Auf Tauchfahrt

Israel möchte gerne in Deutschland zwei U-Boote kaufen, obwohl die Bundesregierung die Rüstungslieferungen nach Israel eingefroren zu haben scheint

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Die Bild-Zeitung berichtete in der vergangenen Woche, die israelische Regierung habe in einer Voranfrage an die Bundesregierung ihr Kaufinteresse für die beiden U-Boote des Typs U212 bekundet. Ein Sprecher des israelischen Verteidigungsministeriums bestätigte den Vorgang. Vorausgegangen seien monatelange Vorgespräche mit der Kieler HDW-Werft, in denen die technischen Details abgeklärt worden seien. Ob Israels Militär die beiden je rund 230 Millionen Euro teuren Kolosse sein Eigen wird nennen können, ist aber ungewiss: Seit Anfang 2002 erteilt der Bundessicherheitsrat nur noch selten Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Israel.

Die U-Boote mit dem Namen U-212 gelten als die besten, die derzeit auf dem Markt sind: Schnell und wendig, und dabei dank eines geräuschlosen Brennstoffzellenantriebs doch flüsterleise, sind sie bei Militärs überall auf der Welt begehrt.

Doch nicht jeder Kaufwunsch wird auch erfüllt, denn die deutschen Exportvorschriften verbieten die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Krisenregionen. Und dazu zählt eigentlich auch Israel, dessen Regierung gerne zwei der von der Kieler HDW-Werft gebauten Kolosse anschaffen würde. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Tel Aviv bestätigte am Donnerstag das israelische Interesse an der Rüstungstechnologie made in Germany:

Die Vorgespräche über technische Details der Bestellung sind abgeschlossen; wir warten nun auf eine Antwort aus Berlin.

Doch ansonsten wurde am Donnerstag gemauert: Das Büro des Premierministers verweigerte eine Stellungnahme, das Militär verwies an das Verteidigungsministerium. Und bei der deutschen Botschaft wollte sich niemand zu dem Geschäft äußern. Für solche Fragen sei Berlin zuständig.

Dort muss nun entschieden werden, ob ein Export der U-Boote trotzt des andauernden Nahost-Konflikts genehmigt werden kann. Und dass ist eine Entscheidung, die Berlin nicht leicht fallen dürfte: Seit der Dschenin-Operation der israelischen Armee im Frühjahr 2002 erteilt der Bundessicherheitsrat nur noch sehr selten Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Israel. Zuvor war Israel der viertgrößte Empfänger von deutschen Rüstungsexporten gewesen: Zwischen 1999 und 2001 hatte Jerusalem Bestellungen im Gesamtwert von über 1,2 Milliarden Mark aufgegeben. Betroffen vom Exportstopp seien neben Feuerwaffen für die Sicherheitsorgane auch bis zu 120 sicherheitsrelevante Teile, die in der israelischen Panzer-Eigenmarke Merkava 4 verbaut werden, sagen Quellen im Verteidigungsministerium - und bitten sich dabei absolute Anonymität aus. Hatte der Quasi-Exportstopp vor zwei Jahren noch für energische Proteste der israelischen Regierung gesorgt , möchte man dort das Thema mittlerweile lieber gar nicht mehr diskutieren.

Denn Jerusalem hofft darauf, dass die Bundesregierung trotz allem dem U-Boot-Verkauf zustimmen wird. Das Bekanntwerden der Voranfrage werde nun die Bundesregierung unter erheblichen Druck setzen, sagt der deutsche Kriegswissenschaftler Dr. Martin Rauch von der Hebräischen Universität Jerusalem: "Vor dem Hintergrund der aktuellen israelischen Militäroperationen wird dieses Geschäft einen negativen Beigeschmack bekommen." Und Kritik aus Israel an der deutschen Exportpolitik würde diesen Druck noch verstärken: "Israels Regierung spielt in diesem Geschäft die Rolle des demütigen Bittstellers, weil sie keine andere Wahl hat, wenn sie ihre verteidigungsstrategischen Ziele erreichen will."

Seit einigen Jahren rüstet Jerusalem systematisch die israelische Marine auf, um so den militärischen Spielraum zu vergrößern. Auf diese Weise, so die Theorie, sollen potentielle Gegner abgeschreckt werden. Sollte es dennoch zum Krieg kommen, soll dieser nach Möglichkeit soweit weg von der Heimat wie möglich ausgefochten werden. Während Waffen und die Teile für den Merkava-4 relativ problemlos anderswo beschafft werden konnten, ist die Spitzentechnologie des U212 so gut wie konkurrenzlos: Die U-Boote mit einer Reichweite von 4.000 nautischen Meilen würden es dem israelischen Militär erlauben, im Westen im gesamten Mittelmeer-Raum und im Osten im Roten Meer, dem Persischen Golf und dem Arabischen Meer bis an die indische Westküste zu operieren - und das dank des hochmodernen Flüsterantrieb des U212 nahezu unbemerkt. Rauch:

Das israelische Hauptargument in den Gesprächen mit der Bundesregierung wird sein, dass die U-Boote für die Verteidigung des Landes lebensnotwendig sind und die Lieferung deshalb auch im deutschen Interesse liegen sollte.

Doch auch diese Sichtweise sei für die Bundesregierung nicht ganz unproblematisch, sagt der israelische Rüstungsexperte Nahum La'or:

Es wird die Frage auftauchen, ob durch die Lieferung nicht das militärische Gleichgewicht im Nahen Osten unverhältnismäßig verschoben wird.

Israels Militär hatte bereits 1999 aus Deutschland eine Lieferung von drei U-212 erhalten; durch die zusätzlichen beiden U-Boote erhalte Israel eine Vormachtstellung zur See:

Es ist sehr wahrscheinlich, dass einige der arabischen Staaten nun bei der Bundesregierung intervenieren oder wenigstens versuchen werden, ähnliche Deals abzuschließen.

Schon 1999 hatte es in Berlin starke politische Bedenken gegen die Lieferung gegeben: Kritiker fürchteten, die U-Boote würden in Israel mit Trägerplattformen für Nuklearwaffen ausgestattet - eine Vermutung, die sich nach Ansicht der Rüstungsexperten später bestätigte. In der deutschen Öffentlichkeit hingegen hatte damals vor allem der Fakt für Stirnrunzeln gesorgt, dass die Bundesregierung Israel die Bestellung nahezu geschenkt hat: Jerusalem zahlte nur ein halbes U-Boot; die Kosten für die verbleibenden zweieinhalb trug der deutsche Steuerzahler.

Auch jetzt ist unklar, wovon die Bestellung bezahlt werden soll: Ein U-212 kostet rund 230 Millionen Euro - Geld, dass im stark unterdeckten israelischen Staatshaushalt nicht vorhanden ist. Dass die Bundesregierung gewillt ist, nochmals einen Teil der Kosten zu übernehmen, halten La'or und Rauch für unwahrscheinlich. Möglich wäre jedoch unter anderem eine Finanzierung aus amerikanischen Rüstungsbeihilfen, die nur für Einkäufe bei US-Unternehmen ausgegeben werden dürfen - und dazu zählt, dank ihrer Eigentümer-Struktur, derzeit auch die Kieler HDW-Werft: Sie gehört dem US-Investor One Equity. Nach Auskunft der amerikanischen Botschaft in Tel Aviv wären die Vorschriften des US-Senats damit erfüllt. Allerdings müsste der Deal schnell unter Dach und Fach gebracht werden: Der ThyssenKrupp-Konzern will demnächst HDW übernehmen und in einen Werften-Verbund integrieren.