den letzten Jahrzehnten funktionierende Abschreckung weiter zu gewährleisten, will er das nukleare Arsenal modernisieren. Und wegen der weiter bestehenden Gefahren durch den internationalen Terrorismus soll Guantanamo weiter offen gehalten werden - ein Dekret dazu, so Trump, habe er unmittelbar vor Beginn der Rede unterzeichnet.