Auf dem Weg zum Chemieroboter

Seite 3: Skepsis unter Chemikern

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Einige Chemiker träumen nun von Produktivitätsschüben im Chemielabor, die sich besonders im Verein mit automatisierten Synthesemaschinen in ungeahnte Höhen schrauben ließen.

Andere Kollegen sind da skeptischer. Nicht nur wegen diffuser Vorahnungen, dass ihre Arbeitsplätze bald hinfällig werden könnten, doch noch droht ein solches Szenario nicht gleich morgen. Heute sind die Kritiker speziell von den gerade präsentierten Ergebnissen nicht überzeugt, zu marginal seien die erzielten Verbesserungen. Der Beweis, dass Chematica tatsächlich bessere Synthesewege ersinne als Menschen, stehe nach wie vor aus.

Noch andere sehen die vorgestellte Veröffentlichung als eine einzige Ansammlung von Täuschungen, weniger als eine ernst zu nehmende wissenschaftliche Studie. Sie sei vielmehr der Versuch, ein Produkt zu bewerben. Das ist nicht ganz unbegründet, man kann sich dieses Verdachts auch bei anderen Grzybowski-Werken nicht erwehren, zum Beispiel wenn im Abstract eines Artikels ein Churchill-Zitat zum Verlauf des Zweiten Weltkriegs als treffende Umschreibung der eigenen Arbeit bemüht wird. Oder wenn zur aktuellen Arbeit gleich eine Hintergrundgeschichte bei Chem mitgeliefert wird, die im Titel suggeriert, dass das Programm bereits begonnen hat, wie ein Chemiker zu denken

Sollte das Programm letztendlich funktionieren, könnte einer breiteren Anwendung ein anderes Problem im Wege stehen: in der Handhabung des dabei anfallenden geistigen Eigentums, etwa für die von Chematica erzeugten Synthesewege. Sarah Trice, Chefin für die kommerzielle Entwicklung chemoinformatischer Technologien bei MilliporeSigma, wird in den Chemical & Engineering News zitiert, dass Molekülsuchen nur von demjenigen Nutzer eingesehen werden können, der sie durchführt, und dass das Unternehmen die Rechte am geistigen Eigentum der jeweils generierten Vorschriften nicht zu kontrollieren gedenkt.

Noch hat Merck Millipore nicht bekanntgegeben, wann oder wie Chematica offiziell in den Handel kommt. Für die menschliche Erfindungskraft soll jedenfalls auch in der Zukunft noch genügend Platz sein.

Ein weiterer Mitbewerber, der ChemPlanner von John Wiley & Sons, soll in Bälde in SciFinder integriert werden, einem Produkt von CAS, der zur American Chemical Society gehört. Mit Reaxys von Elsevier wiederum ist mit einer web-basierten Datenbanksuche ein weiterer Konkurrent auf dem Markt, der mit einem Syntheseplanungs-Werkzeug ausgestattet ist.