Auf den Spuren von ENFOPOL, III
Österreichisches Innenministerium: Echelon ist "Schmafu".
Nachforschungen über eine polizeiliche Arbeitsgruppe beim EU- Rat, die einmal existiert, dann wieder nicht und laut Sunday Times unter Mitwirkung von Geheimdiensten betrieben wird.
"ENFOPOL ist eine ganz normale Ratsarbeitsgruppe", sagt Major Rudolf Gollia vom österreichischen Innenministerium, "die sich mit dem Einsatz neuer Technologien in der polizeilichen Zusammenarbeit beschäftigt." Mit einem System wie dem militärischen Echelon habe ENFOPOL nichts zu tun, vielmehr sei da in "letzter Zeit in den Medien vieles vermischt worden."
Merkwürdigerweise ist freilich genau diese Ratsarbeitsgruppe, die im Rahmen des Vertrags von Maastricht bereits 1993 gegründet worden sein soll, weder auf den EU-Servern noch im RAG-Verzeichnis des österreichischen Innenministeriums aufgelistet. In Beantwortung einer Anfrage der liberalen Abgeordneten Barmüller, Kier und anderer vom 16. April 1998 hatte Innenminister Karl Schlögl die Existenz der Gruppe noch dementiert: "Bei ENFOPOL handelt es sich um keine Arbeitsgruppe oder Organisation, sondern um ein Kürzel für die Bezeichnung von Arbeitspapieren einiger Ratsarbeitsgruppen, so auch der RAG 'Polizeiliche Zusammenarbeit'".
EU-Geheimdienst "als logischer Schritt der Union"
Laut einem Bericht der Sunday Times vom vergangenen Sonntag (22.11), auf den sich Major Gollias oben zitiertes Statement unter anderem bezog, sind beim Aufbau der EUROPOL in Holland nicht nur Polizeibeamte, sondern auch Personen aus dem Nachrichtendienstbereich beteiligt. Dazu zitiert das Londoner Blatt Ernst Uhrlau, den neuen Geheimdienstkoordinator des Kabinetts Schröder, der einen EU-eigenen Geheimdienst "als logischen Entwicklungsschritt der Union" ansieht.
Laut "Sunday Times wurde der deutsche Vorstoss in britischen, wie französischen Geheimdienstkreisen durchwegs kühl aufgenommen. Hintergrund für die deutschen Begehrlichkeiten nach einem EU-weiten Nachrichtendienst ist, dass Frankreich und England über eigene, weltweite Lauschsysteme verfügen, Deutschland jedoch auf Beistellung der Daten durch eine Drittmacht angewiesen ist. Das namentlich nicht bekannte französische System soll von Neukaledonien bis Guayana 17 Abhörstationen weltweit umfassen, während England Mitbetreiber des Systems Echelon ist.
Auf die Verquickung zwischen Geheimdiensten und Polizei weist der gerade etwas entschärfte Versuch der österreichischen Behörden hin, die reine Geheimdienstagenden wie vorbeugende "Gefahrenerforschung" elektronischer Art ohne richterlichen Befehl in ein Polizeibefugnisgesetz hineinzuschreiben versuchten.
"Stimmt nicht," meint Major Gollia, Grund für die begehrten Erweiterungen der Polizeibefugnisse sei vielmehr, dass die Polizei etwa bei telefonisch angekündigten Selbstmorden bis dato nicht vorbeugend ermittlungstätig werden konnte. Was Echelon betreffe, so entspreche dieses in den Fünfziger Jahren entstandene System technisch einfach "nicht dem Status der heutigen Informationsgesellschaft" und sei deshalb "Schmafu."
Die Berichterstattung über ENFOPOL wird laufend fortgesetzt. Hinweise bitte an den Autor dieses Artikels oder an die Redaktion.
Erich Moechel ist Herausgeber des Newsletters q/depesche.