Auf der Galeere

Sport bleibt Mord - der US-College-Football steht dafür ein

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"This is hell and you can't leave" - selten wurde diese pessimistische Sicht der Dinge schöner auf den Punkt gebracht als durch einen PR-Stunt in den USA vor einigen Wochen: Das Football-Stadion der Florida-Atlantic-Universität sollte den Namen einer Firma tragen, die private Gefängnisse betreibt.

Eigentlich fallen einem zu diesem Vorgang nur noch Konstellationen ein, die eher in Monty-Python-Sketchen oder Asterix-Comics ihren Platz hätten - wie wäre es mit einer Zeitarbeitsfirma, die Galeerensklaven verleiht und Ruderwettbewerbe sponsert?

Der Spaß findet seine Grenze wie immer an der Realität. Die betreffenden Privatbestrafer von der "GEO-Group" werden regelmäßig zu Schadensersatz verurteilt, sei es wegen der allzu freigiebigen Benutzung von Pfefferspray, wegen sexueller Übergriffe von Vorgesetzten auf die eigenen Mitarbeiter, oder weil Gefangene gleich ganz zu Tode kommen.

Freilich hat das die "GEO-Group" nicht daran gehindert, ihren Umsatz seit dem Gründungsjahr 1994 zu verhundertfachen - im letzten Jahr kamen 1,7 Milliarden Dollar zusammen. In der Verwahrung von Gefangenen steckt eine Menge Geld, und ein Anteil von 6 Millionen Dollar von diesem Geld geht an die Florida-Atlantic-Universität, weil sie sich so artig prostituiert. Die Verantwortlichen wollen das natürlich nicht so sehen. Für die Universitätspräsidentin Mary Jane Saunders ist die GEO-Group eine wunderbare Firma, mit der man gern zusammenarbeite.

Akt der gelebten Aufklärung

Die wunderbare Firma lässt verlauten, dass all die Prozesse gegen sie im Wesentlichen ein Ergebnis von Verleumdung seien. In Wirklichkeit habe man schon immer darauf geachtet, die höchsten Standards der Gefängnisindustrie zu wahren (wörtl: "We have always adhered to the highest standards in our industry (…)"). Da fragt man sich unwillkürlich, was denn eigentlich die niedrigsten Standards in dieser fabelhaften Industrie sind, wenn das Geschäftsgebahren der CEO Group schon die allerhöchsten repräsentiert. Vielleicht ist das auch ein bisschen schwierig mit den Standards, wenn der Rubel in der Gefängnisindustrie (wie überall sonst auch) nur bei kräftiger Kostenminimierung so richtig rollt.

Die National Collegiate Athletics Association (N.C.A.A.), eigentlich landesweit zuständig für alle Belange des studentischen Sports (der in den USA einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland genießt), findet nicht, dass die Gefangennahme des Footballs an der Florida-Atlantic-Universität ihr Bier ist. Schließlich sei ein derartiger Deal ausschließlich die Sache der Vertragspartner. Es versteht sich von selbst, dass die N.C.A.A. auf ihrer Homepage mit Schlagworten wie "intergrity", "fair play", "accountability" um sich wirft.

Bob Libal von der Bürgerrechtsorganisation Grassroots Leadership meint allerdings, man könnte ein Football-Stadium genauso gut "Blackwater-Stadion" nennen, nach der Söldnerfirma, die sich im Irak mit allen nur erdenklichen Verbrechen einen so klangvollen Namen gemacht hat, dass sie seit 2009 zwei Mal umbenannt werden musste. Ihr aktueller Name "Academi" sollte sie für Experten wie die von der Florida-Atlantic-Universität eher noch attraktiver machen.

Das Stadion als Spaßgefängnis

Aber im Ernst: Man kann der Universität dankbar sein, dass sie die Namensrechte ihres Stadions an die GEO-Group vergeben hat: dankbar für einen unwillkürlichen, aber dafür um so deutlicheren Akt der gelebten Aufklärung. Nach einem immer noch schwelenden Missbrauchsskandal an der Penn-State-Universität und zusammen mit dem sich erhärtenden Verdacht, dass Football den Gehirnen der Spieler grundsätzlich nicht gut tut wäre die Sache mit der "GEO-Group" und der Florida-Atlantic-Universität der dritte Scheinwerfer in jüngster Zeit, der die wahre Natur dieses Football-Debakels beleuchten könnte.

Es ist ein Ineinander von Gewalt und Selbstverletzung, Geschäft und Medien: das Stadion als Spaßgefängnis, als Jubelgulag, auf dessen Spielfeld sich die ehemals missbrauchten Gladiatoren die Köpfe zermatschen, während ihnen die Gefangenen auf den Rängen dabei zujubeln. Es lebe der Sport!

Ergänzung: Mittlerweile hat die GEO Group den Deal wegen der zahlreichen Proteste abgesagt.